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Schwerpunkt „Künstliche Intelligenz in der Schule“

Bildung ohne Barrieren

Künstliche Intelligenz kann zur Stärkung von Inklusionsprozessen beitragen.

FOTO: KI-GENERIERT/MEREDO EV

Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren zahlreiche Lebensbereiche erfasst – von der Arbeitswelt über die Freizeitgestaltung bis hin zur Bildung. Besonders im Bildungswesen zeigt sich, dass digitale Technologien nicht nur neue Lernformen ermöglichen, sondern auch Inklusion fördern können. Der Begriff »Diklusion«, eine Synthese aus »digitale Medien« und »Inklusion«, beschreibt einen Ansatz, der diese Potenziale gezielt nutzt. Doch welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) in diesem Konzept? Und wie können Lehrkräfte die Möglichkeiten von KI in ihrem Unterricht sinnvoll einsetzen, ohne die damit verbundenen Herausforderungen aus den Augen zu verlieren?

 

Der Ansatz der Diklusion

 

Im Kern zielt Diklusion darauf ab, allen Lernenden unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder sozialen Hintergründen den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu ermöglichen. Digitale Technologien spielen dabei eine Schlüsselrolle: Sie können Barrieren abbauen und individuelle Förderung ermöglichen. Sprachmodelle wie ChatGPT oder assistive Technologien wie Text-to-Speech-Systeme sind Beispiele dafür, wie KI eingesetzt werden kann, um Teilhabe zu verbessern. Für Schüler*innen mit motorischen Beeinträchtigungen können etwa Sprach-erkennungssysteme genutzt werden, während Übersetzungstools wie Google Translate oder Sprachmodelle Kindern, die Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache erwerben, beim Verstehen von Unterrichtsmaterialien unterstützen.

Die Anwendung von KI im Bildungswesen bietet weitreichende Chancen. KI-gestützte Programme können beispielsweise Lernprozesse personalisieren, indem sie Inhalte an die Voraussetzungen und Bedarfe der Lernenden anpassen. Dies ist in heterogenen Klassen ein großer Vorteil, in denen Kinder mit unterschiedlichen sprachlichen, kulturellen oder kognitiven Voraussetzungen lernen. Ein konkretes Beispiel ist der Einsatz von Sprachmodellen zur Erstellung differenzierter Lesetexte. Lehrkräfte können mit wenigen Eingaben Texte generieren, die verschiedene Schwierigkeitsgrade abdecken – von vereinfachten Sätzen bis hin zu anspruchsvollen Fachtexten. Solche Materialien tragen dazu bei, dass alle Schüler*innen auf ihrem individuellen Niveau gefördert werden. Darüber hinaus können KI-Tools Lehrkräften Zeit sparen, die sie dann nutzen können, um Kinder persönlich und individuell zu unterstützen. Automatisierte Feedbacksysteme, die Schüler*innen personalisierte Rückmeldungen geben, oder Tools zur inklusiven Unterrichtsplanung entlasten den Arbeitsalltag und schaffen Raum für kreative Unterrichtsgestaltung.

Trotz der vielfältigen Möglichkeiten birgt die Nutzung von KI auch Herausforderungen. Eine zentrale Hürde ist die digitale Spaltung, wie sie beispielsweise bei Bosse und Sponholz oder Eickelmann beschrieben wird. Nicht alle Schüler*innen haben Zugang zu den notwendigen technischen Geräten oder einer stabilen Internetverbindung. Auch die Kompetenzunterschiede im Einsatz digitaler Medien zeigen einen sogenannten »digital gap« zwischen den Schüler*innen auf. Diese Ungleichheiten verstärken soziale Disparitäten und stellen die Chancengerechtigkeit infrage.

Darüber hinaus wirft die Nutzung von KI weitere Fragen auf, wie zum Beispiel die nach der Ethik. Algorithmen, die auf unzureichend diversifizierten Datensätzen basieren, können Vorurteile reproduzieren und bestehende Ungleichheiten verschärfen. So besteht die Gefahr, dass kulturelle oder sprachliche Besonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt werden. Auch Datenschutz und die Sicherung persönlicher Daten stellen eine große Herausforderung dar, insbesondere im sensiblen Bereich der Schule. Ein weiterer Aspekt ist die notwendige Kompetenz der Lehrkräfte. Der effektive Einsatz von KI erfordert nicht nur technisches Wissen, sondern auch ein Verständnis für die didaktischen Potenziale und Grenzen dieser Technologien. Ohne entsprechende Fortbildungen laufen Lehrkräfte Gefahr, die Tools entweder unreflektiert einzusetzen oder ihre Chancen nicht vollständig auszuschöpfen.

 

Das Fünf-Ebenenmodell bietet Orientierung

 

Um den Einsatz von KI im Unterricht systematisch zu gestalten, bietet das Fünf-Ebenen-Modell der Diklusion eine wertvolle Orientierung. Das Modell zeigt anschaulich und praxisnah auf, wie digitale Technologien zur Inklusion beitragen können:

• Lernen durch Medien: Assistive Technologien wie Spracherkennung oder Augensteuerung ermöglichen Schüler*innen die aktive Teilnahme am Unterricht, indem Barrieren verringert werden.

• Lernen mit Medien: KI wird zur Unterstützung des Lernprozesses eingesetzt. Sprachmodelle vereinfachen komplexe Inhalte und bieten individuelle Unterstützung durch Erklärungen schwieriger Begriffe.

• Kooperatives Lernen: KI-gestützte Tools fördern die Zusammenarbeit in Lerngruppen, etwa durch Echtzeitübersetzungen oder die Strukturierung gemeinsamer Projekte.

• Unterstützung der Lehrkräfte: Auf der organisatorischen Ebene ist es möglich, Technologien zur Unterstützung der Lehrkräfte einzusetzen, um effizient inklusiven Unterricht zu planen oder auszuwerten. Automatisierte Feedbacksysteme und Tools zur Materialerstellung erleichtern beispielsweise die Unterrichtsplanung.

• Reflexion über Medien: Alle Schüler*innen sollten lernen, die Funktionsweise von KI zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. Dies fördert ein verantwortungsvolles Medienverhalten und stärkt ihre Fähigkeit zur demokratischen Teilhabe.

 

Vom Konzept zu gelebter Praxis

 

Diklusion birgt ein enormes Potenzial, das Bildungssystem gerechter und effizienter zu gestalten. Auch Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Barrieren abzubauen und individuelle Lernprozesse zu unterstützen. Doch um diese Chancen auszuschöpfen, müssen die damit verbundenen Herausforderungen aktiv angegangen werden. Eine ausreichende technische Infrastruktur, gezielte Fortbildungen für Lehrkräfte und eine ethische Auseinandersetzung mit den Risiken der KI sind unabdingbar. Nur so kann Diklusion von einem Konzept zu gelebter Praxis werden – und Bildung ohne Barrieren Wirklichkeit werden.

 

Lea Schulz' Webseite mit Beiträgen zu Diklusion und einer Übersicht inklusiver digitaler Tools:leaschulz.com