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Entwicklung eines Aktionsprogramms mit kurz- und längerfristigen Zielen zur Veränderung und Verbesserung der Berliner Schule

Landesdelegiertenversammlung 19./20.06.2001

Letzte Aktualisierung: 26.03.2001

Die GEW BERLIN bekräftigt ihre Forderung nach grundsätzlichen Veränderungen und Verbesserungen in den Schulen.

Es geht dabei auch um eine substanzielle Verbesserung der finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen, z.B. Senkung der Klassenfrequenzen und Gruppengrößen sowie der Unterrichtsverpflichtung, die es LehrerInnen und ErzieherInnen ermöglicht, ihre Schulen pädagogisch so weiterzuentwickeln, dass sie den heutigen Ansprüchen von Eltern, Kindern und Jugendlichen an einen Ort des Lernens und Lebens genügen: einen Ort, an dem demokratische Erziehung, soziales Lernen und hohe fachliche Qualifikation verwirklicht werden können.

Die GEW BERLIN setzt sich für ein in Inhalt und Organisation demokratisches Schulwesen ein, das beim Zugang zu Bildung und Ausbildung dem sozialen Auseinanderdriften entgegenwirkt. Das Recht jedes Kindes und Jugendlichen auf Förderung seiner individuellen und sozialen Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit muss Gewähr leistet sein, was die Befähigung zum organisierten politischen Handeln und zur solidarischen Interessenvertretung einschließt.

Die GEW BERLIN entwickelt ein Aktionsprogramm, das die Schritte aufzeigt, mit denen die Schulen entsprechend den längerfristigen Zielen verändert werden können. Dabei geht es um inhaltliche Teilschritte und um Formen, mit denen unsere Ziele in der Gesellschaft kommuniziert und Bündnispartner - insbesondere unter Eltern und SchülerInnen - gewonnen werden.

Die LDV der GEW Berlin beauftragt den GLV/LV, ausgehend von diesem Antrag ein solches Aktionsprogramm bis zur Herbst-LDV 2001 zu konkretisieren. In diesem Aktionsprogramm sollen Zwischenschritte formuliert werden, die abgeleitet sind von den Grundsatzpositionen, wie sie die GEW Berlin in ihren "Eckpunkten" und die GEW insgesamt mit ihren "Schulpolitischen Positionen" beschlossen hat. Die Zwischenschritte müssen geeignet sein, die Schulen der Erreichung ihrer längerfristigen Ziele näher zu bringen.

 

10-Jahres-Programm der GEW BERLIN

Die GEW BERLIN hält an ihren emanzipatorischen Bildungszielen fest und strebt in den nächsten Jahren die nachfolgenden Ziele an. Sie ist sich dabei der wachsenden Resistenz gegen pädagogische Beratung bei führenden für die Bildung zuständigen Politikern durchaus bewusst.

  • Uneingeschränkter Erhalt der sechsjährigen Grundschule;
  • Gleichwertigkeit aller Schulen im Sekundarbereich I im Hinblick auf Bildungsbegriff und pädagogische sowie materielle Ausstattung, sodass alle Schulen des Sekundarbereichs den Zugang zu allen Abschlüssen der Sekundarstufe I eröffnen; Erhalt und Weiterentwicklung der Integrierten Gesamtschule;
  • Neuordnung der Kooperation von Elementar- und Primarbereich sowie Primar- und Sekundarbereich;
    flächendeckendes Angebot von Ganztagsschulen;
  • eine deutliche Frequenzsenkung in allen Klassen;
  • gleichberechtigte Einbeziehung der Sozialpädagogik und der sozialpädagogischen Fachkräfte in die schulische Arbeit;
  • eine Schule, die Lern- und Lebensort von Kindern und Jugendlichen ist, und die Heterogenität der Zusammensetzung der Berliner Schülerschaft anerkennt und pädagogisch nutzt;
  • Ausbau von jahrgangsübergreifenden Organisationsformen in Grund- und Oberschulen;
  • Integrationspädagogik als durchgängiges Prinzip der Berliner Schule;
  • interkulturelle Erziehung als durchgängiges Prinzip in allen Schulen;
  • die Förderung der Mehrsprachigkeit aller Kinder und Jugendlichen;
  • kostenlose Bereitstellung der Lehr- und Lernmittel, inkl. der Pflege und Wartung von modernen Unterrichtsmedien wie z.B. PCs;
  • Herstellung und Ausstattung der Schulgebäude und Schulgelände entsprechend den heutigen pädagogischen Anforderungen;
  • umfassende Veränderung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der PädagogInnen zur Verwirklichung einer neuen Schulkultur, insbesondere im Umgang mit der Heterogenität der Lerngruppen, der Methodik integrativer Differenzierung und des jahrgangsübergreifenden Unterrichts, der Partizipation der Kinder und Jugendlichen, der Kooperation in der Arbeit der PädagogInnen und mit den Eltern sowie den Aufgaben der inneren Schulentwicklung.
  • Erhalt und Ausbau schulpsychologischer Beratung.

