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Schwerpunkt „Soziales unter Kürzungsdruck“

Chancengerechtigkeit in der Kita

Soziale Arbeit in der Kita gibt es in Berlin seit 20 Jahren. Im Rahmen eines Modellprogramms wird es nun von der Senatsverwaltung gefördert.

Foto: Bertolt Prächt

Die Erzieher*innen machen sich Sorgen. Das Kind, nennen wir ihn Linus, spricht immer noch nicht und dabei ist er schon fünf. Manchmal spricht er schon, aber dann auf Englisch. Dabei spricht die Mutter gar kein Englisch. Deswegen hat er Probleme, Freund*innen in der Kita zu finden. Im Grunde fällt ihm der gesamte Kitaalltag schwer. Der Vater ist nicht erreichbar und mit der Mutter ist es irgendwie auch schwierig, man kriegt so gar nichts aus ihr raus. Das nächste Gespräch findet gemeinsam mit der Kita-Sozialarbeiterin statt. Am folgenden Tag drückt die Mutter ihr einen kleinen Zettel mit ihrer Adresse in die Hand. Das Mandat ist erteilt.

Zur Sicherung des Kindeswohls – unter dieser Prämisse wirkt Kita-Sozialarbeit. Denn kommt das Familienleben ins Wanken, werden die Belastungen im Familiensystem zu groß. Das geht dann kaum am Kind vorbei. Und hier sind sich die vielen Träger in Berlin, die Kita-Sozialarbeit in ihren Einrichtungen implementieren, auch einig: Das Ziel ist, die Chancengerechtigkeit für Kinder zu erhöhen und Benachteiligungen zu verringern. Präventiv gedacht, setzt sie insbesondere darauf, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken. Die Zielgruppen sind einerseits die Familien und andererseits die pädagogischen Fachkräfte der Kitas.

 

So vielfältig wie Berlin

 

Als Reaktion auf die Silvesterkrawalle 2022 und den deswegen einberufenen Jugendgewaltgipfel ermöglicht die Berliner Senatsverwaltung im Doppelhaushalt 2024/25 ein Modellprogramm Kita-Sozialarbeit in Höhe von circa drei Millionen Euro aus den Mitteln gegen Jugendgewalt. 20 Modellvorhaben werden bereits realisiert, an denen 50 Kitas berlinweit beteiligt sind. Evaluation und wissenschaftliche Begleitung inklusive.

In der Auftaktveranstaltung zum Modellprogramm Kita-Sozialarbeit im Juni 2024 präsentierten alle Beteiligten ihre Modellvorhaben in einem Gallery Walk. Hier zeigte sich vor allem eines: Kita-Sozialarbeit in Berlin – in ihrer Ausführung ist sie so bunt und vielfältig wie die Stadt selbst und ihre Trägerschaften. Das liegt sicher auch an ihrer Entstehungsgeschichte. Gewachsen ist sie aus Bottom-up-Prozessen. Es waren und sind die Fachkräfte, die dem heutigen Berliner Verständnis von Kita-Sozialarbeit ihr Gesicht verleihen. 

 

Ein neues Berufsfeld mit langen Wurzeln

 

Wenngleich wir es mit der Entstehung eines neuen Berufsfeldes in der Sozialen Arbeit zu tun haben, ist der Gedanke, diese in Kindertageseinrichtungen zu verorten, eigentlich gar nicht so neu. Soziale Arbeit in Kitas gibt es in Berlin schon seit fast 20 Jahren. So hat der Träger Stützrad e.V. mit seinem »Piazza«-Projekt bereits seit 2005 Beratungsangebote für Eltern in Kitas eingeführt.

Der Kirchenkreis Spandau startete 2015 ein Projekt zur erweiterten Elternarbeit. Es folgte im Rahmen Soziale Stadt 2016 ein Pilotprojekt zur Kita-Sozialarbeit im Quartiersmanagementgebiet Heerstraße Nord. Dieses Engagement des Bildungsnetzes Heerstraße Nord – AG frühe Förderung wurde im Jahr 2020 mit einem der vier zweiten Plätze des Deutschen Kita-Preises gewürdigt.

