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bbz 06 / 2019

Das Maß ist voll

In einem offenen Brief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Finanzsenator Matthias Kollatz haben Betriebsräte zahlreicher freier Kita-Träger auf die unhaltbaren Zustände in den Berliner Kitas hingewiesen. Einige Betriebsrät*innen erklären uns, warum der Protest nötiger denn je ist

Eine gute pädagogische Arbeit und nebenbei die Ausbildung der Quereinsteiger*innen leisten – dafür reichen die im Kitaförderungsgesetz (KitaFög) zugeschriebenen Personalmittel nicht aus. Die Berliner Politik hat sich weit aus dem Fenster gelehnt und wollte den Kitaausbau vorantreiben. Die Zusagen können jedoch nicht eingehalten werden. Die Beschäftigten in den Berliner Kitas sind permanenten Belastungen und Überlastungen ausgeliefert. Quereinsteiger*innen sollen die Lücken des Personalnotstands schließen. Doch viele Kitas sind unterbesetzt und die Anleitung der Kolleg*innen in berufsbegleitender Ausbildung belastet die ohnehin schon überlasteten Kolleg*innen.

Nicole Rakow, Pädagogin in einer Kita in freier Trägerschaft erklärt uns, warum ihrer Meinung nach das Maß voll ist: »Der hohe Wert pädagogischer Arbeit in unseren Einrichtungen wird nicht mehr oder noch nicht geschätzt. Dies spiegeln unsere Gehaltsabrechnungen wider. Ebenso wenig scheint der Stellenwert frühkindlicher Bildung in der breiten Gesellschaft erkannt worden zu sein. Ich möchte gute Arbeit machen und die Anforderungen des Berliner Bildungsprogramms erfüllen. Die hohen Erwartungen an Frühförderung sind berechtigt, doch es fehlt aufgrund der personellen Bedingungen die Zeit ihnen gerecht zu werden. Beobachtungen, Dokumentation, Planung und die gemeinsame Reflexion der täglichen Arbeit mit Kolleg*innen kosten Zeit. Qualität braucht Zeit. Als Interessenvertretung der Mitarbeiter*innen sehe ich immer häufiger Kolleg*innen, die der Arbeitsbelastung nicht Stand halten können, im Krankheitsfall ihr Pflichtbewusstsein über alles stellen oder in Hinblick auf die Belastungen nur Teilzeitbeschäftigungen annehmen. Leasingpersonal, lernende Fachkräfte, Praktikant*innen beispielsweise sind nur sehr begrenzt eine Entlastung. Die Erklärung ist auch notwendig, weil darauf hingewiesen werden muss, dass auch nach erfolgreichem Tarifabschluss der Länder das Personal freier Träger weiterhin schlechter bezahlt wird.«

Auch der Betriebsrat der Kinder im Kiez GmbH hat die gemeinsame Erklärung unterschrieben, weil er deutlich machen will, dass frühe Bildung von der Qualität der Arbeitsbedingungen abhängig ist. Elke Schütz, Betriebsratsvorsitzende erklärt Lösungsansätze und Hoffnungen, die die Beschäftigten haben: »Wenn man Mitarbeiter*innen halten möchte, muss es gleichen Lohn für gleiche Arbeit geben! Wir wünschen uns mit der Senatsverwaltung ins Gespräch zu kommen, um gemeinsame Ideen und Lösungen zu entwickeln. Dabei denken wir an einen regelmäßigen Austausch. Der Senat muss zwingend seinen Fokus mehr auf die freien Träger richten, wenn er den hoch ambitionierten Kitaausbau schaffen möchte. Lösungsmöglichkeiten sehen wir in einer freiwilligen Verpflichtung der freien Träger, die Erhöhungen der Entgelte an das Personal weiterzugeben. Außerdem wäre es an der Zeit, über eine gerechte Vergütung auch in der vollschulischen Erzieher*innenausbildung nachzudenken. So wären die Nachwuchssorgen geringer und die Studierenden hätten die Möglichkeit, sich ohne Geldsorgen auf die Ausbildung zu konzentrieren. Wir erwarten vom Land Berlin endlich Maßnahmen, um gesundheitliche Belastungen zu reduzieren. Ausfinanzierungen von Supervision, Mediation und Fachberatungen, wären hier die Schlagwörter.«

Auch Stephan Keitel, Gesamtbetriebsratsvorsitzender, betont, dass Kitas als Träger der Integration und Inklusion eine Verbesserung des Personalschlüssels benötigen, möchten sie erfolgreich arbeiten. So oder so. Kitaerzieher*innen haben derzeitig viele gute Gründe zu klagen.

Sie haben deshalb unsere Unterstützung bei ihren Protesten verdient. Zeigen wir uns solidarisch!