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"Bausteine gegen Gewalt"

Das SIBUZ hilft

Alexandra Zwenzner ist Schulpsychologin im Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentrum (SIBUZ) in Reinickendorf. Im Interview mit der bbz beschreibt sie ihre Arbeit und Wirkungsmöglichkeiten im Bereich der Gewaltprävention.

Two boys confrontation
Two young boys confrontation during group therapy

Frau Zwenzner, Sie arbeiten als Schulpsychologin für Gewalt und Krisenintervention am SIBUZ Reinickendorf. Was sind Ihre Aufgaben?
Zwenzner: Es gibt in jedem SIBUZ eine Person wie mich, die für Krisen und Notfälle in ihrem Bezirk zuständig ist. Wir sind ein kleines Team, bestehend aus mir und einer Kollegin. Ich befasse mich hauptberuflich damit. Meine Kollegin hat zusätzlich zugeordnete Schulen und arbeitet die restliche Zeit in meinem Bereich mit. Wenn es größere Krisen gibt, dann aktivieren wir das überregionale Team. Mindestens einmal im Monat tauschen wir uns überregional aus.

Grundsätzlich sind wir für die psychologische Beratung und Unterstützung der Schulen in Krisensituationen oder in Notfallsituationen zuständig. Wir bieten den Betroffenen Gespräche an und vermitteln Hilfen in der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen. Besonders wichtig ist uns auch, präventive Maßnahmen zu etablieren, indem wir die schulischen Krisenteams fortbilden und begleiten. Laut Schulgesetz ist Aufgabe des Krisenteams die Gewalt- und Krisenprävention in der Schule. Krisenteams können aus Schulpersonal und anderen geeigneten Personen bestehen.

Die Hauptaufgaben sind also, einerseits die akute Krisenintervention und andererseits die Prävention in Form von Fortbildung und Begleitung von Krisenteams.

Wir arbeiten eng mit dem Koordinator der schulischen Prävention in unserem SIBUZ zusammen, wenn es um Prävention geht.

Mit welchen Stellen kooperieren Sie und mit welchen Fällen haben Sie zu tun?
Zwenzner: Wir kooperieren je nach Fall zum Beispiel mit dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst oder den Erziehungs- und Familienberatungsstellen, auch nicht selten mit der Polizei. Das Jugendamt ist ein sehr wichtiger Kooperationspartner und natürlich auch die freien Träger. Die Erziehungs- und Familienberatungsstellen haben auch Notfallpsycholog*innen, die gerade in akuten Krisensituationen mit zur Verfügung stehen. Die Notfälle machen ja weder vor der Schule noch vor dem Familienleben halt.

Die Anfragen sind sehr vielfältig. Wir haben mit Gewaltvorfällen zu tun oder auch mit mitgebrachten Waffen, zum Beispiel Messern. Es wenden sich Lehrkräfte an uns bei suizidalen Äußerungen, die sie nicht einschätzen können. Besonders kritisch ist auch der Tod von Schulangehörigen. Das passiert nicht selten.

Welche Entwicklungen beobachten Sie in den letzten Jahren zum Thema Gewalt an Schulen?
Zwenzner: Ich arbeite seit elf Jahren in der Schulpsychologie und seit 2014 im Gewalt- und Krisenbereich. Schon damals war der Arbeitsbereich »Gewalt und Krise« immer sehr nachgefragt. Ich habe den Eindruck, es kommen im Laufe der Zeit neue Dinge dazu. Wir hatten vor zehn Jahren noch nicht so viel mit Cybermobbing zu tun wie aktuell. Zum Beispiel sind Fake-Accounts in den letzten Jahren erst dazugekommen. Aber auch die alten Dinge, die wir noch aus unserer Schulzeit kennen, kommen weiterhin vor. Konflikte und Aggressionen liegen in der menschlichen Natur und Schulen müssen damit umgehen.

