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Schule

An der Schnittstelle

Daniela Wegner ist als Pädagogische Unterrichtshilfe an der Panke-Schule tätig und engagiert sich in der GEW für ihre Berufsgruppe. 
Im Interview berichtet sie von ihrem Arbeitsalltag.

Foto: GEW

Olsson: Ich bin seit 2018 im Berliner Schuldienst. Kaufst du mir ab, dass ich bis zu unserer Begegnung kein Wort über Pädagogische Unterrichtshilfen gehört habe?

Wegener: Das macht mich nachdenklich. Aber ja, ich nehme es dir ab, weil wir fast nicht an anderen Schulformen präsent sind.

Dann wollen wir dem doch mal Abhilfe verschaffen. Pädagogische Unterrichtshilfe, kurz: »PU« – magst du einen knappen Steckbrief deiner Berufsgruppe aufsetzen?

Wegener: Ich möchte dieses furchtbare Wort gleich vorneweg anprangern. Wir haben ein Problem mit dem Wort »Hilfe«. Wir helfen keinem, wir sind Fachkräfte, wir sind Lehrkräfte und wir arbeiten überall dort, wo sonderpädagogischer Förderbedarf ist: vorwiegend natürlich an Förderzentren, aber seit Kurzem auch im Rahmen der Inklusion an allgemeinen Ganztagsschulen. Wir arbeiten im Team mit den sonderpädagogischen Lehrkräften und wir ergänzen uns gegenseitig über den Tagesverlauf hinweg im Unterricht. Wir führen ebenfalls selbstständig Unterricht durch, allerdings für wesentlich weniger Geld und in höherem Zeit-umfang. Zurzeit sind an den Berliner Schulen sechs- bis siebenhundert PUs tätig.

Wie sieht konkret deine Arbeit in deiner Schule aus?

Wegener: Zu uns kommen Schüler*innen mit Förderbedarf, deren Lernmöglichkeiten und Entwicklungsfähigkeiten erheblich unter denen Gleichaltriger liegen. An unserem Förderzentrum sind zudem mehrfach beeinträchtigte Schüler*innen, die Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme, Körperpflege und/oder Fortbewegung benötigen. Wir haben keine Klassen, sondern Stufen mit bis zu neun Lernenden. Diese halten 45 Minuten Frontalunterricht nicht durch. Wir schauen, welche individuellen Bedürfnisse sie haben und gehen auf diese in einem vierköpfigen Team aus einer Lehrkraft, einer PU, einem*r Erzieher*in und einem*r Betreuer*in ein. Wir arbeiten auf Augenhöhe.

Ich merke schon: mit der konventionellen Lehrausbildung käme man bei euch nicht weit.

Wegener: Ja. Unsere Schüler*innen lernen zwar auch nach dem Rahmenlehrplan, aber eine Beschulung wie an allgemeinen Ganztagsschulen ist bei uns nicht möglich. Wir legen Wert auf Teilhabe und Entwicklung der Selbstständigkeit.

Warum seid ihr für die Bildung in unserer Stadt unentbehrlich?

Wegener: Weil wir uns der Schüler*innen annehmen, die aus unterschiedlichsten Gründen Förderbedarf haben. Wir sind an der Basis und stehen an der Schnittstelle zwischen dem Lernstoff und der Fähigkeit, im Leben zu stehen.

Sicherlich hat Corona auch auf eure Arbeit erhebliche Auswirkungen gehabt. Wo liegen aktuell die alltäglichen Herausforderungen?

Wegener: Das ist für alle eine ganz schwierige Zeit, weil unsere Schüler*innen nicht zuhause beschult werden können. Wir brauchen den unmittelbaren Kontakt: die Kinder müssen uns sehen, hören, wahrnehmen. Wir können nicht mit ihnen über einen Bildschirm sprechen. Unsere Schüler*innen brauchen einen Rahmen, Kontinuität, eine Struktur, und das alles hat sich im Moment aufgelöst. Das Gelernte ist abhandengekommen: nicht nur der Stoff, sondern auch das Verhalten, die Bindung und die Beziehung zu anderen. Wir fangen bei manchen wirklich wieder bei Null an. Deswegen hat unser Förderzentrum beispielsweise  beschlossen, dass alle kommen dürfen, weil unsere Schüler*innen zu den sozial Benachteiligten gehören.

Wenn ich so an die ganzen Schreiben des Senats denke, kann ich mich auch kaum an Erwähnungen von Schüler*innen mit Förderbedarf erinnern.

