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Föderalismusreform: Forderungen an das Land Berlin

Landesdelegiertenversammlung vom 30./31.05.2006

Letzte Aktualisierung: 13.06.2006

Die GEW BERLIN schließt sich ausdrücklich der Stellungnahme der GEW Bund zur Föderalismusreform von März 2006 an.

Die GEW BERLIN fordert auf dieser Grundlage den Berliner Senat, das Abgeordnetenhaus und die Berliner Bundestagsabgeordneten auf, die Gesetzentwürfe zur Föderalismusreform in der vorliegenden Fassung abzulehnen und im Gesetzgebungsverfahren auf folgende Änderungen zu drängen:

1. Erhalt der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung und Forschungsförderung (Art. 91 b GG):

Die Gemeinschaftaufgabe Bildungsplanung und Forschungsförderung von Bund und Ländern muss als verpflichtender Verfassungsauftrag erhalten werden. Die geplante Änderung des Art. 91 b GG, wonach Bund und Ländern nur noch " auf Grund von Vereinbarungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen" zusammenwirken dürfen, hätte auch für Berlin gravierende Auswirkungen. Die auf dieser Grundlage aufgelegten Programme, wie z.B. zur Einführung von Juniorprofessuren an Hochschulen, zur Förderung von Frauen in Forschung und Lehre, das Sinus-Programm zur Verbesserung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts sind dann nicht mehr möglich. Dem Bund wäre die verfassungsrechtliche Grundlage entzogen, sich in diesen Bereichen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens finanziell mit den Ländern zu engagieren. Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) muss erhalten bleiben.

2. Der Bund muss die Länder im Bildungswesen finanziell unterstützen dürfen (Art 104 b GG)

Der Bund muss die Länder auch weiterhin finanziell in bedeutsamen Investitionen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich unterstützen können. Die geplante Neuregelung des Art 104 b GG schließt die finanzielle Beteiligung des Bundes selbst dann aus, wenn die Ländern das einstimmig beschließen würden. Dieses Kooperationsverbot hätte zur Folge, dass Programme, wie das 4 Mrd. €-Programm zum Ausbau der Ganztagsschulen verfassungsrechtlich verboten wären. Gleiches gilt für den in der politischen Diskussion befindlichen "Hochschulpakt" zum Ausbau der Studienplatzkapazitäten in den Hochschulen. Der zu erwartende Anstieg der Zahl der Studienanfänger/innen aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge und der doppelten Abiturjahrgänge ist ohne zusätzliches finanzielles Engagement des Bundes von den Ländern nicht zu bewältigen. Aufgrund der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf 12 Jahre (die bisher in 11 Bundesländern beschlossen ist) rechnet die Kultusministerkonferenz für die Jahre 2007 bis 2018 mit ca. 150.000 zusätzlichen StudienanfängerInnen. Im Spitzenjahr 2011 wären das ca. 56.000 StudienanfängerInnen mehr als im Jahr 2004. In Berlin wird im Jahr 2012 der doppelte Abiturjahrgang die Schulen verlassen. Diese Entwicklung muss als Chance genutzt werden, die Zahl der Studierenden zu erhöhen. Berlin hat in den letzten Jahren aus finanziellen Gründen über 30.000 Studienplätze abgebaut. Fast alle Studiengänge sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Gerade Berlin als erklärtes Haushaltsnotlagenland ist allein nicht in der Lage, die Kapazitäten wieder zu erhöhen. Anderenfalls wird der Zugang zur Hochschulbildung noch weiter erschwert und der Einführung von Studiengebühren weiter Vorschub geleistet.

3. Die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau muss erhalten bleiben (Art 91 a GG)

Der Wegfall der gemeinsamen Finanzierung (50 % Bund, 50 % Länder) von Aus- und Neubauten von Hochschulen würde sich für Berlin besonders dramatisch auswirken. Ab 2013 müsste Berlin allein für sämtliche Hochschulbauvorhaben aufkommen. Dazu kommt, dass auch für die Übergangszeit bis 2013 Berlin durch die geplante Kompensationsregelung (Art.13 des Föderalismus-Begleitgesetzes) zusätzlich finanziell benachteiligt wird. Denn bisher ist vorgesehen, dass diese Übergangsfinanzierung sich danach bemisst, welche Finanzanteile die einzelnen Länder in den letzten Jahren im Hochschulbau abgerufen haben. Davon profitieren die ohnehin schon finanziell am besten ausgestatteten Länder, wie Bayern und Baden-Württemberg. Diese Übergangsfinanzierung muss sich stattdessen am Anteil der Studienplätze orientieren, die von den Ländern bereit gestellt werden. Bei Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau fehlen den Ländern nicht nur ca. 2,2 Mrd. Euro pro Jahr, sondern die Auseinandersetzung um die Finanzierung des Hochschulbaus wird auf die landespolitische Ebene verlagert. Es ist schon jetzt auch in Berlin absehbar, dass Hochschule und Forschung dabei das Nachsehen haben werden. Damit wächst der politische Druck, Hochschuleinrichtungen zu privatisieren. Das lässt sich nur verhindern, wenn der Bund sich auch weiterhin finanziell am Hochschulbau beteiligen kann.