Sofortprogramm der GEW BERLIN

Als Einstieg halten wir folgende Weichenstellungen als erste Schritte für unverzichtbar:

Verbesserungen für Schulen in sozialen Brennpunkten

  • deutliche Ausstattungsverbesserungen für Schulen in sozialen Brennpunktgebieten in Höhe von 30% der Personalmittel zur Frequenzsenkung, für Doppelsteckung und außerunterrichtliche Aufgaben und eine Aufstockung der Sachmittel um 50% pro SchülerIn;
  • Stärkung der Schulen in sozialen Brennpunkten bei ihrer Schulentwicklung u.a. durch Fortbildung und Supervision;
  • bevorzugte bauliche Instandsetzung mit dem Ziel attraktiver und gepflegter Schulanlagen;
  • sozialpädagogische Angebote an allen Schulen in Vorbereitung eines Ganztagsangebots.

Weiterentwicklung aller Schulen zu integrativen Schulen

  • Rechtsanspruch auf Integration: Verzicht auf einen speziellen Haushaltsvorbehalt für Integration;
  • Öffnung jeder einzelnen Grundschule und jeder einzelnen Oberschule für die Integration;
  • Bildung von Kooperationsschulen als Zusammenarbeit von Grundschulen, Schulen des Sekundarbereichs und Sonderschulen mit dem Ziel der Schaffung einer gemeinsamen integrativen Schule;
  • Befähigung aller PädagogInnen zum integrativen zieldifferenten Unterricht durch Aus- und Fortbildung;
  • Fortschreibung der Rahmenpläne der allgemeinen Schule zu integrativen Rahmenplänen, als Grundlage für die Entwicklung individueller Förderpläne;
  • Entwicklung einer Bewertungspraxis, die die individuelle Lernentwicklung der/des Schüler/in spiegelt.

Verbesserung von Unterricht

Um Unterricht zu verändern und zu verbessern ist

  • eine veränderte Ausbildungs- und Prüfungsordnung der 2. Phase (Referendariat) nötig; die 2. Phase muss Kompetenzen vermitteln wie
    • fächerverbindendes / fächerübergreifendes Lernen und Arbeiten,
    • Anregung von eigenständigem und auf Kooperation beruhendem Lernen von Schülerinnen und Schülern,
    • Arbeit mit leistungsmäßig, sozial und kulturell heterogenen Gruppen,
    • kooperative Lehrerarbeit im Unterricht und in der Unterrichtsplanung,
    • Kooperation mit Eltern, Einrichtungen der Jugendhilfe und anderen außerschulischen Einrichtungen;
  • die Fortbildung als fester Bestandteil der Arbeit von PädagogInnen zu installieren und insbesondere auf schul- und schulentwicklungsbezogene Fortbildung und teambezogene Qualifizierung auszurichten.
  • Schulen sind so mit Lehrerstunden auszustatten und Lehrkräfte so auszubilden, dass SchülerInnen in der deutschen Sprache in ausreichendem Umfang gefördert werden;

Ziel ist ein verändertes Unterrichtskonzept, das durch schülerorientierten und schülerzentrierten Unterricht und die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen zum eigenverantwortlichen Arbeiten und Lernen charakterisiert ist.

