Tendenzen
Das Massaker von Lyngiades
Wenigen sind die Verbrechen der Deutschen Wehrmacht in Griechenland bekannt. Der Film »Der Balkon« will das ändern.
Im Film »Der Balkon« berichten Überlebende und Nachkommen über ein Massaker an der Zivilbevölkerung in Lyngiades, einem Dorf in Griechenland nahe bei Ioannina, im Epirus. Dort hatten am 3. Oktober 1943 Soldaten der Deutschen Wehrmacht 82 Dorfbewohner ermordet und fast alle Häuser zerstört. Dazu gibt es alte Tonbandaufnahmen und Fotos von Überlebenden. Der Regisseur des Dokumentarfilms, Chrysanthos Konstantinidis, stammt selbst aus Lyngiades. Seine Zugehörigkeit mag es anderen Nachkommen aus den betroffenen Familien erleichtert haben, über ihre Erinnerungen zu sprechen.
Bildungsarbeit gegen das Vergessen
Respekt für Griechenland e.V. mit Sitz in Berlin begann im Jahr 2019 den Dokumentarfilm öffentlich zu zeigen. In den anschließenden Gesprächen betonten Besucher*innen immer wieder, dass sie bislang nichts über das Wüten der deutschen Okkupanten in Griechenland gewusst hätten, und forderten »Der Film muss an Schulen gezeigt werden!« Nur wie macht man das, wenn das Thema weder in Schulbüchern, noch in curricularen Anregungen oder gar in administrativen Vorgaben zu finden ist?
Um die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg zu lenken, starteten wir einen inoffiziellen Modellversuch, ohne finanzielle Förderung, mithin zum Nulltarif. Hierfür hatte der Regisseur den Film von 101 Minuten auf 43 Minuten gekürzt. Von Herbst 2020 bis Januar 2023 zeigten 35 Lehrkräfte in über 50 Lerngruppen an 29 Schulen in 8 Bundesländern den Film, und zwar in Geschichte, Politischer Bildung, im Deutschunterricht sowie in verschiedenen AGs. Hinzu kommen zehn Vorführungen in der Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung. In ihren Rückmeldungen empfehlen die beteiligten Lehrkräfte und Schüler*innen den Film für den Unterricht ab der 10. Klasse. Offenkundig konnte der Film bei Lehrenden und Lernenden ein Interesse an der neuen Thematik wecken.
Gutes Begleitmaterial und kreative Ideen
Für eine zeitsparende Vorbereitung und als Unterrichtshilfe entwickelten wir zusammen mit Expert*innen ein vielseitiges Begleitmaterial. Es geht aus vom Massaker in Lyngiades, ordnet dieses historisch ein und gibt didaktische und methodische Anregungen, wie zum Beispiel eine Powerpoint-Präsentation als Einstieg, eine Navigationshilfe und Fragen für ein Unterrichtsgespräch. Das Begleitmaterial, das wir unter Beteiligung von Lehrkräften und Schüler*innen fortlaufend aktualisiert, ausgetauscht und ergänzt haben, wurde sehr gut angenommen.
Der entstandene Abschlussbericht besteht aus weit mehr als der Auswertung von Rückmeldungen zu vorgegebenen Fragen. Er enthält Erfahrungen von Lehrenden und Lernenden zur Arbeit mit dem Film bei unterschiedlichen Rahmenvorgaben. Berichtet wird über die Gestaltung einer Doppelstunde, über längere Unterrichtsreihen, über Fallbeispiele zu Problemfeldern, über Projekte bis hin zu einer Schüler*innenbegegnung in Athen. Zahlreiche Beiträge wurden von mitwirkenden Lehrkräften verfasst.
Inzwischen hat die Bundeszentrale für politische Bildung den Film und eine Auswahl aus dem Begleitmaterial in ihre Mediathek gestellt. Auch Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nahmen ihn in ihr Medienangebot auf. In Berlin wurde er bislang wenig verwendet. Es wäre schön, wenn sich das in Zukunft ändert.
Zugang zum Film über Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
Erfahrungsbericht
Begleitmaterial