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bbz 04-05 / 2018

Der Ärger ist vorprogrammiert

Das Modell der Senatsbildungsverwaltung für ein eigenständiges Fach Politik geht auf Kosten der Fächer Geschichte, Geographie und Ethik.

Es begann mit dem Landesschülerausschuss: Schon seit mehreren Jahren verlangten Berlins Schüler*innen Politik als benotetes Schulfach statt der häufig nicht mehr auffindbaren Anteile Sozialkunde im Geschichtsunterricht. Eine Erhöhung der Stundentafel wurde aber gleichzeitig auch von diesem Gremium wegen der durch Schulzeitverkürzung erhöhten Wochenstunden abgelehnt. Der berechtigte Wunsch der Schüler*innen fand schließlich Eingang in das Koalitionsabkommen des rot-rot-grünen Berliner Senats. Dazu hieß es in einer GEW-Presseerklärung im Mai 2017: »Die Stärkung der politischen Bildung in der Schule ist ein berechtigtes Anliegen, das wir ausdrücklich unterstützen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Einführung eines neuen Schulfaches der richtige Weg ist«, sagte der Vorsitzende der GEW BERLIN, Tom Erdmann.

Erdmann sah die Gefahr einer weiteren Zerstückelung der Stundentafel. »Viele kleine Fächer mit wenigen Stunden fördern nur Schubladendenken, statt vernetztem Lernen. Dies ist nicht zeitgemäß und steht auch im Gegensatz zum aktuellen Rahmenlehrplan, der fächerverbindendes und fächerübergreifendes Lernen vorsieht«. 
Nach Einschätzung der GEW BERLIN sollte der erste Schritt zur Stärkung der politischen Bildung in einer breiten Diskussion über eine zeitgemäße gesellschafts-wissenschaftliche Bildung liegen, bei der alle Betroffenen einbezogen werden.


Die Arena um den Stundenkampf ist eröffnet

Genau diese breite Diskussion erstarrte, als im Juni 2017 die Schüler*innen nach der Beratung durch die Bildungsverwaltung den Fachverbänden von Politik, Geschichte, Geographie, Ethik und Philosophie sowie dem Bündnis Pro Ethik vier »Lösungsvorschläge« mit einer Extrastunde Politik vorlegten, die alle eine Stundenkürzung beim Ethikunterricht vorsahen. Alle Fachverbände wandten sich gegen eine solche »Kannibalisierung« der sogenannten GeWi-Fächer und forderten eine Zusatzstunde; kurz darauf auch in Form einer Petition an die Bildungssenatorin.

Ihr Staatssekretär Mark Rackles lenkte bei einer Sitzung im Oktober 2017 zwischenzeitlich ein und erklärte, dass »eine Kürzung des Faches Ethik nicht zur Debatte steht«. Vielmehr werde geprüft, wie in der Sekundarstufe »Profilstunden zur Umverteilung« herangezogen werden könnten und ob eine Kontingentlösung mit wechselnder Stundenzahl in den Jahrgängen sinnvoll sei.
 Darauf wandten sich im Januar 2018 alle Fachverbände außer dem für Politik in einem Brief gegen die Kontingentlösung als Bildungsföderalismus auf Schulebene.

Genau so kam es dann aber trotzdem. Nach der Beratung mit der Vereinigung der Oberstudiendirektor*innen , die die Nutzung von Profilstunden und eine Stundenerhöhung kategorisch ablehnte, stellte Senatorin Scheeres im Beisein der Schüler*innenvertetung aber ohne die Fachverbände der Presse ihr Modell vor. Dieses sieht verbindlich die eine Stunde Politik als ausgewiesene Zeugnisnote und die Kontingentlösung vor. Die Schulkonferenzen sollen nun über eine notwendige Kürzung bei Geschichte, Geographie oder Ethik entscheiden. Dabei ist nur Ethik zweistündig und den Schulen wird mit einem wahren »Akt der Demokratie« der schwarze Peter zugeschoben zu entscheiden, welches Fach die Politikstundenanteile »finanzieren« soll.

Es dürfte klar sein, dass die Alternative, Geschichte oder Erdkunde zeitweise gar nicht im Unterricht anzubieten, unpassender erscheint, als die entsprechende zeitweilige Kürzung des zweistündigen Ethikunterrichts um eine Stunde. Dies kann auch als suggestives Angebot mit dem Minimum drei Stunden und dem Maximum vier Stunden für Ethik innerhalb der neuen Tafel für die Kontingentlösung deutlich entnommen werden. Die zu Recht geforderte bessere Zusammenarbeit der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer wird bestimmt entscheidend gefördert, wenn sich in den zuständigen Schulgremien die Fachvertreter*innen wie Gladiator*innen in der Arena zunächst wegen der Stundenzahl bekämpfen, bis einer blutig aus dem Ring gezogen worden ist.

»Eine Schwächung anderer gesellschaftswissenschaftlicher Fächer wäre fatal. Es braucht hier keinen politischen Aktionismus, sondern gut überlegtes Handeln mit Konzept«, bekräftigte Tom Erdmann im letzten Mai. Das ist bei diesem vorgestellten Schelmenstreich leider nicht ansatzweise zu erkennen. Die Fachverbände forderten demzufolge in einer Stellungnahme dass die »Stärkung der GeWi-Fächer aus den Profilstunden zu realisieren« sei und dass »das durch den Volksentscheid am 26. April 2009 demokratisch bestätigte Fach Ethik« quantitativ nicht anzutasten wäre. Die GEW BERLIN sollte sich deshalb für die langfristige Erhöhung des Stundenkontingent für den GeWi-Bereich ohne das Ausspielen der Fächer gegeneinander einsetzen.