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Standpunkt

Auf Kosten der Schwächsten

Die Bildungssenatorin plant, sonderpädagogische Förderstunden umzuverteilen.

Foto: Fotostudio Charlottenburg

Wie viele Lehrkräfte bekommen die Berliner Schulen? Wie groß sind die Klassen? Wie viele Förderstunden können angeboten werden? Dies und viel mehr ist in den Zumessungsrichtlinien festgelegt. Zu Jahresbeginn wurden Teile der Richtlinien für die Schuljahre 2025 bis 2027 bekannt und es deuten sich gravierende Veränderungen an.

Schulen sollen künftig gezwungen werden, Lehrkräftestellen in Stellen für andere Berufe umzuwandeln. Der »Umrechnungskurs« soll immer 1:1 sein. Für eine Lehrkraft bekommt eine Schule also beispielsweise eine Verwaltungskraft, die allerdings viel weniger verdient. Dabei spart der Senat eine Menge Geld und der Lehrkräftemangel wird rechnerisch geringfügig kleiner. Unklar ist, ob und zu welchem Kurs eine Stelle zurückverwandelt werden kann, wenn eine Schule vielleicht doch wieder eine Deutsch- oder Mathelehrerin einstellen kann. Ganz nebenbei wird ein demokratisches Recht der Gesamtkonferenz einkassiert, denn sie soll künftig nicht mehr wie bisher über Stellenumwandlungen entscheiden.

Weitere Veränderungen gibt es bei den Anrechnungsstunden für schulorganisatorische Aufgaben und in anderen Bereichen, oft zum Nachteil der Schulen. 

Manche Schulen dürfen sich indes über Verbesserungen freuen. So sollen die fünften und sechsten Klassen an den grundständigen Gymnasien kleiner werden. Und auch Grundschulen in den wohlhabenden Berliner Kiezen sollen bessergestellt werden, und das auf Kosten der Grundschulen in den sozialen Brennpunkten. Die »Verlässliche Grundausstattung« für die Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird nämlich durch eine Pro-Kopf-Pauschale ersetzt, die für alle Grundschulen gleich ist und sich alleine aus der Gesamtzahl der Kinder berechnet. Die bisherige Grundausstattung hatte sich an der Zahl armer Familien und den Kindern mit Förderbedarf an jeder Schule orientiert. 

An der »Verlässlichen Grundausstattung« gab es Kritik, weil die Berechnung kompliziert und nicht immer gerecht war. Sie durch eine für alle Schulen gleiche Pauschale zu ersetzen, bedeutet aber, dass Förderressourcen von den Schulen mit hohen Bedarfen umverteilt werden zu jenen, die diesen Bedarf in sehr viel geringerem Maß haben. Eine Schule im Wedding soll die gleichen Mittel bekommen, wie eine im Grunewald. Dabei haben wissenschaftliche Studien erwiesen, dass sonderpädagogischer Förderbedarf eng mit Armut und sozialer Benachteiligung verknüpft ist. Zwar sollen Ungleichgewichte durch eine Nachsteuerung ausgeglichen werden. Das ist jedoch weder transparent noch verlässlich.

Der Fachbeirat Inklusion, der die »Verlässliche Grundausstattung« entwickelt hatte, wurde an den Änderungen nicht beteiligt, Verbände und die Gewerkschaft auch nicht. Die CDU-Senatorin lässt hier nicht nur ein fragwürdiges Demokratieverständnis durchblicken. Sie betreibt knallharte Klientelpolitik: Die eigene Wähler*innenklientel wird beschenkt, arme Familien sollen dafür bezahlen.