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bbz 10 7 2019

Burnout und Erschöpfungsdepressionen bei Lehrkräften

Eine klare räumliche und zeitliche Grenze zwischen Arbeit und Privatleben kann bei Lehrkräften oft nicht gezogen werden, dadurch steigt deren Erkrankungsrisiko

Die Begrifflichkeit Burnout wird zwar in den vergangenen Jahren immer häufiger als Entstehungs- und Erklärungsmodell für einen belastungsbedingten Erschöpfungszustand verwendet, stellt allerdings bisher keine eigenständige Diagnoseklassifikation im Sinne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dar. Hier scheint jedoch Bewegung in die Sache zu kommen. In der kommenden Version wird sich das voraussichtlich ändern. Häufig leiden Betroffene unter Symp-tomen einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung, manchmal versteckt sich eine Depressivität auch hinter einer Reihe körperlicher Beschwerden. Menschen mit Erschöpfungsdepressionen leiden nicht selten unter Lebensmüdigkeit und schlagen sich manchmal mit konkreten Gedanken herum, sich das Leben zu nehmen. Es gibt Hinweise darauf, dass bei bis zu einem Drittel aller Lehrkräfte ein Burnout beziehungsweise zumindest einige Anzeichen dafür vorliegen. Das erhöht natür-lich das Risiko, eine psychische oder körperliche Folgeerkrankung, wie beispielsweise eine Depression zu erleiden. Es ist zu vermuten, dass es sich bei Lehrer*innen um eine besonders gefährdete Berufsgruppe handelt. Dafür spricht eine verhältnismäßig geringe Zahl an Lehrkräf-ten, die den Altersruhestand erreichen.

Manche Lehrkräfte leben gefährlicher

Der Lehrberuf fordert neben Belastungs-faktoren wie intensivem und andauerndem Lärm, hoher emotionaler Beteiligung und einem häufig bestehenden Mangel an ausreichenden personellen Ressourcen auch einiges an Selbststrukturierung ab. Da die Arbeit von Pädagog*innen nicht nur während des Unterrichtes stattfindet, sondern auch außerhalb beziehungsweise davor und danach, entsteht eine zusätzliche Belastung und damit folglich ein erhöhtes Gefährdungsniveau.

Eher betroffen sind Pädagog*innen, denen es schwer fällt abzuschalten und die Freizeit ohne permanente Gedanken an die Arbeit zu verbringen, die also eine geringe Distanzierungsfähigkeit aufweisen. Außer-dem, und das scheint besonders wichtig, zeigen sich in dieser Risikogruppe Menschen, die sich mit dem Einholen sozialer Unterstützung schwertun. Die Haltung, Dinge allein lösen zu müssen, scheint weiterhin stark verbreitet und ist an dieser Stelle besonders gefährlich.

Generell lässt sich eine Erhöhung der Krankheitstage in Hinsicht auf eine Burn-out-Diagnose und ein Anstieg der Behandlungen feststellen. Es ist jedoch fraglich, ob diese Entwicklung tatsächlich mit einer steigenden Erkrankungsrate zusammenhängt.

Die Betroffenen haben heute durch die verbesserten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, genauso aber auch durch die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen weniger Angst, sich in Behandlung zu begeben. Vieles spricht allerdings dafür, dass Depressionen durch die veränderten Lebensbedingungen tatsächlich zunehmen.

Diagnose Burnout – was tun?

Die unkomplizierteste Möglichkeit, herauszufinden, ob eine depressive Erkrankung vorliegen könnte, ist zunächst ein schnelles Screening, das grundsätzlich je-de*r durchführen kann. Dieses erfolgt beispielsweise anhand eines sogenannten Zwei-Fragen-Tests:

Erstens: Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig bedrückt oder hoffnungslos? Zweitens: Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?

Werden beide Fragen mit »Ja.« beantwor-tet, ist es hilfreich, eine*n ambulante*n Psychiater*in, einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychosomatik oder eine*n psychologische*n Psycho-thera-peut--*in auf-zusuchen. Diese Berufsgruppen haben sich im Besonderen auf die Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen spezialisiert und können bei Bedarf auch weitere Expert*innen hinzuziehen und Betroffene über sinnvolle Behandlungsoptionen beraten. Ob dann im Verlauf eine medikamentöse Therapie zielführend ist und in welchem Rahmen eine Psychotherapie stattfindet, ob ambulant oder statio-när, das sind Dinge, die dann im Einzelfall gemeinsam entschieden werden.

Wird ein Burnout bei Kolleg*innen vermutet, bietet es sich an, in einem ruhigen Moment ein Gesprächsangebot zu machen, vorausgesetzt, dass die eigenen Ressourcen das zulassen. Zunächst sollte allerdings geklärt werden, ob überhaupt Gesprächsinteresse besteht. Ist dies der Fall, geht es darum, möglichst wertschätzend die Dinge, die Ihnen aufgefallen sind, anzusprechen und Sorge auszudrücken. Dabei ist es für Betroffene wichtig, nicht ungefragt mit Ratschlägen überhäuft zu werden, sondern zunächst einmal ein offenes Ohr angeboten zu bekommen.

Depressionen beziehungsweise ein Burn-out sind gut behandelbar, aber der Behandlungsprozess verlangt den Betroffenen oft viel Zeit und Geduld ab. Manche Patient*innen profitieren von Antidepressiva, also von Psychopharmaka. Aber das Mittel der Wahl ist in jedem Fall eine Psychotherapie.

Diese kann sowohl ambulant als auch stationär in einer Klinik erfolgen. Wenn eine ambulante Psychotherapie nicht ziel-führend und ausreichend ist, sollte eine stationäre Behandlung erwogen werden. Derartige stationäre Behandlungen decken ein deutlich größeres Repertoire an unterschiedlichen Therapien wie Gruppen- oder individuelle Einzelsitzungen ergänzt durch kunst-, musik- oder tiergestützte Therapieangebote ab.

Wichtig für die Prävention ist vor allem die Stärkung des sozialen Netzes, also Freundschaften und Bekanntschaften zu pflegen. Dieser soziale Kreis kann in schwierigen Phasen Sicherheit und Rückhalt bieten. Außerdem ist es zentral, einen sinnvollen Ausgleich vom Berufsleben zu etablieren und Grenzen zur Arbeit zu ziehen. Deshalb sind Pausen, die belastende Phasen unterbrechen und die Akkus aufladen lassen, in der Vorbeugung eines Burnouts unabdingbar.

Nicht zuletzt lohnt es sich, auch die eigene Erwartungshaltung kritisch zu reflektieren. Gerade in der Unterrichtsvor- oder -nachbereitung oder im Austausch mit Schüler*innen und Eltern gäbe es sicherlich immer noch mehr zu tun, dennoch liegt es ein Stück weit auch in der ganz persönlichen Verantwortung, sich hier auch selbst Grenzen zu setzen und sich zu schützen.