blz 03 - 04 / 2013
Der Weg ist das Ziel
Rose-Marie Seggelke und Peter Sinram unterwegs mit dem Wohnmobil
Von Hundert auf Null in wenigen Monaten. Kaum wart ihr im Frühjahr 2011 aus dem Dienst und der Gewerkschaftspolitik ausgeschieden, hörte man kaum noch etwas von euch. Hat euch denn gar nichts gefehlt?
PETER: Nein, gar nichts. Es waren übrigens nicht Monate, nach einer Woche waren wir schon weg. Das hatten wir ja genauso geplant, wir wollten einen klaren und schnellen Trennungsstrich, um möglichst schnell unser Ruhestandsvorhaben in die Tat umzusetzen: Mit dem Wohnmobil durch die Gegend zu gondeln. Wir wussten vorher, worauf wir uns einlassen und haben gemerkt, das klappt wunderbar!
ROSI: Wir haben ja auch vorzeitig aufgehört und die Abschläge in Kauf genommen. Mir war schon wichtig, noch etwas anderes machen zu können im Alter, das Leben genießen, solange man es noch kann. Das kann alles so schnell zu Ende sein! Das macht mir schon zu schaffen. Also jeden Tag genießen, den wir unterwegs sein können.
Andere Leute sagen, im Ruhestand kommen sie endlich mal zum Lesen. Arno-Schmidt-Fan Sinram hat aber nun ausgerechnet seine Schmidt-Bücher mit Beginn der Pensionierung verkauft. Nichts mehr mit Lesen?
PETER: Na ja, ich habe einen großen Teil meiner Bibliothek verkauft oder verschenkt – ich lese das alles ja nicht nochmal! Und wenn man eine Alternative hat, die schöner ist als Lesen, und die haben wir, dann braucht man vieles nicht mehr.
Rosi, du bist seit 45 Jahren GEW-Mitglied, 1967 mit gerade 20 Jahren eingetreten. Wie kam das?
ROSI: Ich bin eingetreten damals, weil wir eine Fahrt mit der Handball-Uni-Mannschaft machen wollten, und da gab es für GEW-Mitglieder einen Zuschuss – immerhin 15 Mark. Die wollte ich mir nicht entgehen lassen. So bin ich Gewerkschafterin geworden. Ich hätte ja auch in den anderen Verein gehen könne, der hat auch einen Zuschuss angeboten, allerdings war der kleiner.
Also keine hehre politische Absicht sondern schnöder Eigennutz?
ROSI: Ja, ganz eigennützig. Aber natürlich gab es auch schon eine gewisse Beziehung zur Gewerkschaft, sonst wäre ich ja auch wieder ausgetreten. Aber man braucht eben auch immer einen kleinen Anreiz, um erst einmal einzutreten. Die GEW, damals hieß die noch BVL – Berliner Verband der Lehrer und Erzieher, macht es ja heute auch nicht anders, wenn zum Beispiel Referendare ein Begrüßungspaket bekommen, das ist dann schon mal mehr wert als diese 15 Mark damals.
Diese Kampagne mit den Werbegeschenken, die hast du ja auch maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Du hattest als erklärtes Ziel für die GEW, mehr junge Mitglieder zu gewinnen.
ROSI: Das hat auch viel Spaß gemacht, diese Zusammenarbeit mit Matthias Jähne und Susanne Fleck. Wir sind da sehr kreativ gewesen. Und das hat sich auch ausgezahlt, meine ich.
Dein anderes Ziel war, dass Gewerkschaftsarbeit auch Spaß machen muss. Ist dir das auch gelungen?
ROSI: Na ja, der Spaß hat sich manchmal in Grenzen gehalten. Aber ich habe auch immer versucht, mir die Sachen herauszugreifen, an denen ich richtig Freude hatte. Das war zum Beispiel die Organisation der Streiks. Da bin ich in die Schulen gegangen und habe mit den Leuten vor Ort geredet und gefrühstückt, das hat mit immer viel Spaß gemacht. Besonders gut habe ich in Erinnerung die Streiks des Jahres 2008, die wir mit der GdP und Verdi zusammen gemacht haben. Da haben wir ja fast das gesamte Jahr durch gestreikt und den Tarifvertrag hier in Berlin erstritten. Und wie schon gesagt waren wir damals sehr viel unterwegs und haben mit den Streikenden geredet, aber auch mit den Eltern. Das fand ich immer sehr wichtig. Auch die Besuche bei den Referendaren, wo wir dann unsere Infomaterialien verteilt und erste Kontakte geknüpft haben. Also dieser direkte Kontakt mit den Mitgliedern, der hat mir eigentlich immer am meisten gegeben.
