blz 11 / 2006
Das Herrschaftswissen aufbrechen
Gespräch mit Klaus Jaksch und Walter Mayer, die vor 25 Jahren die GEW-Schulrechtssammlung gegründet haben.
Lieber Klaus, lieber Walter: 1981, vor 25 Jahren, kam die erste Auflage der GEW-Schulrechtssammlung unter dem Titel „Berliner Recht für Schule und Lehrer“ heraus – was im wesentlichen euch beiden zu verdanken war. Wie kam es dazu?
Walter: Unser Anliegen war vor allem, den KollegInnen eine umfassende Schulrechtssammlung an die Hand zu geben, damit sie selbstständiger und kompetenter gegenüber der Schulleitung und den Behörden argumentieren können. Wir wollten sie damit unterstützen, „Fachleute in eigener Sache“ zu werden. Auch die Personalräte waren mit dem bestehenden Zustand nicht zufrieden und wünschten eine eigene Sammlung der GEW.
Klaus: Es gab damals ja nur die sogenannte „grüne Pest“, also die sechsbändige Luchterhand-Sammlung. Daneben gab es nur zwei kleinere Sammlungen, die aber die Rechtstexte nur in Auszügen brachten und sehr große Lücken hatten. Die GEW hatte damals im Lehrerkalender zwar einige Rechtsinfos, aber das war bei weitem nicht ausreichend. Wir dagegen wollten vollständige Texte veröffentlichen. Denn damals war die Kenntnis von Rechtsvorschriften vor allem Herrschaftswissen. Wer wusste schon von der Existenz eines Amtsblattes oder Dienstblattes und deren jeweiliger Bedeutung? Das kann man sich heute gar nicht mehr so recht vorstellen, dass viele nicht wussten, wo sie welche Regelungen finden konnten. Ob die Schulleiter mit ihren Anweisungen und Aussagen recht hatten? Das war damals Expertenwissen! Wir hatten den starken Willen, diesen Zustand zu überwinden, in dem kaum jemand wusste, was denn nun genau das Schulrecht alles umfasst. Denn: Die Textsammlungen standen im Schulleiterzimmer. Und wenn jemand was einsehen wollte, dann wurde man gefragt, wozu man das denn wissen wolle! Wir wollten, dass alle freien Zugang zu allen Texten hatten. Das spielte später dann auch eine Rolle, als die Kollegien forderten, dass ein Exemplar des Schulrechtes auch für das Lehrerzimmer angeschafft werden sollte. Damit man jederzeit schnell mal reinschauen konnte, wenn man z. B. einen Antrag für die Gesamtkonferenz formuliert.
Die Sammlung hat mir damals besonders gefallen wegen der überzeugenden Gliederung der beiden Bände: im ersten Band alle schulischen Vorschriften und im zweiten Band alle Regelungen zum Beschäftigungsverhältnis: Band 1 für die Gesamtkonferenz, Band 2 für alle Personalsachen.
Walter: Unsere Sammlung ist meines Wissens auch die Einzige, die diese Aufteilung hat. Über die Zuordnung haben wir manchmal ziemlich lang diskutiert. Soll zum Beispiel die Lehrerbildung in Band 1 oder Band 2? Argumente lassen sich für beide Orte finden. Wir haben uns dann für Band 2 entschieden.
Klaus: Ähnlich verhält es sich mit den Texten zur Lehrerstundenzumessung, die hätte man natürlich auch in Band 2 bringen können. Aber wir haben insgesamt, glaube ich, eine ziemlich stimmige Aufteilung hinbekommen.
Woher habt ihr den Mut genommen, ein am Anspruch der Vollständigkeit orientiertes Werk zu stemmen, das war ja auch damals schon eine enorme Textmasse! Um die 2000 Seiten!
Walter: Vor allem Klaus Jaksch, damals Leiter des Referates C im Landesvorstand, hat unser Projekt dort vorangetrieben, unterstützt von Boris Fahlbusch, der damals Referat-A-Leiter war. Aber wenn Klaus nicht soviel Zeit und Energie investiert hätte, wären wir wahrscheinlich nicht fertig geworden. Ich habe mehr auf der organisatorisch-operativen Ebene gearbeitet. Zusätzlich haben wird dann mit weiteren 3-4 Kollegen über die Struktur diskutiert, welche Texte aufgenommen werden sollen. Und das wurde dann immer mehr und mehr. Da wurde uns manchmal auch ganz mulmig.
Aber die dann getroffene Auswahl war anscheinend genau richtig. Größere Kritik habe ich bislang nicht gehört.
Klaus: Man muss natürlich auch sagen, dass insbesondere für den Band 2 die Personalräte eine sehr gute Vorarbeit geleistet hatten. Dank Boris Fahlbusch, denn der hatte damals angefangen, mit den Personalräten ziemlich anspruchsvolle Schulungen zu organisieren. Davon haben wir profitiert. Aber trotzdem haben wir die Gliederung ständig neu diskutiert, wieder umgestellt, noch mal diskutiert – bis endlich der Drucktermin der Diskussion ein Ende setzte. Aber was fast noch aufwendiger war, war die Erstellung des Stichwortverzeichnisses. Das haben dann später selbst die Gegner unserer Sammlung anerkannt, dass dieses Verzeichnis gut gelungen war. Viele haben uns damals gesagt, dass sie die gesuchten Texte vor allem über das Stichwortverzeichnis finden.
