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Schwerpunkt "Ankommen nach der Flucht"

Das Unmögliche möglich machen

Die Ehrenamtlichen von »Neukölln hilft – Kunterbuntes Neukölln« unterstützen Geflüchtete bei der Wohnungssuche. Wegen der vielen Hürden ist dies oft sehr frustrierend.

Foto: Adobe Stock

Wer in den letzten Jahren in Berlin nach einer erschwinglichen Wohnung suchte, rannte gefühlt einem Lottotreffer hinterher. Doch in der Lotterie hat jedes Los die gleiche Chance. Das ist bei der Wohnungssuche leider nicht der Fall. Und da kommen Ehrenamtliche wie ich ins Spiel, die beim Glück ein wenig nachhelfen können.

Manche Geflüchtete erhalten einen Termin zu einer Wohnungsbesichtigung, scheitern allerdings hier sehr oft an ihrer Hautfarbe oder Herkunft. Aber machen wir uns nichts vor, die Diskriminierung findet lange vor der Einladung zu einer Wohnungsbesichtigung statt. Meine Arbeit als Ehrenamtlicher ist also davon gekennzeichnet, dass ich auf der einen Seite Geflüchtete bei der Wohnungssuche und dem Schreiben von Anfragen unterstütze und auf der anderen Seite sie auch immer wieder solchen diskriminierenden Erfahrungen aussetze.

Die Hoffnung bleibt auf der Strecke

Eher zufällig hat sich mein Fokus auf (afrikanische) Geflüchtete ergeben, die vom Asylsystem ausgegrenzt und zermürbt werden. Integrations- und Sprachkurse werden diesen Geflüchteten meist gar nicht oder erst nach vielen Jahren erlaubt. Sie können sich zwar im persönlichen Gespräch auf bewundernswerte Weise verständigen, haben aber natürlich große Schwächen beim Lesen und Schreiben. Im schlimmsten Fall erhalten sie lange keine Arbeitserlaubnis und sind deswegen über Jahre zur Untätigkeit verdammt. Sie verfügen über keinen Aufenthaltstitel, aus dem sich ein Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis ableiten lässt. Die Gestattung einer Arbeitsaufnahme ist eine Ermessensentscheidung, die von Ausländerbehörden leider oft sehr restriktiv ausgelegt wird.

Dadurch geht vielen der Glaube verloren, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Diese Geflüchteten verweilen zudem oft eine lange Zeit in Gemeinschaftsunterkünften oder zweifelhaften WGs. Der Wunsch nach einer eigenen Wohnung ist demnach groß, allerdings fühlen viele sich angesichts des schwierigen Berliner Wohnungsmarktes ohnmächtig.

Bürokratische Hilfen mit vielen Tücken

Schon das Beantragen eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) ist schwierig. Die Geflüchteten arbeiten häufig für ausbeuterische Unternehmen und Zeitarbeitsfirmen. Für einen WBS ist eine Einkommensbescheinigung vom Arbeitgeber notwendig, die meist nur auf mehrmaliges Anfragen und Nachhaken ausgestellt wird.

Und selbst wenn man alle Unterlagen beisammenhat, ist Vorsicht während der Antragsstellung beim Wohnungsamt des Wohnbezirks angebracht. Wer von Zwischenmiete zu Zwischenmiete tingelt und sich stets brav ummeldet, erlebt rasch, dass WBS-Anträge fröhlich zwischen den Bezirken hin und her geschickt werden und auf dem Postweg auch gerne verschollen gehen.

Oft kommen Geflüchtete zu mir, die bereits am WBS gescheitert sind und das Projekt Wohnungssuche auf-gegeben haben. Sie bleiben dann oft in ihren winzigen WG-Zimmern, wo sie mit überteuerten Mieten das Auskommen des Hauptmieters finanzieren.

Wohnungssuche ist ein Knochenjob

Wer endlich einen WBS in Händen hält, wähnt sich häufig schon am Ziel. Da muss ich anfangs immer den Balanceakt zwischen Optimismus und Euphoriebremse hinbekommen. Doch wenn auch die dreißigste Anfrage bei städtischen Wohnbaugesellschaften wie HOWOGE oder degewo auf Ablehnung stößt und man nicht einmal die Chance zur Wohnungsbesichtigung erhält, ist Ernüchterung oder schlimmer noch Verbitterung angesagt. Unterstützung bei der Wohnungs- und Zimmersuche ist ein Knochenjob, weil auf hunderte Absagen vielfach nicht ein Erfolgserlebnis kommt. Nichts scheint einfach und alles wirkt kompliziert.

Tatsächlich steckt der Teufel in vielen Details. Der WBS ist einkommensabhängig in verschiedenen Abstufungen. Und selbstverständlich lässt sich nicht jede Wohnung mit jedem beliebigen Schein anmieten. All dies gilt es, Geflüchteten zu vermitteln, damit die Suche möglichst selbstständig und bedarfsorientiert erfolgen kann. Sobald diese Facette deutscher Bürokratie vermittelt wurde, sind zunehmend meine Soft Skills gefragt. Denn wenn bei der Wohnungssuche Wochen und sogar Monate ohne Glückstreffer vergehen, muss ich Zuversicht vermitteln, ohne falsche Hoffnungen zu schüren.

Netzwerke können hilfreich sein

Als Teil von Neukölln hilft – Kunterbuntes Neukölln nutze ich die Reichweite, um immer wieder über soziale Medien wie Facebook und Twitter nach Zimmern oder Wohnungen zu fragen. Denn es scheint noch immer am einfachsten, eine Wohnung oder ein Zimmer als Nachmieter*in zu übernehmen.

Doch habe ich längst den Eindruck gewonnen, dass auch auf dieser Schiene die Erfolgschancen überschaubar sind. Umso mehr überrascht es mich sehr positiv, wie viele Zimmer und Wohnungen nun geflüchteten Frauen und Kindern aus der Ukraine zur Verfügung gestellt werden. Zugleich stelle ich mir die Frage, ob und womöglich warum all diese Unterkünfte vorher ungenutzt waren.

Bei der Suche nach Wohnraum zu helfen, bedeutet nicht selten den Versuch, Unmögliches möglich zu machen. Ehrenamtlich tätigen Menschen habe ich lange davon abgeraten, weil es nicht die Aufgabe des Ehrenamts sein kann und soll, die Grenzen der eigenen Frustrationstoleranz auszuloten.

Zugleich wird einem angespannten Wohnungsmarkt in Berlin durch den Krieg in der Ukraine weitere Spannung zugeführt. Der Themenkomplex Unterbringung und Wohnungssuche wird Berlin mehr denn je beschäftigen, daran ändern auch groß angekündigte Bauoffensiven nichts. Wer der Überzeugung ist, dass nicht allein Geldmittel oder Beziehungen darüber entscheiden sollen, ob der Traum von menschenwürdiger Unterbringung verwirklicht werden kann, sollte bitte nicht untätig sein. Es gibt viele Vereine, die sich aktiv auf die Vermittlung von Wohnraum spezialisiert haben. Als Beispiel wäre die AG Wohnungssuche des Bündnis Neukölln zu nennen. Auch wir von Neukölln hilft sind für konkrete Wohnungsangebote äußerst dankbar. Jede noch so kleine Hürde, die auf dem Weg zur Erfüllung dieses Traums beiseite geräumt wird, ist und bleibt eine Hürde weniger!

Mehr Informationen zur Ukraine in unserer bbz Ausgabe Mai-Juni/2022 ab Seite 42 und auf www.gewberlin.de/ukraine

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46