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bbz 06 / 2019

Durch mehr Kontrolle wächst noch nicht die Qualität

Seit 35 Jahren arbeiten Schulsozialarbeiter*innen in den berufsbildenden Schulen Berlins. Mit dem Anteil freier Träger stieg auch das Dokumentations- und Berichtswesen

Schulsozialarbeit an Berufsbildenden Schulen gibt es in Berlin in größerem Umfang seit 1984. Damals waren Sozialarbeiter*innen vor allem an einigen gewerblich-technischen Oberstufenzentren (OSZ) und an kleinen Berufsbildenden Schulen tätig. Die Zuständigkeit bezog sich ausschließlich auf den Berufsbefähigenden Lehrgang im 10. Schuljahr (BB10).

Es gab 22 Stellen bei der Abteilung Bildung in den Bezirksämtern. Einige Jahre später wechselte die Anstellung zum Senat von Berlin. Im Jahr 1993 wurden wir in eine höhere Gehaltsgruppe eingruppiert (aktuell TV-L E11). Der Senat erkannte einerseits die besondere, herausgehobene Schwierigkeit und ihre Bedeutung in unserer Arbeit an, zeitgleich fand eine Kürzung auf 16 Stellen statt.

Anfang der 2000er Jahre wurden außerdem die Stellenanteile der Sozialarbeiter*innen an einigen OSZ verringert und an andere OSZ vergeben, die bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Stelle hatten, so dass einige Kolleg*innen nun zwei Schulen betreuten mussten.

Einige Jahre später verschwand der BB10-Lehrgang von der Bildungs-Bildfläche. Im Jahr 2005 erarbeiteten wir daraufhin mit der Schulaufsicht ein Fachkonzept, das die Erweiterung unserer Aufgaben und Zuständigkeiten für andere Bildungsgänge und Problemlagen zum Inhalt hatte. Es wurden dadurch mehr Berufsbildende Schulen betreut. Gleichzeitig stieg die Anzahl der zu betreuenden Schüler*innen stetig an. Die Intensität der Betreuung musste aber zwangsläufig darunter leiden. Die Arbeitsbelastung erhöhte sich.

Weniger Geld bei freien Trägern

In den nachfolgenden Jahren kamen durch das Programm Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen auch immer mehr Sozialarbeiter*innen, die bei freien Trägern beschäftigt waren, an die Berufsbildenden Schulen. Das ist preisgünstiger, denn die Kolleg*innen erhalten die Vergütungsgruppe E 9. Darüber hinaus ist es auch flexibler, denn es stehen mehrere freie Träger für die Zusammenarbeit zur Auswahl.

Die bei freien Trägern beschäftigten Sozialarbeiter*innen sind einem strengen Kontrollsystem unterworfen, geprägt durch ein umfangreiches Dokumentations- und Berichtswesen mit jährlichen Kooperationsgesprächen zwischen Schulleitung und der Trägerleitung. Die Senatsangestellten mussten das bis 2014 überhaupt nicht. Und auch seitdem gelten für sie andere, weniger umfängliche Berichts- und Dokumentationsstrukturen. Diese erfassen lediglich den Bestand von Beratungen, Beratungsanlässen und Themen in den verschiedenen Bildungsgängen.

Das umfängliche Berichtssystem bei freien Trägern dient letztlich als Rechtfertigung und Begründung dafür, dass sie gebraucht werden und weiter Geld dafür im Haushalt bereitgestellt werden muss. Frei nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das Ganze nennt sich dann Evaluation und Qualitätsverbesserung.

Solche Kontrollen, pardon: Qualitätsverbesserungen, führt der Senat nicht alleine durch, sondern beauftragt dafür die Stiftung Sozialpädagogisches Institut Berlin (SPI). Dieser Träger gehört zum Landes-verband der Arbeiterwohlfahrt. Mit einer dort angesiedelten Koordinierungsstelle für alle Berufssozialarbeiter*innen der freien Träger fungiert sie als eine Art Dachverband, der die jährlichen Berichte und Dokumentationen bekommt, auswertet, reflektiert, evaluiert.

Für alle Sozialarbeiter*innen, beim Senat und bei freien Trägern, wurde ein gemeinsames Dachkonzept erarbeitet. Wenn es schon unterschiedliche Anstellungsformen und Eingruppierungsbedingungen gibt, dann doch wenigstens ein gemeinsames Handlungskonzept. Das Dokumentations- und Berichtswesen, dem einige der Kolleg*innen schon länger unterworfen waren und in dem sie sich selbst und ihre Tätigkeiten darstellen und evaluieren, sollte im Zuge dieser Angleichung nun auch auf die beim Senat beschäftigten Schulsozialarbeiter*innen übertragen werden.

Die Schulaufsicht machte uns die Hoffnung, auf diesem Wege mehr Sozialarbeiter*innenstellen bewilligt zu bekommen. Wir willigten schließlich ein, wenn auch mit großen Bedenken. Wir verfassen unsere Berichte aber nach wie vor nicht in dem Umfang wie die Kolleg*innen bei den freien Trägern, weil wir nicht dem Abrechnungssystem dieser Programmstrukturen unterliegen. So lehnen wir zum Beispiel Zielvereinbarungen ab, mit denen Ziele für die Sozialarbeit ein Jahr im Vorfeld bestimmt werden müssen und die am Ende des Jahres begutachtet werden. Die Kolleg*innen bei freien Trägern müssen dies tun und über die Erfüllung ihrer Ziele berichten. Sie werden jährlich von Schulleitung, Trägerleitung, Schulaufsicht, und dem SPI begutachtet. Sozialarbeit lässt sich nicht ein Jahr vorher durchplanen und muss auch nicht jedes Jahr neu erfunden werden.

Bessere Bedingungen für mehr Leute

Meiner Ansicht nach lässt sich die Qualität der Sozialarbeit nicht durch finanzkapitalistische Instrumente wie Zielvereinbarungen, jährliche Kooperationsgespräche und umfangreiche Berichte und Statistiken der eigenen Arbeit sinnvoll abbilden und verbessern. Die Persönlichkeit einer Person, die Art ihrer Ausbildung, die Rahmenbedingungen des Arbeitsplatzes, die wertschätzende Einstellung der Leitung zur Sozialarbeit bei angemessener Bezahlung und realistischem Fallschlüssel sind die Voraussetzungen einer guten Arbeitsqualität und zufriedenen Beschäftigten.

Die versprochenen neuen Stellen sind tatsächlich gekommen und damit die Ausweitung der Berufsschulsozialarbeit auf mehr Berufsbildende Schulen. Allerdings nicht in Senatsanstellung, sondern durch freie Träger.

Im Jahr 2017 beantragte die Schulaufsicht dann doch acht neue Stellen für beim Senat angestellte Sozialarbeiter*innen. Endlich kam die Einsicht der Anfänge zurück, mehr eigene Leute unter besseren Bedingungen einzustellen. Nur kamen diese Stellen im Haushalt niemals an und schon gar nicht als Personen in die Schulen. Was nicht ist, kann ja noch werden, dachte sich wohl die Schulaufsicht und hat für den nächsten Haushalt nun sogar zehn neue Stellen beantragt. Sollten diese Stellen tatsächlich den Weg in die Schulen finden, wären es insgesamt 26 Stellen. So viele gab es noch nie unter einer Senatsregie. Es wäre ein Anfang in die richtige Richtung.