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Lehrkräftebedarf durch qualifiziertes Personal abdecken - Qualität der Ausbildung von Lehrkräften gewährleisten

Letzte Aktualisierung: 10.06.2014

Die GEW BERLIN stellt fest, dass das Land Berlin den sich seit Jahren abzeichnenden Lehrkräftemangel an den Berliner Schulen größtenteils ignoriert und nicht rechtzeitig adäquate Maßnahmen getroffen hat, um die benötigten Lehrerinnen und Lehrer auszubilden und für den Schuldienst in Berlin zu gewinnen.

Angesichts des hohen Durchschnittsalters der Berliner Lehrkräfte wird der Einstellungsbedarf mindestens bis zum Jahr 2020 pro Jahr bei ca. 1.500 bis 2.000 Vollzeitstellen liegen. Dieser Bedarf ist vor allem in bestimmten Fächern nicht mehr durch grundständig voll ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer zu decken.

Die GEW BERLIN sieht den Einsatz von Hochschulabsolvent_innen ohne universitäre Lehramtsausbildung („Quereinsteiger_innen“) als Notmaßnahme an, um der aktuell akuten Mangelsituation zu begegnen und den Unterricht in den Berliner Schulen sicherzustellen. Die pädagogische und fachliche Qualität des Unterrichts muss durch grundständig universitär ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sichergestellt werden. Die GEW BERLIN verkennt nicht, dass „Quereinsteiger_innen“ ein Gewinn für die Berliner Schule sein können. Es müssen aber unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden, um bei der Einstellung von „Quereinsteiger_innen“ zu gewährleisten, dass diese auf einem hohen pädagogischen und fachlichen Niveau auf ihren Beruf als Lehrer_in vorbereitet werden.

Die GEW BERLIN fordert den Berliner Senat auf, unverzüglich ein Konzept zur Sicherung der Qualität der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern und zur langfristigen Abdeckung des Lehrkräftebedarfs auf den Weg zu bringen.

Dazu fordert die GEW BERLIN:

1.    Kapazitäten für Lehramtsstudierende erhöhen und gezielt für ein Lehramtsstudium werben

Die finanzielle Ausstattung der Berliner Universitäten muss so erhöht werden, dass pro Jahr mindestens 1.500 Lehramtsabsolvent_innen ihr Studium beenden und für den Vorbereitungsdienst zur Verfügung stehen. Kurzfristig ist sicherzustellen, dass die aktuelle Verpflichtung in den Hochschulverträgen, pro Jahr mindestens 1.000 Absolvent_innen mit dem Master of Education erfolgreich zum Abschluss zu führen, auch nur annähernd erreicht wird. Dabei muss vor allem die Ausbildung von Lehrkräften für die Grundschule, Lehrkräften mit sonderpädagogischen Fachrichtungen, Lehrkräften für die berufsbildende Schule in den technisch-gewerblichen sowie in den MINT- Fächern deutlich ausgeweitet werden.

Der Berliner Senat und die Universitäten sind aufgefordert, offensiv für ein Lehramtsstudium zu werben. Dazu gehören u. a. frühzeitige und umfassende Informationen unter Schülerinnen und Schülern der Oberstufe unter Einbeziehung von Menschen aus der beruflichen Praxis (Lehrer_innen, Referendar_innen) über Studium und Lehrer_innen-Beruf sowie die gezielte Ansprache von beruflich Qualifizierten und nicht lehramtsbezogen ausgebildeten Hochschulabsolvent_innen, um sie für ein Lehramtsstudium zu gewinnen.

Diese Aufgabe müssen vor allem die Zentren für Lehrer_innenbildung der Universitäten wahrnehmen. Die GEW BERLIN fordert, diese Zentren wie im neuen Lehrkräftebildungsgesetz vorgesehen, umgehend institutionell als Zentralinstitute der Universitäten einzurichten, finanziell dauerhaft abzusichern und zu stärken. Die Zentren für Lehrer_innenbildung müssen in die Lage versetzt werden, die dringend notwendige und kontinuierliche Vernetzung aller an der Lehrer_innenbildung Beteiligten innerhalb und außerhalb der Universität herzustellen und damit den Stellenwert und die Attraktivität eines Lehramststudiums zu erhöhen.

2.    Kapazitäten für weiterbildende Masterstudiengänge schaffen

Um Hochschulabsolvent_innen nach einem fachbezogenen Bachelorabschluss oder mit anderen Hochschulabschlüssen zu ermöglichen, ein Lehramtsmasterstudium zu absolvieren, müssen die Berliner Universitäten entsprechende Kapazitäten und die adäquate finanzielle Ausstattung erhalten. Das gilt auch für berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengänge zum Erwerb der Unterrichtsbefähigung in einem weiteren Fach oder einem anderen Lehramt.

3.    Neue Weiterbildungsverordnung unverzüglich auf den Weg bringen

Um vorhandenen Lehrkräften wieder anerkannte berufsbegleitende Weiterbildungen in einem zusätzlichen Fach oder zum Erwerb eines weiteren Lehramtsabschlusses zu ermöglichen, muss die in § 18 des neuen Lehrkräftebildungsgesetzes angekündigte neue Weiterbildungsverordnung unverzüglich auf den Weg gebracht werden.

