Zum Inhalt springen

Gewerkschaft

An den großen Schrauben drehen

Der Fachtag der GEW BERLIN »Zeit zu leben – Zeit zu arbeiten« beschäftigte sich mit Perspektiven für mehr individuelle Zeitsouveränität.

Foto: GEW

Am Mittwoch, den 11. Mai 2022 veranstaltete die GEW BERLIN einen Fachtag unter dem Motto »Zeit zu leben – Zeit zu arbeiten«. Nach über zwei Jahren coronabedingter Einschränkungen war dieser Fachtag der erste, der wieder im GEW-Haus in der Ahornstraße stattgefunden hat. Entsprechend groß war die Freude darüber, sich vor Ort begegnen zu können und im direkten Austausch miteinander über Fragen von Arbeitszeit, Sorgearbeit und Zeitsouveränität zu diskutieren.

Mit dem Gewerkschaftstagbeschluss »Zeit zu leben, Zeit zu arbeiten« von 2017 stellt die GEW das Thema Sorgearbeit ins Zentrum einer feministischen Zeitpolitik. Die GEW fordert eine Arbeitszeitpolitik, in der die Zeitbedürfnisse und Lebensentwürfe von Beschäftigten wieder eine zentrale Rolle spielen. Dabei geht es um alle Facetten von Zeit: Zeit für den Beruf, für Aus-, Fort- und Weiterbildung, Zeit für Freundschaften und Familie, Zeit für gewerkschaftliches und politisches Engagement, Zeit für sich selbst. Wir setzen uns für eine lebensverlaufs­orientierte, gewerkschaftliche Zeitpolitik mit dem Ziel einer kurzen Vollzeit für alle ein. Dazu gehört auch, dass wir die Diskussion über Lebens- und Arbeitszeitmodelle in unsere Gewerkschaft hineintragen. Mit diesem Fachtag hat die GEW BERLIN die begonnene Diskussion aufgegriffen und weiterentwickelt.

Drei Impulsvorträge stimmten die Teilnehmer*innen auf das Thema des Fachtages ein. Eröffnet wurde der Tag durch Carola von Braun, die einen lebendigen Rückblick auf die Geschichte des Berliner Gleichstellungsgesetzes gab. Carola von Braun hat die Bildungs- und Frauenpolitik auf Bundesebene und in Berlin entscheidend mitgeprägt. Von 1984-90 war sie die erste Frauenbeauftragte des Berliner Senats. Sie ermutigt Frauen in die Politik zu gehen, sich einzumischen und ihr Ratschlag für Frauen ist: »Je höher du kommst, umso mehr musst du kämpfen. Dann treten diese ganzen Mechanismen, mit denen Frauen gerne mal weggeekelt werden, in Kraft. Darauf musst du dich vorbereiten.«

Gleichstellung umsetzen

Mit dem zweiten Vortrag ging die stellvertretende Gesamtfrauenvertreterin Friederike Peiser auf das Thema der Vereinbarkeit ein und analysierte die Potenziale und Begrenzungen des Berliner Landesgleichstellungsgesetzes (LGG). Zwar könne das LGG als Werkzeugkasten mit »eher kleinen Schraubenziehern an den ganz großen Schrauben nicht drehen«, trotzdem stellte Friederike Peiser heraus, wie das LGG wirksam eingesetzt werden kann, um eine bessere Vereinbarkeit für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes tatsächlich durchsetzen zu können, so zum Beispiel beim Thema familienfreundliche Arbeitszeiten oder Führungstätigkeit und Teilzeitbeschäftigung.

Im dritten Vortrag ging Bärbel Lange als aktive Gewerkschafterin und langjährige Frauenvertreterin auf die gewerkschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema »Zeit zu leben, Zeit zu arbeiten« ein. Sie brachte den Teilnehmer*innen zu Bewusstsein, dass es bei diesem Thema nicht um individuelle Anliegen und Probleme geht, sondern um gesellschaftliche Fragen von Produktion und Reproduktion, um – so Lange – den von Marx beschriebenen Grund­widerspruch von Kapital und Arbeit. In ihrem Vortrag unterstrich sie die Bedeutung feministischer Kämpfe für eine grundlegend andere Zeitpolitik.

Jobsharing ermöglichen

Die anschließenden Workshops boten Gelegenheit für vertiefte Diskussionen. Die Kolleg*innen formulierten jeweils eine Kernforderung für einen Landesdelegiertenversammlung (LDV)-Antrag. Die Organisatorinnen des Fachtags werden diese Anträge auf der nächsten LDV im Oktober 2022 einbringen. So lautet die Forderung eines Workshops, die Schulleitungsausbildung zu reformieren, einen Modellversuch »Schulleitungsstellen im Jobsharing« bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zu starten und dass Funktionsstellen auch an Grundschulen sowie Förderzentren implementiert werden. Die spannende Abschlussrunde, moderiert von Ines Schwerdtner, fand in Form einer Fishbowl statt, bei der Teilnehmer*innen und Podiumsgäste gemeinsam ins Gespräch kamen.    

Die Textversionen der Impulsvorträge stehen hier zur Verfügung: www.gew-berlin.de/aktuelles/detailseite/inputs-und-ergebnisse-des-fachtags-zeit-zu-leben-zeit-zu-arbeiten

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46