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Schule

Digitalisierung ist kein Garant für Schulerfolg

Das Saarland will Schulbücher ab der dritten Klasse durch Tablets ersetzen. Wirklich schlau ist das nicht.

Foto: IMAGO

Kultusministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) will im Saarland die bestehende Schulbuchausleihe ablösen und stattdessen Schüler*innen sowie Lehrkräfte ab der dritten Klasse mit Tablets und den nötigen Lernprogrammen ausstatten. Doch ganz so schnell wird diese Absicht wohl auch an der Saar nicht Realität werden. Selbst dort gibt es noch Schulen, die keinen Zugang zu einem leistungsfähigen Netzwerk haben und damit bislang vom digitalen Fortschritt abgehängt sind. Und ob die Kinder und Jugendlichen, die während der Corona-Hochphase durch ihre Lehrkräfte nicht erreicht wurden, zu Hause mit den modernen Medien eigenständig weiterarbeiten, kann selbst eine perfekte Medienausstattung nicht garantieren. Entscheidend für die Leistungsmotivation ist immer die persönliche Beziehung zwischen Kindern und ihren Lehrkräften. Aber selbst, wenn alle technischen Voraussetzungen für ein optimales digitales Lernen aller Kinder und Jugendlichen geschaffen wären, hätten wir denn dann deutlich bessere Lernergebnisse an unseren Schulen?

Der Ehrgeiz aller Kultusminister*innen im Bund und den Ländern ist zwar groß, aber ihr Sachverstand hält nicht Schritt. Nur vier von siebzehn Minister*innen haben auf Lehramt studiert, nur drei waren tatsächlich einige Jahre im Schuldienst tätig. Viele Sachverhalte belegen erhebliche Mängel im Bildungswesen, die auf mangelnde Kompetenz bei den Entscheidungsträger*innen hinweisen. Im internationalen Vergleich liegt das deutsche Schulsystem nur im hinteren Mittelfeld. Bundesweit fehlen aktuell annähernd 40.000 Lehrkräfte. Auch Schulleitungsstellen können nicht überall besetzt werden; in NRW beispielsweise ist etwa jede elfte Stelle vakant. Auch ausreichende Hilfe für die Schulen zur Integration 200.000 neuer ukrainischer Schüler*innen sind die Bildungsminister*innen schuldig geblieben.

 

Bildschirmmedien können schaden

 

Angesichts solcher Probleme wirkt die Ankündigung von Ministerin Streichert-Clivot reichlich überambitioniert. Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt, der nichts mit Personal und Schulausstattung zu tun hat: Eine zu lange Verweildauer vor Bildschirmmedien hat erhebliche, gesundheitlich schädigende Auswirkungen auf Kinder zur Folge, besonders im Alter vor der Pubertät. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) weist über ihr Portal »kindergesundheitinfo.de« darauf hin, dass im Grundschulalter eine Stunde pro Tag die durchschnittliche Höchstdauer sein sollte, für alle Medien zusammen, ob TV, Computer, Tablet, DVD oder Smartphone. Auch andere Organisationen geben ähnliche Richtwerte an. Die EU-Initiative »Klicksafe« empfiehlt für Kinder von elf bis dreizehn Jahren maximal rund zehn Stunden freier Bildschirmnutzung pro Woche. Es ist kaum begreifbar, wieso Bildungspolitiker*innen solche Warnungen nicht ernstnehmen. Menschen sind durch Bildschirme nicht zu ersetzen.

»Viele Medienangebote stellen einen Mehrwert für Kinder und Jugendliche dar, wenn sie mit einem maßvollen Konsum und einem sinnvollen Einsatz einhergehen«, können wir auf »dock.hkk.de« nachlesen, dem online-Magazin der Handelskrankenkasse in Bremen. Diesem Satz ist sicherlich zuzustimmen, aber schließt er nicht den vollständigen Ersatz von Lernmaterialien aus Papier durch Bildschirme geradezu aus? Nur noch auf Monitore zu schauen, anstatt mit Büchern und in Heften zu arbeiten, das hat mit »maßvollem Konsum« nichts mehr zu tun.

Eine gemeinsame Studie von DAK-Gesundheit und dem Universitätsklinikum  Hamburg-Eppendorf hat gezeigt, dass die suchtmäßige Nutzung von Computerspielen während der Corona-Pandemie um mehr als die Hälfte auf nun vier Prozent angestiegen ist. Pro Schulklasse ist ein Kind betroffen, insgesamt rund 220.000 in der Bundesrepublik.

Je mehr Zeit Kinder und Jugendliche mit elektronischen Medien verbringen, desto größer wird ihr Gesundheitsrisiko, nicht nur in Bezug auf Sucht, sondern auch für Bewegungsbilanz, Fettleibigkeit und soziale Kontakte. Selbst dann also, wenn die technischen Voraussetzungen für ein optimales digitales Lernen aller Kinder und Jugendlichen geschaffen wären, gibt es viele Gründe, warum die so fortschrittlich klingende saarländische »Bildungsinitiative« besser nicht erfolgreich verlaufen sollte – und das gilt für alle Bundesländer.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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