Wer ruft denn genau bei Ihnen an? Wer wendet sich wann an Sie?
Zwenzner: Das ist auch sehr unterschiedlich. Bei schwereren Vorfällen rufen uns Schulleitungen an, manchmal die Schulaufsicht. Häufig habe ich mit Schulsozialarbeiter*innen Kontakt. Sie sind kompetente Ansprechpartner*innen und haben einfach andere Möglichkeiten als Lehrkräfte, auch im Einzelkontakt mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. In dringenden Fällen fahren wir direkt in die Schule. Ansonsten kommen Meldungen und Anfragen auch über E-Mail direkt an mich oder über das Sekretariat. Wir haben intern einen Ablauf, der vorgibt, was zu tun ist, wenn Meldungen eingehen. Aufgrund der hohen Arbeitsdichte im Gewalt- und Krisenbereich müssen wir immer auch nach der Dringlichkeit entscheiden und ob es Situationen gibt, die wir mit einer telefonischen Beratung lösen können.

Ich habe das Gefühl, dass die Schulen inzwischen aber auch viel besser auf Krisen und Gewaltvorfälle vorbereitet sind und wir sehr kompetente Krisenteams im Bezirk haben. Mitunter kann man Fragen in einem kurzen Telefonat zwischendurch relativ gut klären. Und wenn etwas Schlimmeres passiert ist, wissen sie, wohin sie sich wenden können.

Kommt es auch vor, dass sich Schüler*innen direkt an Sie wenden? Und wie sieht es mit Eltern aus?
Zwenzner: Wenn Schüler*innen Anliegen haben, wenden sie sich gewöhnlich erst an die Schulsozialarbeiter*innen oder eine Lehrkraft, die dann vermitteln. Von diesen werden wir dann kontaktiert und kommen in Absprache mit den Beteiligten auch an die Schule und sprechen mit den Kindern und Jugendlichen.

Eltern wenden sich häufig an uns, wenn es um das Thema Mobbing geht. Das passiert vor allem auch dann, wenn es kein Präventionskonzept gibt.

Kein Präventionsprojekt der Schule gegen Mobbing meinen Sie?
Zwenzner: Ja. Unsere Möglichkeiten der Intervention hängen auch mit den in der Schule verankerten Präventionskonzepten zusammen. Unser Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe, auch weil wir für alle Schulen im Bezirk zuständig sind.

Wenn sich Schulen überlegen, welches Präventionskonzept zu ihnen passen könnte, ist mein Kollege aus der schulischen Prävention der richtige Ansprechpartner. Jede Schule ist eigenständig und entscheidet selbst, was sie umsetzen möchte. Mein Kollege berät, baut auf Vorhandenem auf und erarbeitet mit den Schulen passende Konzepte. Manchmal empfehlen wir dazu auch Unterstützung von außen durch freie Träger.

Wichtig ist, dass Präventionskonzepte von der ganzen Schule getragen werden. In jedem Team gibt es Menschen, die anderes für sinnvoll halten. Damit muss jede Schule umgehen und das ist Sache der Schulleitung. Sinnvoll ist es, sich auf Klassen- und Schulebene über diese Maßnahmen abzustimmen.

Aktuell gibt es gerade bei uns am SIBUZ auch die Möglichkeit, dass sich Lehrkräfte zum Antimobbingkoffer fortbilden, der für die 7. Klasse konzipiert ist und beispielsweise Material für eine Projektwoche zu dem Thema enthält.

Was brauchen Sie, um Schulen gut unterstützen zu können?
Zwenzner: Das allerwichtigste ist ein funktionierendes Krisenteam. Ein Krisenteam, das sich regelmäßig und anlassbezogen austauscht, in dem es klare Aufgaben gibt und die Rolle von jedem Krisenmitglied deutlich ist. Und natürlich die Etablierung eines Präventionskonzepts, auf das wir aufbauen können und in das wir im Zweifelsfall auch eine psychologische Intervention einbetten können. Wenn wir wissen, an der Schule läuft zum Beispiel schon ein Klassenrat oder sie setzen sich regelmäßig zusammen und besprechen ihre Regeln und auch die Konsequenzen, wenn es Regelverstöße gibt, können wir ganz anders agieren. Auf Grundlagen aufzubauen ist sehr viel sinnvoller als eine kurzfristige Intervention. Das ist nicht nachhaltig. Ich halte mehr von langfristigen Konzepten und dass die Schulen langfristig in die Prävention einsteigen.

Ganz herzlichen Dank!    
 

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46