Daher sollten außer den im Abschnitt "integrative Schule" benannten Maßnahmen umgehend

  • gesetzliche Regelungen und pädagogische Richtlinien diesen Zielsetzungen entsprechend gestaltet werden statt sie zu konterkarieren (z. B. durch den Verzicht auf verbindliche Einführung der äußeren Fach-Leistungsdifferenzierung in der Grundschule);
  • zusätzliche Anrechnungsstunden zur Steuerung und Umsetzung neuer Unterrichtskonzepte zur Verfügung gestellt werden;
  • die Prüfungsordnung und die Seminarorganisation in der Referendarausbildung geändert werden;
    Mittel und Angebote für Supervision und teamorientierte Fortbildung für alle Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung gestellt werden;
  • die Klassenfrequenzen gesenkt werden;
  • die Mittel für pädagogisches Material verlässlich zugewiesen werden (auch bei Haushaltssperre).

Kooperation Schule - Jugendhilfe

  • Ausbau von Ganztagsschulen und offenem Ganztagsbetrieb in Kooperation mit der Jugendhilfe;
  • haushaltsrechtliche Absicherung und Ausbau von Schulstationen und Schülerclubs;
    Verlässlichkeit
    • ab sofort: Einführung bei Grundschulen in sozialen Brennpunkten, danach: schrittweise flächendeckend,
    • Kernzeit: 7.30 Uhr bis mindestens 14.00 Uhr,
    • eine den Erzieher-Richtlinien vergleichbare Personalausstattung,
    • gesunde Essenversorgung an jeder Schule;
  • Konzeption, Absicherung und Aufbau von schulbezogener Sozialarbeit, beginnend in sozialen Brennpunkten;
  • Einbeziehung außerschulischer sozialpädagogischer Angebote wie Hausaufgabenbetreuung, AGs; psychosoziale Betreuung und deren finanzielle Absicherung;

Einstieg in eine interkulturelle Erziehung

  • Ausbau der Sprachenangebote für die erste und zweite Fremdsprache durch die Aufnahme der Herkunftssprachen der MigrantInnen;
  • Überarbeitung der Rahmenpläne nach Erfordernissen der interkulturellen Pädagogik;
  • Ausbau der Aus-, Fort- und Weiterbildung mit dem Ziel, alle PädagogInnen zu befähigen, die interkulturelle Kompetenz der Kinder und Jugendlichen zu entwickeln;
  • gezielte Werbung für das Lehrerstudium und Einrichtung eines Einstellungskorridors für PädagogInnen mit Migrationshintergrund.
  • "Elternschule" in sozialen Brennpunkten.

Zur Durchsetzung ihrer Forderungen wird die GEW

  • im Aktionsbündnis "Zukunft der Bildung" gemeinsam mit Eltern und SchülerInnen für die Forderungen mobilisieren;
  • mit vermehrter systematischer Öffentlichkeitsarbeit die erziehungswissenschaftlichen Ansätze und die bereits arbeitenden Schulprojekte bekannt machen, die den Zielen der GEW entsprechen; dabei geht es vor allem um die Beeinflussung der Diskussion in den Medien;
  • die Schulpolitik der GEW und ihre gesellschaftspolitischen und erziehungswissenschaftlichen Grundlagen bei der gewerkschaftlichen Schulungsarbeit einbeziehen;
  • verstärkt die Möglichkeiten der Einflussnahme auf bezirklicher Ebene und in den einzelnen Schulen nutzen, um ihre Forderungen in den sich entwickelnden Prozess der Schulprogrammarbeit einfließen zu lassen.