Wegener: Ja, die Verwaltung hat uns als Förderzentren da nie explizit auf dem Schirm: wir müssen aufgrund unserer Sonderstellung meist selber entscheiden, was wir wie machen. Wir sind auch sehr gefährdet. Wir haben zum Beispiel mehr Kontakt zu Körperflüssigkeiten. Wenn man eine*n Schüler*in sondiert, ist der Schlauch eben nicht 1,5 Meter lang. Im Pflegeheim ist das klar: die bekommen Masken, Desinfektionsmittel, Ausrüstung, und so weiter. Wir müssen das immer für uns regeln und das behindert uns in unserer Arbeit massiv. An manchen Förderzentren ist es so, dass die Erzieher*innen diese pflegerischen Aufgaben übernehmen. Bei uns geht das aber reihum. Wir sind alle beteiligt und gefährdet.

Was braucht ihr ganz konkret von der Bildungsverwaltung, um diese Herausforderungen zu bewältigen?

Wegener: Langfristige Entscheidungen. Am meisten zermürbt das Hin und Her, dieses ad hoc Bis-Dahin, Bis-Zu-Den-Ferien, Bis-Dahin… immer wieder dieses Überraschungspaket.

Wie sieht denn in der Berliner GEW die gewerkschaftliche Arbeit der PUs aus? Welche Strukturen gibt es, wohin kann man sich als PU wenden?

Wegener: Seit einem Jahr gibt es jetzt wieder eine AG, die sich regelmäßig trifft. Die AG wird gerade super angenommen, beim Online-Treffen im Februar waren 48 Personen dabei. Wir werden von Anne Albers aus dem Vorstandsbereich Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik unterstützt, es sind auch jedes Mal Referent*innen der GEW Berlin dabei, die Fragen der Kolleg*innen beantworten können. Die Vernetzung ist wichtig für Kolleg*innen, besonders an allgemeinen Ganztagsschulen, da sie dort oft alleine sind und eine Nischengruppe bilden. Teilweise haben sie Schwierigkeiten, ihren Aufgabenbereich in der Schule genau einzugrenzen und sich so vor Übergriffigkeiten zu schützen.

Wofür setzt ihr euch in der PU-AG ein?

Wegener: Es geht uns um Sichtbarkeit und Wertschätzung. Neben der Veränderung der Berufsbezeichnung (»Fachkraft für Sonderpädagogik« fand da unter uns ganz guten Widerhall) ist der Tarif ein sehr wichtiges Thema: Die finanzielle Wertschätzung für unsere Arbeit ist nicht angemessen. Die GEW Berlin hatte schon für die letzte Tarifrunde und jetzt erneut die Forderung beschlossen, dass keine Lehrkraft unter der Entgeltgruppe 10 eingruppiert werden soll. In der letzten Tarifrunde wurde das vom Arbeitgeber blockiert. Aber wir lassen nicht nach. Wir wollen mindestens die EG 10! Im Herbst beginnt die Tarifrunde, der Verhandlungsauftakt ist am 8. Oktober. Wir PUs haben allen Grund, uns in dieser Tarifrunde deutlich zu Wort zu melden. Denn während der Erzieher*innen-Beruf aufgewertet worden ist – und das zurecht–, haben die von der Ausbildung und der Eingruppierung her unterschiedlich stehenden PUs nicht entsprechend aufgeholt. Einige sind in der E9b oder E9a, andere aber eben nur in der E8. Die Lehrkräfte, mit denen wir zusammenarbeiten, sind wiederum in der E13 (also bis zu 5 Gruppen höher!) eingruppiert, und wir erteilen auch selbständig Unterricht. Außerdem sind wir 40 Stunden im Einsatz, davon ganze 32,5 in Präsenz und haben nur 7,5 Stunden für die Vor- und Nachbereitung. Da muss etwas passieren: Die Kolleg*innen sind sehr belastet und unzufrieden. Der Beruf ist so nicht attraktiv.

Welche Unterstützung wünscht du dir von anderen Berufsgruppen?

Wegener: Ich wünsche mir fachlichen Austausch auf wertschätzender Augenhöhe: dass man in die Arbeit eingebunden wird, z.B. bei der fachlichen Vorbereitung des Unterrichts und bei der Erarbeitung der Förderpläne. Und natürlich auch Unterstützung bei der Verteidigung der finanziellen Anliegen.

Zum Schluss noch so ‘ne olle Lehrernummer. Vervollständige bitte folgende zwei Sätze: »PU ist nicht nur Beruf sondern auch Berufung, weil …«

… wir mit Leib und Seele die Schüler-*innen auf dem Weg in die größtmögliche Selbstständigkeit und Selbstbestimmung begleiten.

»2021 wird ein gutes Jahr gewesen sein, wenn …«

… wir alle zusammenhalten und unsere Forderung nach E10 im Herbst lautstark auf die Straße tragen!

Kontakt zu Daniela über die GEW-Bezirksleitung: 
pankow(at)gew-berlin(dot)de

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46