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Schwerpunkt "Rechte Strategien"

Bildung für die Demokratie

Wie das Berliner Schulgesetz Rückhalt für demokratisches Handeln im Schulkontext schafft.

Foto: Jacob Helke

Schulen sollen als Orte gelebter Demokratie die politische Willensbildung junger Menschen fördern. Der schulische Bildungsauftrag ist in Anbetracht der Zunahme demokratiefeindlicher Positionen und Akteur*innen von herausragender Bedeutung. Entsprechend Paragraph 1 des Berliner Schulgesetzes ist das Ziel schulischer Bildung die Heranbildung von Persönlichkeiten, »welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten.«

In Paragraph 3 Absatz 3 sind die Erziehungsziele festgelegt: Respekt, Gleichberechtigung, gewaltfreie Verständigung, Gerechtigkeit sowie Toleranz. Schüler*innen sollen befähigt werden, »die eigene Kultur sowie andere Kulturen und Sprachen kennenzulernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen, zum friedlichen Zusammenleben der Kulturen durch die Entwicklung von interkultureller Kompetenz beizutragen und für das Lebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten«.

Den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule hat die Kultusministerkonferenz im Jahr 2018 nochmals deutlich bekräftigt: »Kinder und Jugendliche sollen die Vorzüge, Leistungen und Chancen der rechtsstaatlich verfassten Demokratie erfahren und erkennen, dass demokratische Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz niemals zur Disposition stehen dürfen.«

 

Aktiver Einsatz für die Demokratie gefordert

 

Demokratie- und Menschenrechtserziehung ist eine Querschnittsaufgabe, an der sich alle Fächer beteiligen sollten. Dabei gelten die Grundsätze der politischen Bildung, die im sogenannten Beutelsbacher Konsens festgehalten sind: das Indoktrinationsverbot, das Kontroversitätsgebot und die Teilnehmendenorientierung. Laut Wieland (2019) steht der Beutelsbacher Konsens »nicht für Beliebigkeit, sondern wurde in dem Geist verfasst, Demokratie stärken zu wollen. Er bedeutet insofern kein politisches ›Neutralitätsgebot‹ in dem Sinne, dass auch demokratiefeindliche Meinungen gleichrangig wären – insbesondere nicht im Umgang mit jungen Menschen. Die Wertgebundenheit sowie die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen machen ein entschiedenes Eintreten für Demokratie, Menschenrechte und die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unverzichtbar.«

Entsprechend Paragraph 67 Absatz 4 des Schulgesetzes, arbeiten und gestalten Lehrkräfte »den Unterricht auf der Basis der Werte des Grundgesetzes und entsprechend dem in § 1 dieses Gesetzes formulierten Auftrag und den in den §§ 2 und 3 genannten und formulierten Bildungs- und Erziehungszielen der demokratischen Schule«.

Nach Beamtenrecht sind Lehrkräfte zur Verfassungstreue verpflichtet. »Beamt*innen müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.« (Beamtenstatusgesetz § 33) Demnach müssen Beamt*innen ihre Aufgaben auch unparteiisch und gerecht erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit führen. Das Gesetz verpflichtet verbeamtete Lehrkräfte zu der »Mäßigung und Zurückhaltung«, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Für angestellte Lehrkräfte gilt im Wesentlichen das Gleiche.

Lehrkräfte dürfen nach Paragraph 67 Absatz 3 ihre eigene Meinung äußern, müssen aber »dafür sorgen, dass auch andere Auffassungen, die für den Unterrichtsgegenstand im Rahmen des Bildungsauftrags der Schule erheblich sind, zur Geltung kommen. Jede einseitige Beeinflussung der Schüler*innen ist unzulässig.«

Letztlich sollte die Tätigkeit als Lehrkraft »aus dem Geist der Verfassung heraus« ausgeübt werden. Es reicht dabei nicht, die grundgesetzliche Werteordnung bloß zu bejahen. Lehrkräfte sind also nicht »neutral«, sie müssen sich aktiv für die Verfassung und deren Werte einsetzen und sind verpflichtet, die demokratische Grundordnung gegen Angriffe zu verteidigen.

 

Schüler*innen werden gesetzlich geschützt

 

Die Schule muss ganz konkret auch Grenzen ziehen. Nach Paragraph 4 Absatz 2 sind Schulen verpflichtet, Schüler*innen vor Diskriminierungen zu schützen. Der besondere Schutzcharakter von Schulen und Jugendeinrichtungen wurde auch im Jahr 2016 durch den »Berliner Konsens« bereits von allen demokratischen Parteien erklärt: »Wir verstehen Schulen und Jugendeinrichtungen als Räume, in denen den besonderen Schutzbedürfnissen junger Menschen während ihrer Orientierungsphase Rechnung getragen werden muss. Deswegen darf insbesondere hier kein Platz für rechtsextreme oder rechtspopulistische Positionen und Propaganda sein.«

Weiterhin gelten die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und der Schutz der Menschenwürde in Artikel 1 Grundgesetz und Artikel 6 der Verfassung von Berlin: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.«

Vor Parteienwerbung müssen Schüler*innen geschützt werden. Sie ist laut Verwaltungsvorschrift Werbung (VV Werbung Nr. 8) an Schulen explizit verboten: »Für und durch Parteien, andere politische oder parteigebundene beziehungsweise nahe Organisationen, Bürgerinitiativen, vergleichbare Einrichtungen, politisch agierende Einzelpersonen und deren Veranstaltungen darf keine Werbung oder Propaganda betrieben werden. Dies betrifft insbesondere den Verkauf, die Verteilung, Anbringung oder Auslage von Werbe- und Informationsmaterial sowie die Plakatierung von Druck- oder handschriftlichen Erzeugnissen. Eine Vermischung von politischer Betätigung mit Aktivitäten der Berliner Verwaltung ist nicht statthaft.«

Wie eine Schule den Bildungs- und Erziehungsauftrag umsetzt, kann sie laut Paragraph 4 Absatz 6 des Schulgesetzes weitestgehend selbst bestimmen. Dabei sollte die gesamte Schulgemeinschaft, vor allem die Schüler*innen aber natürlich auch die verschiedenen Professionen, mit einbezogen werden. Es gibt viele Möglichkeiten. Da es gelegentlich zu Auseinandersetzungen rund um die Frage der vermeintlichen Neutralität kommt, ist es wichtig, sich mit dem rechtlichen Rahmen zu befassen. Wir ermutigen dazu, sich nicht einschüchtern zu lassen und sich mit Bezug auf den rechtlichen Rahmen für Demokratiebildung stark zu machen.

 

Auch lesenswert:

»Wie politisch dürfen Lehrkräfte sein?« (Michale Wrase, Aus Politik und Zeitgeschichte 2020)

»Mythos Neutralität in Schule und Unterricht« (Joachim Wieland, Bundeszentrale für politische Bildung 2019)

 

Rechtsschutz

Wer mit Anfeindungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden konfrontiert ist, kann sich an den Rechtsschutz der GEW BERLIN wenden. gew-berlin.de/rechtsschutz

 

Amadeu-Antonio-Stiftung

Die Handreichung der Stiftung gibt einen guten Überblick über zu bedenkende Aspekte im Zusammenhang mit politischen Veranstaltungen im Schulkontext.    amadeu-antonio-stiftung.de

 

Schulveranstaltungen mit Parteien

Hilfreiche Hinweise zur Vorbereitung

 

Frankfurter Erklärung

Positionen für eine kritisch-emanzipatorische politische Bildung

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46