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Standpunkt

Auf dem Rücken der Lehramtsanwärter*innen

Über eine Lösung, die diejenigen noch mehr belastet, die sowieso schon am Limit sind.

Foto: privat

Bildungssenatorin Günther-Wünsch hat angeordnet, dass Lehramtsanwärter*innen in Zukunft die maximal mögliche Anzahl von zehn Stunden selbstständigem Unterricht erteilen müssen. Dieser Schritt zeigt ganz klar, dass sie nicht sieht, wie belastet wir Referendar*innen in Berlin bereits sind. Eine Umfrage im vergangenen Jahr hat ergeben, dass viele mit starken gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben, die aus der Arbeitsbelastung im Referendariat resultieren. Wir brauchen strukturelle Entlastung und keine weitere Belastung durch noch mehr selbstständigen Unterricht. Dass diese Mehrarbeit auch noch ohne finanziellen Ausgleich geleistet werden soll, ist empörend. Unsere Belastung wird nicht gesehen und unsere Arbeit nicht wertgeschätzt. Wir stören uns sehr daran, dass dieser Schritt auch noch als »Solidarität« bezeichnet wird. Unserer Definition von Solidarität entspricht diese Maßnahme definitiv nicht. Es wird sicherlich Referendar*innen geben, die sich zutrauen, mehr Stunden zu arbeiten. Diesen könnte angeboten werden, dass ihre Mehrarbeit fair entlohnt wird. Wir sind uns sicher, dass es daran Interesse geben wird. In anderen Bundesländern funktioniert das auch.

Was uns hier als »solidarische« Maßnahme präsentiert wurde, ist nichts als eine zeitweilige Behandlung eines Symptoms von sehr tiefliegenden strukturellen Problemen, nicht nur in der Ausbildung, sondern im Lehrkräfteberuf an sich. Genauso wie man die Anzahl an Lehrkräften nicht erhöhen kann, indem man ihnen Arbeit in Teilzeit verbietet, wird sich die Unterrichtsqualität an Berliner Schulen nicht verbessern, indem die Standards der Ausbildung sinken. Referendar*innen sind nicht bloß billige Arbeitskräfte, auch wenn wir uns mittlerweile vermehrt so fühlen. Wir fordern einen Lösungsansatz, der nicht diejenigen noch mehr belastet, die sowieso schon am Limit sind. Wir fordern, dass wieder Unterrichtsqualität und nicht -quantität im Vordergrund steht.

Nach Aufnahme der Arbeit des Personalrats der Lehramtsanwärter*innen wurde in einem ersten Gespräch mit Vertreter*innen der Senatsverwaltung von beiden Seiten eine offene und kooperative Arbeitsweise gefordert und versprochen. Mit der Veröffentlichung der Anordnung ohne Rücksprache mit dem Personalrat wurde dieses Versprechen gebrochen und wir sind zutiefst enttäuscht.

Ihr Referendariat ist vielen Lehrkräften in negativer Erinnerung geblieben. Umso wichtiger ist es, dass diese Bedingungen endlich ein Ende finden. Das Referendariat in Berlin ist unter den derzeitigen Umständen unattraktiv: Hohe Lebenshaltungskosten, geringe Besoldung und hohe Arbeitsbelastung tragen dazu bei, dass Viele das Referendariat abbrechen oder in anderen Bundesländern beginnen. Jetzt auch noch Hospitationen und angeleiteten Unterricht als einen essenziellen Teil der Ausbildung zu entfernen, geht auf Kosten der Unterrichts- und Schulqualität.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46