bbz 07-08 / 2016
Ausgegrenzt, abgewertet, ausgelacht
Die Notwendigkeit einer unabhängigen Beschwerdestelle für Diskriminierungserfahrungen im schulischen Bereich ist nicht von der Hand zu weisen.
Der Bericht »Diskriminierung im Bildungsbereich und Arbeitsleben«, den die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) im Sommer 2013 vorgelegt hat, belegt hohe Diskriminierungsrisiken an deutschen Schulen. Auch die Repräsentativumfrage der ADS kam im letzten Jahr zu dem Ergebnis, dass fast ein Viertel der Befragten im Bildungsbereich in den letzten zwei Jahren Diskriminierungserfahrungen gemacht hat. Die Betroffenenumfrage der ADS zeigt, dass Diskriminierung häufig aufgrund von Religionszugehörigkeit, Weltanschauung oder sozioökonomischer Lage erlebt wird.
So bewerten Lehrkräfte die Leistungen von Betroffenen verhältnismäßig schlechter oder die Betroffenen werden von LehrerInnen und MitschülerInnen abwertend dargestellt, ausgegrenzt, beleidigt und ausgelacht. Eine Lehrerin verbietet zwei Mädchen das Küssen auf dem Schulhof. »Hört auf mit dem Hundegebell«, sagte eine andere Lehrkraft zu Kurdisch sprechenden SchülerInnen. Diese Erfahrungen gehen nicht folgenlos an den Betroffenen vorbei. So bestätigt fast die Hälfte der Befragten, dass es belastend sei, immer wieder an die diskriminierende Situation denken zu müssen. Auch geben fast 40 Prozent der Befragten an, durch Diskriminierungserfahrungen misstrauischer geworden zu sein. Andere Untersuchungen bestätigen, dass Benachteiligungen in der Schule langfristig die Chancengleichheit beeinträchtigen. Das wirkt sich sowohl negativ auf das spätere Berufsleben, als auch auf die Gesundheit aus.
Trotz des Ausmaßes und der Auswirkungen von Diskriminierungserfahrungen in der Schule fehlt ausreichender Diskriminierungsschutz für SchülerInnen und deren Eltern. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) regelt nur den arbeits- und beamtenrechtlichen Diskriminierungsschutz und hilft so lediglich an der Schule beschäftigtem Personal. Es gilt nicht für SchülerInnen. Beschwerderechte sowie Angaben zur konkreten Ausgestaltung von Beschwerdeverfahren oder Beschwerdestellen fehlen in den meisten Schulgesetzen.
Das Vertrauen in das System Schule fehlt
Zwar gibt es an Schulen interne Beschwerdeverfahren oder Präventionsmaßnahmen, doch reichen diese nicht, um wirksam gegen Diskriminierung im schulischen Bereich vorzugehen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes fordert externe, unabhängige Beschwerdestellen, da Diskriminierungserfahrungen häufig beim Zugang zu und beim Übergang zwischen Schulen gemacht werden. In solchen Situationen, aber auch bei strukturellen Diskriminierungen, wie sie zum Beispiel SchülerInnen mit Behinderung betreffen, können schulinterne Beschwerdeverfahren wenig ausrichten.
SchülerInnen und Eltern fehlt oft das Vertrauen in das System Schule, die Beschwerden angemessen zu bearbeiten. Dies hängt mit der Erfahrung von SchülerInnen und Eltern zusammen, dass Diskriminierungen von Lehrpersonal und Schulleitungen nicht ernst genommen oder bagatellisiert werden. SchülerInnen fürchten auch unzureichenden Opferschutz. Sie haben oft Angst, nach einer Beschwerde erneuter oder gar stärkerer Diskriminierung ausgesetzt zu sein. Zudem verhindern die Sorge vor Nichteinhaltung der Anonymität und die mögliche Befangenheit von Schulpersonal, dass Beschwerden an der Schule direkt vorgebracht werden.
Um Diskriminierungssachverhalte im schulischen Bereich zu klären, ist Neutralität notwendig. Diese kann nur eine externe, unabhängige Beschwerdestelle sicherstellen. Es ist entsprechendes Fachwissen zu den unterschiedlichen Diskriminierungsmerkmalen, Diskriminierungsformen und zur Durchführung von professionellen Beschwerdeverfahren notwendig. Dieses ist in der Regel nicht an Schulen und nicht bei der Schulaufsicht verfügbar. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes begrüßt daher die Aktivitäten des Berliner Netzwerkes Diskriminierung in Schule und Kita (BeNeDiSK) und das Rechtsgutachten der GEW BERLIN zu diesem Thema, die sich für die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle zu Diskriminierung im schulischen Bereich in Berlin einsetzen.
Mehr Infos und Download des Rechtsgutachtens der GEW BERLIN unter hier.