4. Eine bundesweite Hochschulrahmengesetzgebung ist weiter erforderlich (Art. 72 GG)

Der Wegfall des Hochschulrahmengesetzes (HRG) würde einer weiteren Entdemokratisierung der Hochschulen Vorschub leisten, da es dann keine bundeseinheitlichen Rahmenanforderungen an die Rechtsstellung und Organisation der Hochschulen, zur Personalstruktur, zur Mitbestimmung, zur Sicherung der Qualität von Lehre und Forschung mehr geben kann. Nur bei der Hochschulzulassung und bei der Anerkennung der Abschlüsse soll der Bund noch Regelungen treffen können. Diese Gesetzgebungskompetenz soll allerdings dadurch ausgehebelt werden, dass die Ländern davon abweichen dürfen. Damit drohen neue Ungleichheiten und neue Hürden beim Zugang zu Bildung. Darüber hinaus wäre die Anerkennung und Vergleichbarkeit der Hochschulabschlüsse nicht mehr gewährleistet bzw. müsste erst mühsam durch Vereinbarungen der Länder wiederhergestellt werden. Gerade in diesem Punkt besteht zusätzlich die Gefahr, dass wesentliche Regelungen zwischen den Ländern durch Staatsverträge ohne parlamentarische Beteiligung zustande kommen. Das ist nicht akzeptabel. Die für Wissenschaft und Forschung notwendige Mobilität von Studierenden und WissenschaftlerInnen würde durch unterschiedliche Länderregelungen massiv behindert.

Die GEW BERLIN fordert bundesrechtliche Rahmenvorgaben mindestens zur Rechtsstellung und den Aufgaben der Hochschulen, zum Hochschulzugang, zur Anerkennung der Abschlüsse, zur demokratischen Mitbestimmung der Hochschulangehörigen, zur Sicherung der Qualität von Lehre und Forschung, zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses und zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, einschließlich der Beteiligungsrechte der Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten.

5. Im öffentlichen Dienstrecht müssen Besoldung, Versorgung und Laufbahnen der BeamtInnen bundeseinheitlich geregelt werden

Mit der geplanten Verlagerung der Kompetenzen zur Regelung der Besoldung, Versorgung und der Laufbahnen der BeamtInnen auf die Länder würde die Kürzungspolitik der Länder gegenüber den Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine neue Dimension erreichen. Die einsetzende Spirale an Verschlechterungen war bereits bei der Öffnung der Regelungen zum Weihnachts- und Urlaubsgeld und bei der Arbeitszeit deutlich zu beobachten. Angemessene und einheitliche Arbeits-, Anstellungs- und Bezahlungsbedingungen wären kaum mehr durchsetzbar. Damit würde auch der Druck auf einheitliche tarifliche Regelungen weiter steigen. Die Folge wäre ein Wettbewerb der Länder um das beste Personal, bei dem gerade Berlin als finanzschwaches Land noch stärker ins Hintertreffen geraten würde. Bereits jetzt sind z.B. die Anstellungsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer in Berlin im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern deutlich schlechter, weshalb immer mehr gut ausgebildete Lehrkräfte vor allem in den bundesweiten Mangelfächern abwandern. Das von den Ländern und gerade auch von Berlin als Vorreiter der Erosion einheitlicher Tarif- und Besoldungsregelungen erhoffte Kürzungspotential würde sich ins Gegenteil verkehren. Die Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst in Berlin würden noch unattraktiver. Der Abwanderungstrend würde weiter verstärkt. Personalmangel in immer mehr Bereichen wäre die Folge.

Die GEW BERLIN fordert deshalb den Erhalt der bundeseinheitliche Regelungen für Besoldung, Versorgung und Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten.

6. Eine Zerfaserung der bundeseinheitlichen Personalvertretungsrichtlinien muss verhindert werden

Im Bundespersonalvertretungsgesetz (BpersVG) gibt es im zweiten Teil (§§ 94 ff.) Rahmenvorschriften für die Landesgesetzgebung. Das sind die §§ 95 bis 106, die durch die Länder ausgefüllt werden müssen. Hinzu kommen die §§ 107 bis 109, die als unmittelbar für die Länder geltende Vorschriften bezeichnet werden. Durch den möglichen Ersatz dieser Vorschriften durch Ländergesetzgebung droht eine Zerfaserung auf Länderebene; die Abschaffung der Rahmenvorgaben eröffnet den Weg für eine stärkere Auseinanderentwicklung der Landespersonalvertretungsgesetze, zumal von der Bundesebene her zukünftig kein Einfluss auf die Länderregelungen genommen werden kann.