4.    Lehramtsstudierende besser informieren, beraten und für den Vorbereitungsdienst in Berlin gewinnen

Die Senatsbildungsverwaltung muss zusammen mit den Universitäten und den dortigen Zentren für Lehrer_innenbildung eine Informationskampagne starten, um Lehramtsstudierende in den Berliner Universitäten sowie in anderen Bundesländern für den Vorbereitungsdienst in Berlin zu gewinnen. Auch hier muss ein besonderer Schwerpunkt auf der Gewinnung angehender Lehrkräfte für die Grundschule, von Lehrkräften mit sonderpädagogischen Fachrichtungen sowie von Lehrkräften für die berufsbildende Schule in den technisch-gewerblichen sowie in den MINT- Fächern gelegt werden. Dabei ist es dringend notwendig, dass die sich aus dem neuen Lehrkräftebildungsgesetz ergebenden Veränderungen (u.a. in der Struktur der Lehrämter) und deren Auswirkungen auf Einsatz und Bezahlung sowie in Bezug auf die Anerkennung der Abschlüsse transparent gemacht werden.

Gleichzeitig muss Berlin die Bedingungen für Lehramtsanwärter_innen deutlich verbessern. Da Berlin neu eingestellte Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis beschäftigt, macht die Verbeamtung auf Widerruf im Vorbereitungsdienst keinen Sinn mehr. Die GEW BERLIN spricht sich dafür aus, den Vorbereitungsdienst im Arbeitnehmer_innenverhältnis abzuleisten bei entsprechender deutlicher Anhebung der Entgelte. Damit würden auch die derzeitigen Probleme beim Wechsel aus einer privaten Krankenversicherung in eine gesetzliche beim Berufseinstieg nach dem Referendariat wegfallen.

Die gleiche Ausbildungsdauer für alle angehenden Lehrer_innen muss zu einer gleich hohen Eingruppierung und Bezahlung führen. Kurzfristig sind die Lehramtsanwärter_innen des neuen Lehramtes ISS / Gymnasium einheitlich dem zweiten Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 der Laufbahnfachrichtung Bildung zuzuordnen (wie bisher die Studienrät_innen). Die Bildungslaufbahnverordnung muss an die neue Lehramtsstruktur angepasst werden.

Im Vorbereitungsdienst muss die Ausbildung im Vordergrund stehen. Die GEW BERLIN lehnt daher die geplante Erhöhung des Umfangs des selbstständig zu erteilenden Unterrichts von zurzeit maximal acht auf zehn Stunden ab.

Um eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu ermöglichen, ist für Lehramtsanwärter_innen die Anrechnung der Unterrichtsverpflichtung auf den anerkannten Unterrichtsbedarf der jeweiligen Schulen laut den Zumessungsrichtlinien ersatzlos zu streichen.

In den Schulen sind Mentorinnen und Mentoren zur Betreuung der Lehramtsanwärter_innen einzusetzen, die dafür eine Ermäßigung ihrer Unterrichtsverpflichtung um zwei Stunden und eine entsprechende Qualifizierung erhalten müssen.

Es muss einen regelmäßigen, konstruktiven Austausch mit Studierenden und dem Personalrat der Lehramtsanwärter_innen geben, um deren Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten der Lehrkräftebildung aufzugreifen und umzusetzen.

Der reformierte Vorbereitungsdienst muss spätestens nach zwei Jahren (2016) evaluiert werden, vor allem im Hinblick auf die Auswirkungen der neuen Lehramtsstruktur auf die Qualität der Ausbildung.

5.    Lehramtsabsolvent_innen im regulären Vorbereitungsdienst ausbilden

Lehramtsabsolvent_innen, die die Zugangsvoraussetzungen zum regulären Vorbereitungsdienst haben, sollen diesen auch regulär absolvieren. Der Vorbereitungsdienst ist Teil der Ausbildung und darf nicht vorrangig zur Abdeckung der Unterrichtsversorgung missbraucht werden. Die GEW BERLIN lehnt es ab, diesem Personenkreis das berufsbegleitende Referendariat mit sofortiger erhöhter selbstständiger Unterrichtsverpflichtung flächendeckend anzubieten. Falls Lehramtsab-solvent_innen von sich aus diesen Weg wählen, muss ihnen garantiert werden, dass sie auf Antrag bis zum Ende des ersten Ausbildungshalbjahres in das reguläre Referendariat wechseln können.

6.    Lehrkräfte für die Grundschulen vorerst weiter in zwei Fächern ausbilden

Die Umstellung der Ausbildung im neuen Grundschullehramt auf drei Fächer und Fachseminare im Vorbereitungsdienst darf erst für diejenigen Lehramtsabsolvent_innen erfolgen, die auch in den neuen Studiengängen im Grundschullehramt mit drei Fächern studiert haben. Die bereits für August 2014 geplante Umstellung auf drei Fächer im Vorbereitungsdienst muss ausgesetzt werden, da selbst grundständig ausgebildete Lehrer_innen in der bisherigen L 1 – Laufbahn nicht in jedem Fall drei Fächer oder Lernbereiche studiert haben. Darüber hinaus wäre es im Bedarfsfall nicht möglich, „Quereinsteiger_innen“ für die Grundschulen zu gewinnen, da diese in der Regel maximal zwei Fächer studiert haben.

