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Schwerpunkt "Demokratie und Hochschule"

Demokratie braucht gute Arbeitsbedingungen

Im neuen Berliner Hochschulgesetz sind zahlreiche gute Ansätze enthalten, um Demokratie zu fördern. Regelungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen stoßen dagegen auf hartnäckigen Widerstand.

Was verbirgt sich hinter der Rede von der Demokratischen Hochschule eigentlich genau? Die gleichnamige AG hat es in ihrem 2019 vorgelegten Abschlussbericht auf eine knappe Formel gebracht: »Zu den handlungsleitenden Prinzipien für eine demokratische Hochschule gehören Geschlechtergerechtigkeit, Diversity und Antidiskriminierung, gute Arbeitsbedingungen und Partizipation«.

Die Gruppe, der auch einige Expert*innen der GEW BERLIN angehörten, war im September 2017 vom Berliner Senat einberufen worden und damit beauftragt, Vorschläge zur Verbesserung der Demokratie und Partizipation an den Universitäten zu erarbeiten. Das sollte nicht zuletzt mit Blick auf die damals anstehende Überarbeitung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) passieren, das mittlerweile in neuer Fassung verabschiedet wurde.

Und tatsächlich enthält der Gesetzestext Neuerungen, die auf die Anregungen der AG zurückgehen dürften und einen Schritt auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung und Gleichstellung darstellen. So findet sich etwa ein klares Bekenntnis zur Förderung diskriminierungskritischer Lehre und Forschung.

Jenseits der Lehrinhalte soll das Personal außerdem unterstützt und angeleitet werden, ein »diskriminierungssensibles und gleichberechtigtes Lehr- und Lernumfeld zu schaffen«. Darüber hinaus hat jede Hochschule nun eine Beratungs- und Beschwerdestelle einzurichten, die den zuständigen Organen der Hochschule insbesondere bei der Entwicklung von Studiengängen und in Berufungsverfahren, also bei der Einstellung von Professor*innen, aber auch in Einzelfällen beratend zur Verfügung steht.

Schließlich sind die Hochschulen angehalten, ein Konzept für Antidiskriminierung und Diversität zu erarbeiten: »Dazu gehört auch die Analyse von Benachteiligungen, die Ermittlung ihrer Ursachen und die Umsetzung von Maßnahmen zum Abbau von individuellen und strukturellen Barrieren«, wie es im Gesetzestext heißt.

Betroffene nicht allein lassen

Die Ausgestaltung der Stellen und Konzepte obliegt den Hochschulen. Hier gilt es in der nächsten Zeit genau hinzusehen und darauf zu drängen, dass die Umsetzung schnell erfolgt und neben der Dimension von Geschlecht beziehungsweise geschlechtlicher Identität endlich auch Rassismus und soziale Herkunft als Faktoren von Diskriminierung und Ausschluss stärker ins Blickfeld der Gleichstellungsbemühungen rücken.

Wichtig wäre vor allem, dass in den Antidiskriminierungs- und Diversitätskonzepten Instrumente erarbeitet werden, die den Benachteiligten die Verantwortung abnehmen, selbst durch Beschwerde oder das Einholen von Beratung aktiv zu werden. Nötig sind vielmehr Angebote, die diese Personengruppen fördern und ermächtigen – einerseits, weil Einzelfalllösungen strukturelle Ungleichbehandlung in der Regel nicht aufbrechen, andererseits, weil das Bewusstsein für Benachteiligung oft erst geschaffen werden muss.

Wer Ausschluss als individuelles Problem oder gar eigenes Versagen wahrnimmt, ist schließlich auch nicht in der Lage, von Beschwerdestellen zu profitieren. Bitter ist, dass es mit dem Mentoringprogramm »First Gen« an der Humboldt-Universität in dieser Hinsicht bereits einen vielversprechenden Ansatz gab, der allerdings der fehlenden Finanzierung – oder anderen Prioritäten – zum Opfer fiel. Die Unterstützung von Erstakademiker*innen obliegt an der Exzellenz­universität nun allein ehrenamtlichen Initiativen.

Prekarität gefährdet Partizipation

Der größte Hund liegt allerdings woanders begraben, denn Gleichstellung, Diversity und Antidiskriminierung sind eben nicht die einzigen Komponenten einer demokratischen Hochschule. Sie sind Teil der Schlüsselfaktoren Gute Arbeit und Partizipation, denn solange übermäßige Befristung und unsichere Perspektiven im Falle des Mittelbaus und ungerechte Entlohnung im Falle einiger Mitarbeiter*innen in Service, Technik und Verwaltung nicht endlich durch wirkungsvolle Reformen behoben werden, sind es vor allem Personen ohne finanzielles Sicherungsnetz, die ausgeschlossen werden.

Die Realität knapper finanzieller Ressourcen überschneidet sich dabei nicht zufällig häufig mit Migrationserfahrung oder spezifischer sozialer Herkunft. Besonders betroffen von diesen Ausschlussmechanismen sind auch Universitätsangehörige ausländischer Herkunft, deren Aufenthaltsstatus an einen Arbeitsvertrag gebunden ist.

Wer einer befristeten Stelle nach der nächsten nachjagen muss und ständig mit neuen Bewerbungen beschäftigt ist, hat für ein Engagement in den Gremien der Hochschulen in der Regel schlicht keine Zeit. Durch die hohe Fluktuation leidet zudem die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen. Auch die Konfliktfreude ist weniger ausgeprägt, wenn die Verlängerung der Stelle periodisch in kurzer Folge auf dem Prüfstand steht. Dabei bezeichnet die AG Demokratische Hochschule Konflikte als wesentliche Impulsgeber für gesellschaftliche Entwicklungen und sie austragen zu können als Merkmal einer »demokatische[n] Hochschule als Hochschule in der Demokratie«.

Unis stellen sich quer

Auch hier hatte das neue Berliner Hochschulgesetz mit einer erfreulichen Verbesserung aufgewartet, die die Befristung von Verträgen im Mittelbau einschränken und damit erstmals klare Perspektiven schaffen soll, wie Wissenschaft auch außerhalb einer Professur dauerhaft als Beruf ausgeübt werden kann.

Der massive Druck der Hochschulleitungen vor allem von Freier und Humboldt-Universität hat diesem Vorstoß in einer Novellierung des Gesetzes den progressiven Geist in mancher Hinsicht ausgepresst. Der Umgang mit den eigenen Beschäftigten, deren Stellen dem politischen Konflikt mutwillig geopfert wurden, die fehlende Kommunikation der Vorgänge und die Tatsache, dass Betroffene in ängstlicher Hoffnung, doch noch ihren Arbeitsplatz behalten zu dürfen, nicht wagten, öffentlich Kritik zu üben zeigt, wie es um die demokratische Hochschule in Berlin bestellt ist.

Wirkungsvolle Gleichstellung, Gerechtigkeit, Antidiskriminierung und Diversity und die Partizipation    aller Hochschulangehörigen kann ohne gute Arbeitsbedingungen nicht erreicht werden. Demokratische Hochschule wird erst erreicht, wenn das Zusammenspiel dieser Faktoren austariert ist. Es bleibt viel zu tun.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46