Und was hat weniger Spaß gemacht?
ROSI: Natürlich die ellenlangen Sitzun-gen, nicht nur hier im Haus, sondern auch bei der Bundes-GEW oder bei den Sitzungen des DGB. Im Nachhinein muss ich schon sagen, dass dieser Aufwand sich kaum gelohnt hat, da ist doch oft wenig herausgekommen. Da waren Veranstaltungen mit Mitgliedern nicht nur spannender, sondern auch ertragreicher. Das war mir auch immer wichtiger, der direk-te Kontakt und Austausch. Gerade jetzt, wo ich in der Gewerkschaft nicht mehr aktiv bin, merke ich erst recht, dass vieles, was wir machen und gemacht haben, bei den Mitgliedern kaum bekannt wird.
PETER: Na, das ist aber nicht nur ein Problem der GEW. Ich glaube, dass dieses Problem alle Vereine und Organisationen haben. Wenn man an der Spitze arbeitet, dann findet man natürlich alles ganz wichtig, was man da sagt und beschließt. Aber geschätzte 95 Prozent der Mitglieder bekommen davon überhaupt nichts mit, für die sind andere Sachen viel wichtiger.
Erzählt mal von eurem neuen Leben. Fahrt ihr 360 Tage im Jahr mit dem Wohnmobil durch die Gegend?
ROSI: 360 Tage zwar nicht, aber doch den größten Teil des Jahres sind wir unterwegs. Nur im Winter sind wir hier in Berlin und pflegen in dieser Zeit unsere privaten sozialen Beziehungen. Da haben wir gut zu tun. Und alle wissen: Im Winter sind die da!
PETER: Weil wir so viel unterwegs sind, können wir auch nichts in der GEW oder anderswo machen. Es hätte mir zum Beispiel viel Spaß gemacht, Lesepate zu werden. Aber wenn man den größten Teil des Jahres weg ist, dann geht das nicht. Da muss ja schon eine gewisse Verlässlichkeit und Präsenz da sein. Vielleicht mal später. Und ich finde auch, dass die Jungen Alten hervorragende Sachen machen. Aber wenn man ein Dreivierteljahr unterwegs ist, kann man bei so etwas einfach nicht mitmachen.
Wie weit seit ihr denn eigentlich gekommen bei euren Reisen?
ROSI: Na, wir haben die deutschen Lande so ziemlich abgegrast, von Süd nach Nord, von West nach Ost. Und dann noch einige angrenzende Länder. Nächstes Jahr geht es aber über die Alpen nach Italien.
Und? Neue Erkenntnisse gewonnen?
PETER: Erst einmal die Erkenntnis, wie viel traumhaft schöne Orte und Gegen-den es in Deutschland gibt. Früher sind wir ja nie auf den Gedanken gekommen, im Sommer an die Mosel zu fahren. Da ging es ab in den Flieger und sonst wohin. Also, da hatten wir noch etwas nachzuholen. Ganz davon abgesehen trifft man da auch andere Menschen. Diese Wohnmobilanhänger sind ja so ein Völkchen für sich, da wird geguckt, gefachsimpelt, Informationen über gute Standorte ausgetauscht, Abenteuer erzählt. Das ist schon ziemlich anders als unser Umgang hier in Berlin.
So, jetzt die letzte Frage: Ihr habt euch jetzt noch einen Hund angeschafft, warum eigentlich?
PETER: Na, unsere Promenadenmischung soll ein Wachhund werden. Sowas ist nicht schlecht, wenn man mit dem Wohnmobil herumfährt. Und auch in Berlin ist es nicht schlecht: Da kommt man mehr raus – auch bei schlechtem Wetter.
Rosi, Peter, wir danken euch für das Gespräch!
Rosi Seggelke und Peter Sinram haben beide im November Geburtstag und sind Jahrgang 1947. Sie waren jahrelang als Personalräte aktiv und Rosi seit 1999 auch im Vorstand der GEW BERLIN. Zunächst war sie stellvertretende Vorsitzende und nach dem Wechsel von Ulrich Thöne zum Bundesvorsitzenden der GEW wurde sie 2005 Landesvorsitzende und Peter kam dann mit ihr in den Vorstand als Pressesprecher. 2009 haben die beiden geheiratet, 2011 sind sie in den Ruhestand gewechselt, 2012 den Hund Emmi angeschafft.