Angesichts des enormen Lehrkräftebedarfs im Bereich der Grundschulen dürfen in der Ausbildung jetzt keine zusätzlichen Hürden errichtet werden.

7.    Bedingungen für „Quereinsteiger_innen“ deutlich verbessern

Es zeichnet sich ab, dass Berlin gerade in diesem Jahr deutlich mehr Einstellungen von Hochschulabsolvent_innen vornehmen muss, die kein Lehramtsstudium absolviert haben. Um ein Mindestmaß an Qualität der Ausbildung und des Unterrichts sicherzustellen, fordert die GEW BERLIN kurzfristig folgende Maßnahmen:

  1. Bei der Einstellung von Hochschulabsolvent_innen ohne Lehramtsabschluss auf Grundlage des § 12 Lehrkräftebildungsgesetz, die bisher noch nicht als befristet beschäftigte Lehrkräfte beim Land Berlin tätig waren oder sind, müssen die Bewerber_innen vorrangig berücksichtigt werden, die bereits ein Studium in zwei für die Berliner Schule relevanten Fächern abgeschlossen haben.
  2. Hochschulabsolvent_innen ohne Lehramtsabschluss, die für eine Einstellung in den Berliner Schuldienst ausgewählt wurden, sollen verpflichtend einen mindestens drei-wöchigen Einführungskurs vor ihrem Einsatz in der Schule absolvieren. Dabei sollen u.a. Themen wie Schulrecht, Rahmenlehrpläne, Aufgaben und Stellung der Lehrkräfte, Grundlagen des Lehrer_innenberufs, Bewertung, Beurteilung und Notengebung behandelt werden.
  3. Während des 18-monatigen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes muss die Unterrichtsverpflichtung auf die Hälfte der für die jeweilige Schulart geltenden Unterrichtsverpflichtung gesenkt werden (Ermäßigung für den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst bei Vollzeitbezahlung).
  4. Im ersten Ausbildungshalbjahr müssen mindestens drei der zu leistenden Unterrichts-stunden für angeleiteten Unterricht zur Verfügung stehen. Der Einsatz im Unterricht darf während des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes nur in den beiden anerkannten Fächern erfolgen, in denen die Lehrkräfte ausgebildet werden. Die Unterrichtsstunden sollen zu etwa gleichen Teilen auf diese Fächer entfallen.
  5. Lehrkräften im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst ist es zu ermöglichen, neben einer Teilzeit in ihrem Angestelltenverhältnis auch den Vorbereitungsdienst nach dem neuen Teilzeitmodell zu absolvieren (Ausdehnung der Ausbildung von 18 auf 24 Monate mit individuellem Ausbildungsplan).
  6. Für die Betreuung, Beratung und Anleitung der „Quereinsteiger_innen“ im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst sind in den Schulen Lehrkräfte als Mentorinnen und Mentoren einzusetzen. Sie müssen für diese Aufgabe eine Ermäßigung ihrer Unterrichtsverpflichtung erhalten und entsprechend qualifiziert werden. Inhalte der Qualifizierung sollten neben der Struktur des Vorbereitungsdienstes, Methoden der kollegialen Fallberatung und aktuelle Unterrichtsmethoden sein.
  7. Bei Einstellung von Hochschulabsolvent_innen ohne Lehramtsabschluss mit nur einem studierten Fach muss zunächst ein zweites Fach berufsbegleitend studiert werden. Berufsbegleitende Studien dürfen ausschließlich von den Universitäten durchgeführt werden und müssen neben den fachwissenschaftlichen auch pädagogisch-didaktische sowie erziehungswissenschaftliche Anteile enthalten.
  8. Während eines berufsbegleitenden Studiums darf der Einsatz im Unterricht nur in einem Fach (dem studierten Fach) erfolgen. Die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung muss in dieser Zeit höher sein als während des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes. Die Unterrichtsverpflichtung muss mindestens drei Stunden angeleiteten Unterricht einschließen.
  9. Da für die Lehrkräfte im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst nicht der Personalrat der Lehramtsanwärter_innen, sondern die Personalräte der Lehrer_innen und Erzieher_innen und der Personalrat der zentralverwalteten und berufsbildenden Schulen zuständig sind, muss es für diese Personalräte entsprechende Schulungsangebote zu Struktur und Ablauf des Vorbereitungsdienstes geben. Nur so können sie ihre gesetzlichen Beratungs- und Unterstützungsaufgaben gegenüber den Lehrkräften im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst erfüllen.

Die GEW BERLIN fordert den Berliner Senat und das Abgeordnetenhaus auf, die zur Umsetzung des Konzepts zur Sicherung der Qualität der Ausbildung von Lehrkräften und der darin veran-kerten Maßnahmen erforderliche Finanzierung umgehend zu ermitteln und durch einen Nachtragshaushalt 2014/15 abzusichern.