Schulbau
Bessere Arbeitsplätze in der Schule schaffen
Die Pläne zum Schulbau geben Anlass zur Hoffnung - aber werden neben den Unterrichtsräumen auch die Räume für das Personal endlich besser ausgestattet?
Es ist Dienstag um 13.30 Uhr. Tutor*innen, Sonderpädagog*innen und Sozialarbeiter*innen der Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule in Neukölln treffen sich zur wöchentlichen Teamsitzung des 7. und 8. Jahrgangs. Jeden Dienstag werden hier intensiv Probleme des Jahrgangs besprochen und gemeinsame Lösungen gesucht. Eigentlich nichts Spektakuläres, aber die Diskussion ist beeindruckend intensiv und solidarisch. Für uns Außenstehende ist nicht erkennbar, welche Schüler*innen, die im Mittelpunkt des Gesprächs stehen, welcher Kerngruppe zuzuordnen sind. Alle Probleme werden als gemeinsame des Teams gesehen und besprochen.
Aber wie unterirdisch sind die Bedingungen, unter denen hier gearbeitet wird! Der Raum mit seinen 28 Quadratmetern ist im Regelfall mit bis zu 20 Kolleg*innen gefüllt. Das sind gerade mal 1,4 Quadratmeter für jede*n - inklusive Kaffeemaschine, Kühlschrank, Regal, Computer, Materialschrank, Pinnwand und Schreibtischplatz. Die Tische sind mit Stapeln von Arbeiten, Unterrichtsmaterialien und Büchern bedeckt. Wir fragen die Kolleg*innen, wie sie es schaffen, hier sinnvoll und konzentriert zu arbeiten und wie sie sich einen guten Arbeitsplatz vorstellen.
Ich finde es hier immer sehr, sehr eng. Wenn alle da sind, reichen die Stühle gar nicht. Das nervt!«, sagt Karin Müller. Sie hält sich nur selten in dem Raum auf, weil alles so beengt ist. Auch bei Silke Müller sorgt der fehlende Arbeitsplatz für zusätzlichen Stress: »Wenn gleichzeitig Besprechungen stattfinden und sich drei Leute über einen bestimmten Schüler unterhalten, wenn eine versucht gerade Arbeiten zu korrigieren und ein anderer mal Ruhe braucht, weil er tot aus dem Unterricht kommt, dann ist ein so großer Raum ungünstig. Ich merke sehr häufig, dass mich der Raum an sich aggressiv macht, weil ich mich nicht zurückziehen kann.«
Liane Hannemann formuliert, was aus ihrer Sicht ein Arbeitsplatz für Pädagog*innen bieten muss: Dieser Raum müsste so sein, dass man die Flächen auch wirklich als Schreibtisch nutzen kann und nicht auch noch dort isst, Materialien ablegt und Absprachen trifft. Es müsste eine Ecke geben, wo man ungestört sprechen kann und Ecken mit Schreibtischen, die als Arbeitsplatz dienen.«
Ganz ähnlich sieht es Andreas Danner. Es brauche einen Teambereich, in dem man kommunizieren, Unterricht planen und koordinieren kann, und einen abgetrennten Bürobereich mit genügend Ablagefläche. »Auf jeden Fall müsste es auch einen Rückzugsbereich geben, an dem ich auch mal ungestört arbeiten kann. Ich bin Lehrer für Deutsch und Englisch und muss oft längere Texte lesen oder korrigieren. Das wird richtig schwierig hier, denn die Möglichkeit zum Rückzug fehlt völlig. Momentan muss ich also die Korrekturarbeiten immer mit nach Hause nehmen.«
Warum bessere Arbeitsräume wichtig sind
In den Gesprächen wird deutlich, dass die Teamarbeit sehr geschätzt wird, aber gleichzeitig werden die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten zum Entspannen und Arbeiten beklagt. Tatsächlich sind solche Ruhezonen sehr wichtig für die Gesundheit der Lehrkräfte. Beim Burnout, eine der Hauptgefahren für die Gesundheit von Lehrkräften, sind fehlende Rückzugmöglichkeiten und fehlende Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben die Hauptursachen der Erkrankung. Denn das Gefühl, nie richtig abschalten zu können, führt zu Stress. Erst recht dort, wo es keine oder nicht ausreichende Teamstrukturen gibt, die nicht nur Ausdruck moderner Pädagogik sind, sondern die konkret Lehrkräfte entlasten, ungesundes Einzelkämpfer*innentum verhindern und helfen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Eine Studie aus Baden-Württemberg ergab, dass insbesondere die Trennung von Privat- und Arbeitsbereich und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf das Burnoutrisiko senken.
Die Summe der Arbeitsplätze für Lehrkräfte in allen Teamzonen orientiert sich an der Zahl der einer Schule rechnerisch zugewiesenen Vollzeitäquivalente zuzüglich zwei Arbeitsplätzen pro Teamzone für das weitere Personal.
Für eine Grundschule oder auch Sekundarschule bedeutet dies 90 Quadratmeter pro Stammgruppenbereich für Pädagog*innen sowie Lern- und Arbeitsmittel. Nicht berücksichtigt sind dabei weitere Arbeitsplätze der Beschäftigten im Fachraumbereich. Bei der Gestaltung dieser Teambereiche muss unter anderem entschieden werden, wie transparent solche Bereiche sein sollen. Hier müssen alle Beteiligten mitentscheiden können. Dabei sollten nach unserer Auffassung folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Für Unterrichtsvorbereitung sowie die Lagerung von Unterrichtsmaterial gibt es einen Arbeitsplatz mit PC und Internet sowie Telefon für jede Lehrkraft. Das Korrigieren von Klassenarbeiten oder Lesen von Fachliteratur muss möglich sein. Großraumbüros sind zu vermeiden.
- Arbeits- und Unterrichtsräume müssen per LANoder WLAN mit dem Schulserver verknüpft sein. Es muss möglich sein, selbst beschaffte Notebooks oder PCs anzuschließen. Entsprechend muss die Software an der Schule auf dem neuesten Stand und alle Daten abrufbar sein.
- Kleine Besprechungsräume ermöglichen Teamkonferenzen sowie Einzelgespräche mit Schüler*innen und Eltern und ungestörtes sowie diskretes Telefonieren.
- Für den Austausch gibt es einen Kommunikationsraum mit Kaffeeecke und Postfächern.
- Die Schule hat eine gemeinsame Bibliothek für Schüler*innen und Lehrkräfte.
Das erfordert für die Raumplanung einen Mindestansatz von sechs Quadratmeter pro Lehrkraft. In Baden-Württemberg sehen die Ende 2015 veröffentlichten neuen Schulbauförderrichtlinien 6 bis 8 Quadratmetern pro Vollzeitlehrkraft vor. Nach dem Referenzrahmen der Montag-Stiftung aus dem Jahr 2012 haben die ausgewählten Schulen »Ringstabekk« (Norwegen) 7,6 Quadratmeter und die schweizerische »Gesamtschule In der Höh« 7,4 Quadratmeter pro Beschäftigte*m.
Die Berliner Vorschläge bewegen sich also durchaus im oberen Bereich des Wünschenswerten, da auch in den Fachraumbereichen weitere Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Die Vorstellungen der AG Schulraumqualität werden zwar von allen beteiligten Senatsverwaltungen unterstützt, sind aber noch nicht konkret beschlossen. Dass diese Vorstellungen tatsächlich umgesetzt werden und nicht wieder Mittelkürzungen zum Opfer fallen, ist Aufgabe der Kollegien und Personalräte - und natürlich der GEW! ■