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Auswirkungen der Pandemie erstnehmen, Bildungsgerechtigkeit umsetzen

Beschluss des GEW-Landesvorstandes vom 29.11.2021

Die Bedingungen, unter welchen Bildung in den letzten 1,5 Jahren aufgrund der Corona-Pandemie stattgefunden hat, haben massive Auswirkungen auf Schüler*innen, ihre Familien und letztlich auch die Pädagog*innen. Ein Weiter so geschweige denn ein Zurück zu vorpandemischen Zeiten gibt es nicht. Es gilt anzuerkennen, dass die ungerechte Verteilung von Zukunftschancen sich in der Pandemiezeit noch mehr verstärkt hat. Die psychische und physische Gesundheit vieler junger Menschen ist durch die Erlebnisse und der Isolation zum Teil stark beeinträchtigt. Die ohnehin sehr unterschiedlichen Ausgangslagen von Schüler*innen haben sich durch die Schulschließungen noch weiter auseinanderentwickelt. Hinzu kommt, dass durch die stark zugenommene Bedeutung von digitalen Kommunikationsmitteln auch der „digital gap“, der Unterschied im Zugang und der Nutzung digitaler Medien, immer größer geworden ist. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und der Bildungsungerechtigkeit entgegen zu wirken, muss die Schule sich weiterentwickeln und breiter aufstellen. Unterstützungsstrukturen müssen verlässlich ausgebaut werden. Damit der digitale Wandel die Bildungsungerechtigkeit nicht weiter vergrößert, müssen konkrete Maßnahmen in die Wege geleitet werden.

Schule als sozialen Raum denken, Individualisierung beim Lernen ermöglichen, psychosoziale Unterstützung sicherstellen

Eine Schule, die vor allem auf die kognitiven Leistungen der Schüler*innen schaut, kann nicht die Antwort auf die vielfältigen Bedürfnisse der jungen Menschen sein. Kinder und Jugendliche müssen in ihrer Individualität gesehen werden und auf vielen Ebenen Unterstützung erhalten. Der Auftrag von Schulen erweitert sich. Um dies gewährleisten zu können, müssen sich die Schulen langfristig anders und vor allem multiprofessionell aufstellen.

  1. Dem sozialen Lernen und der pädagogischen Beziehungsarbeit muss mehr Raum gegeben werden, damit sich Kinder und Jugendliche aufgehoben fühlen. Das psychische Wohlbefinden ist ein wichtiger Faktor für gelingende Lernprozesse. Projekte und Schulausflüge dürfen nicht dem Leistungsdruck zum Opfer fallen. Den Schulen muss hierfür Zeit innerhalb oder zusätzlich zur Stundentafel bereitgestellt werden. Die Schulen sollten langfristig sowohl für den Unterricht als auch im Ganztag zusätzliches Personal erhalten, um die Kinder und Jugendlichen besser unterstützen bzw. fördern zu können und die Lerngruppen zu teilen. Individuelle Lernbegleitung und Förderung zusätzlich zum Unterricht sollte grundsätzlich langfristig als Teil des schulischen Angebots aufrechterhalten werden. Hierfür müssen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Für die Durchführung von Lernstandserhebungen und Rückmeldungsgespräche im Kontext von „Stark trotz Corona“ und darüber hinaus müssen verbindlich zusätzliche Ressourcen für einen zeitlichen Ausgleich bereitgestellt werden.
  2. Das individualisierte und eigenständige Lernen sollte gefördert haben. Dies sollte in den fachbezogenen Fortbildungen und in den Fachbriefen vielmehr in den Fokus rücken.
  3. Den Schüler*innen und auch den Pädagog*innen muss der Druck genommen werden, Leistungsstände zu festen Zeitpunkten abzufragen. Es braucht ein pädagogisch motiviertes Leistungsverständnis, welches Rücksicht auf die individuellen Lernwege der Schüler*innen nimmt. Die GEW BERLIN wird sich in diesem Zusammenhang mit der Neugestaltung der Oberstufe befassen.
  4. Für die individuelle psychologische Unterstützung muss es niedrigschwellige Angebote vor Ort (Sprechzeiten von Schulsozialarbeit, Informationen zu therapeutischen Einzel- oder Gruppenangeboten) geben. In dem einjährigen Programm „Stark trotz Corona“ sind nur 30% der Mittel für die Förderung von psychosozialem Wohlbefinden vorgesehen. Das reicht bei Weitem nicht aus. Auch der Zeitraum ist viel zu kurz, denn die vielfältigen Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen werden wohl kaum nach einem Jahr behoben sein. Es braucht eine Verstetigung von zusätzlichen Mitteln mit dem Ziel der Weiterentwicklung und Implementierung von multiprofessionellen Teams.