Walter: Da haben wir wirklich viel Zeit investiert. Denn man musste ja dazu die Texte gründlich durcharbeiten. Wir haben uns immer gefragt, unter welchem Stichwort wohl die KollegInnen einen Text suchen. Deswegen haben wir auch nicht nur Stichworte genommen, die im Text vorkommen, sondern auch Alltagsbegriffe. Zum Beispiel nicht nur „Jährliche Sonderzuwendung“ als Stichwort, sondern auch „Weihnachtsgeld“. Die Stichworte wurden dann auf Karteikarten notiert und anschließend alphabetisch sortiert. Ein Mordsaufwand war das.
Klaus: Es waren wohl gute zwei Jahre, die wir bis zur Drucklegung daran gearbeitet haben. Sehr unterstützt übrigens von den damals Verantwortlichen bei der Druckerei Kahmann und bei der Satzfirma IBV. Denn wir waren ja vollständige Laien auf diesem Gebiet. Wir hatten doch keine Ahnung vom Aufbereiten von Texten, Satzerfassung, Schrifttypen, Papierauswahl und so weiter. Sie haben sich selber für die Sammlung engagiert und waren sehr geduldig mit uns. Ich erinnere mich auch noch daran, wie aufwendig es war, diese Steckmechanik zu besorgen. Die gab es in Deutschland nicht, die musste aus Österreich besorgt werden. Bei den üblichen Ringordnern wären die Bände so dick geworden, dass sie nicht in eine normale Tasche gepasst hätten. Ich freue mich heute noch, wie schön handlich die Bände sind.
Walter: Spannend wurde es dann auch, als die Finanzierungsfrage auf den Tisch kam: Das Werk wuchs und wuchs und langsam wurde es auch dem Schatzmeister etwas unheimlich. Er wollte endlich mal wissen, was da denn finanziell auf die GEW zukommt. Da gab es einige heftige Diskussionen – auch danach. Denn das war schon ein großer finanzieller Aufwand, der von der GEW getragen werden musste. Und ein ziemliches Risiko. Wir haben ja bis zum Schluss noch geändert, noch weitere Texte aufgenommen. Andere wieder rausgenommen. Und wir konnten alle nur schwer einschätzen, wie sich das Werk verkauft. Es war dann zwar ziemlich lange ein Minusgeschäft, aber es hat sich auch gezeigt, dass die Entscheidung für das Risiko richtig war, denn offensichtlich gab und gibt es einen Bedarf.
Das ist ein gutes Schlusswort!
• Klaus Jaksch, geb. 1944, Mitglied der GEW seit 1977, langjähriger Lehrer und Personalrat im Bezirk Wedding, Leiter des Referats C im Landesvorstand der GEW Berlin (1977-81)
• Walter Mayer, geb. 1942, Diplom-Volkswirt Geschäftsführer der GEW Berlin von Mai 1977 bis April 1986, anschließend Sekretär beim DGB Landesbezirk Berlin und (ab Oktober 1989) bei der IG Metall Verwaltungsstelle Berlin
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KONTINUITÄT UND WANDEL
Die Zeit ist schnelllebiger geworden – die Schulrechtssammlung auch: Gab es in den Anfangsjahren eine Ergänzung pro Jahr, wurde schon bald zweimal im Jahr ergänzt. Deswegen konnte die Sammlung auch bei den zahlreichen Neuerungen in den letzten Jahren immer relativ aktuell sein. Seit 2002 ist das gesamte Werk auch auf CD-Rom erhältlich.
Der Digitaldruck und andere Rationalisierungen bei der Satzerstellung, beim Versand und bei der Abonnentenverwaltung machten es möglich, dass der Seitenpreis der Ergänzungen in den letzten zehn Jahren kaum erhöht werden musste. Und das, obwohl die Druckauflage der Ergänzungen gesunken ist, denn nur wenige KollegInnen sind in den letzten Jahren eingestellt worden, aber immer mehr BezieherInnen scheiden aus dem aktiven Dienst aus. Zwar erhalten wir ungern Kündigungen, aber wenn es dann dort oft heißt (Originalton!): „Ich war über Jahrzehnte mit Ihrer Lieferung äußerst zufrieden und bedanke mich bei allen Beteiligten vielmals“ oder „Die Sammlung hat mir als Schulleiter sehr große Dienste erwiesen, da sie viel handlicher als die Luchterhand- Sammlung ist. Ich habe ca. 98 Prozent aller Rechtsfragen hier klären können und nur in sehr wenigen Ausnahmen auf Luchterhand zurückgreifen müssen“ ist das ein kleiner Trost und bestätigt die Leistung der beiden Begründer der Sammlung und die der heutigen Redakteure Klaus Büscher, Sabine Dübbers und Klaus Will.
Seit 1988 erscheint die Sammlung im eigenen Verlag. Die GEWIVA hat das Schulrecht und die blz, das zweite Aufgabengebiet des Verlages, erfolgreich in das Computer-Zeitalter gebracht. Anfangs wurden in der GEWIVA die Rechnungen noch mit Schreibmaschine und Kopierer gefertigt, kurze Zeit später kam schon der erste PC und ein sehr hilfreiches selbstgestricktes Rechnungsprogramm (Danke, Manfred!). Die blz- Artikel wurden noch eifrig in die Setzmaschine getippt und die Gestaltung (Layout heißt das heute) wurde von den RedakteurInnen mittels Schere und Prittstift entworfen. Heute wird das Layout der blz außer Haus und am Bildschirm gemacht und die Artikel und Fotos kommen zumeist per E-Mail. Die gesamte GEW-Geschäftsstelle ist verkabelt und vernetzt und alles läuft mittlerweile über den PC. Nur der Kaffee nicht, den muss man sich immer noch selbst holen!