 

Senatsverwaltung setzt auf Expertise der Sozialarbeiter*innen

 

Nach einem Besuch bei dem ausgebuchten Fachtag zur Kita-Sozialarbeit in Berlin im April 2022 äußerte sich der damalige Staatssekretär für Jugend, Familie und Schuldigitalisierung Aziz Bozkurt (SPD) in seiner Stellungnahme auf den Seiten der Senatsverwaltung dahingehend, dass Familien die breiteste und beste Unterstützung zugänglich gemacht werden solle. Am besten an Orten, die sie ohnehin aufsuchen. Das Gefühl der Überforderung, die Angst vor Stigmatisierung oder negative Erfahrungen sollten Familien nicht daran hindern, Hilfs- und Beratungsangebote aufzusuchen. Kita-Sozialarbeit könne an dieser Stelle viel bewegen. Außerdem würden die Kitateams in ihrer Zusammenarbeit mit den Familien unterstützt, die pädagogischen Fachkräfte in ihrer täglichen Arbeit entlastet und ihr Blick auf die Kinder und ihre Familien um neue Perspektiven erweitert.

Und auch der derzeitige Staatssekretär für Jugend und Familie Falko Liecke (CDU) antwortete auf eine Anfrage an den Senat im September 2023, dass das Land Berlin plane, durch die oben genannten Modellprojekte Kita-Sozialarbeit stadtweit zu implementieren und dadurch die Aufgaben von Kindertagesbetreuungen besser zu erreichen. Hierbei soll unter Beteiligung der Jugendämter, der LIGA der Wohlfahrtsverbände und der Fachpraxis zusammengearbeitet werden.

Bis zum Beginn des Modellprogramms gab es in Berlin bereits an 150 weiteren Standorten Kita-Sozialarbeit. Und hier knüpft die Senatsverwaltung an. Denn in der Tat: Die Senatsverwaltung setzt auf die Expertise und Erfahrungen der schon vorhandenen Sozialarbeiter*innen in den Kitas. So ist bereits ein weiterer Fachtag mit Beteiligung der Ausführenden der Arbeit für November 2024 in Planung.

 

Kita-Sozialarbeit muss finanziell abgesichert sein

 

Im August war die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie Katharina Günther-Wünsch (CDU) auf der von ihr als Kita-Sommer-Tour bezeichneten Informationsoffensive in einer Modellkita des Kirchenkreises Spandau. Sie kommentierte anschließend auf ihrem Instagram-Account, dass die präventive Arbeit der Kita-Sozialarbeit helfe, Familien zu stärken und Bildungs- und Chancengerechtigkeit für Kinder zu erhöhen. Das Kitapersonal werde bei problematischen Entwicklungen von Kindern und auch Fragen des Kinderschutzes unterstützt. Eltern fänden in Erziehungsfragen oder bei schwierigen Situationen einen kompetenten Ansprechpartner. Schlussendlich ergänzte sie, sich weiterhin für den Ausbau sowie für eine finanzielle Absicherung der Kita-Sozialarbeit einzusetzen.

An dieser Aussage wird deutlich, dass es zumindest in Berlin keine Frage der Sinnhaftigkeit von Kita-Sozialarbeit gibt, sondern eine Frage der Finanzierung. Analog zur Schulsozialarbeit wäre der Eingang ins SGB VIII dem sicherlich zuträglich. Bundesweit.

Und so bleibt der Optimismus, dass in dem eben umrissenen Zusammenspiel von Fachpraxis, Wissenschaft und Politik am Ende nicht nur Linus, sondern viele Familien Unterstützung durch Kita-Sozialarbeit erfahren.

 

Kirchenkreis Spandau

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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