Vielfältige Unterstützungsstrukturen langfristig absichern

Damit Schulen ihre Arbeit gut machen können, sind sie auf gut ausgestattete Unterstützungsstrukturen angewiesen. In vielen Fällen ist eine Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe oder der Schulpsychologie notwendig.

 

  1. Es braucht einen massiven und langfristig abgesicherten Stellenaufwuchs in den Bereichen Schulpsychologie, regionale soziale Dienst, Erziehungsberatung, therapeutischen und jugendpsychiatrischen Angebote, Jugendberufshilfe. Es ist es wichtig, dass die betroffenen Schüler*innen zeitnah externe Unterstützung bspw. durch Therapeut*innen und Psycholog*innen erhalten. Zudem müssen niedrigschwellige präventive Angebote zur Verfügung stehen. Auch für die Pädagog*innen war und ist die Zeit mit starken Belastungen verbunden. Die Coaching-Angebote für Schulpersonal sind auszubauen.
  2. Für die Schaffung vielfältiger Angebote informeller Bildung sollten regionale Netzwerke und Kooperationen langfristig ausgebaut und gestärkt werden. Hierzu gehören Angebote von Sportvereinen, Kultureinrichtungen, Bibliotheken, ehrenamtliche Strukturen. Alle Angebote müssen inklusiv und barrierefrei sein, damit Kinder und Jugendliche mit Unterstützungsbedarf nicht benachteiligt werden

Bildungsgerechtigkeit als unabdingbare Anforderung an den digitalen Wandel

Der digitale Wandel darf Ungerechtigkeiten nicht verschärfen. Bildungsgerechtigkeit muss flächendeckend, verlässlich und nachhaltig umgesetzt werden.

  1. An allen Schulen muss zeitnah der Zugang zu freiem WLAN für die gesamte Schulgemeinschaft, insbesondere Lernende ermöglicht werden. Zusätzlich sollen Lernplätze mit Endgeräten und Internetzugang finanziert und eingerichtet werden. Die Mehrkosten sollen langfristig im Bildungshaushalt verankert werden. Wartung und Betreuung dieser Plätze muss ebenfalls abgebildet werden. Nur so kann ein verlässlicher und Zugang zu Bildungsinhalten und ruhigen Lernplätzen unabhängig von individuellen Voraussetzungen und Hintergründen gewährleistet werden.
  2. Bildung in der digitalen Welt wird bereits gelebt. Wichtig ist, bei der Nutzung digitaler Medien die digitale Mündigkeit als Grundlage zu sehen. Die bisherige punktuelle Verankerung in Curricula sowie die dezentralen Fortbildungsangebote reichen jedoch nicht aus um dem Umbruch angemessen zu begegnen. Zeitliche Ressourcen für Transformationsprozesse müssen innerhalb der Stundentafel und der Arbeitswoche eingeplant, eingerichtet und finanziert werden. Nur mit professioneller Begleitung und Zeit für Fortbildung der gesamten Schulgemeinschaft kann dieser Prozess gelingen. Die Bündelung der Fortbildungen über ein Landeskompetenzzentrum könnte hierfür sehr hilfreich sein.
Kontakt
Klaudia Kachelrieß
Referentin Vorstandsbereich Schule
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