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Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit

Ein Blick hinter die Kulissen der digitalen Pädagogik

Sylvia Werner und Swantje Frohriep sprechen mit uns über ihre Erfahrungen mit digitalen Tools im Kita-Alltag.

Foto: IMAGO

bbz: Sylvia, eure Einrichtung bezeichnet sich als »digitale Kita«. Wie kam es dazu und wie bist du mit den digitalen Tools in Kontakt gekommen?

Sylvia Werner: Die zunehmende Digitalisierung der Welt hat uns dazu bewogen, frühzeitig sicherzustellen, dass Kinder damit vertraut werden. Einige Kinder haben zu Hause keinen Zugang zu digitalen Geräten, andere nutzen sie zu oft oder zu unreflektiert. Wir möchten allen Kindern eine solide Grundlage für das Leben in der digitalen Gesellschaft schaffen. Dieses Bestreben begann bereits vor über 20 Jahren mit einem Computerkabinett. Im Jahr 2017 habe ich dann an einem Lab – einer interdisziplinären Denkwerkstatt – teilgenommen, das mein Arbeitgeber organisiert hat, um sich über neue digitale Möglichkeiten zu informieren und auszutauschen. Der Leitspruch unseres Geschäftsführers war damals: »Wenn kleine Kinder Smartphones freistreichen können und auch dürfen, müssen wir uns diesem Thema stellen«.

 

Du hast dich weiter damit beschäftigt und bist Multiplikatorin geworden?

Werner: Ja, genau. Nachdem ich bereits als Medienpädagogin tätig war, habe ich mich weitergebildet und bin nun auch für digitale Themen zuständig.

 

Wie sieht eure digitale Ausstattung aus?

Werner: Wir haben in unserer Kita verschiedene digitale Tools, die wir gezielt einsetzen. Zum Beispiel haben wir interaktive Sprachwände und Big Points, die die Kinder zum Sprechen, Singen und Interagieren anregen. Mit den Tiptoi-Stiften können sie interaktive Bücher erkunden, die ihnen spannende Themen näherbringen. Die Tablets bieten vielfältige digitale Lerninhalte, die wir je nach Bedarf und Interesse der Kinder auswählen. Die Leseeule Luka ist ein tolles Gerät, das die Kinder beim Geschichtenhören, -lesen oder -erzählen unterstützt. Und mit den digitalen Mikroskopen können die Kinder die Welt der Forschung und Experimente entdecken.

 

Swantje, wie ist es bei euch? Ihr seid noch relativ neu in dem Bereich, oder?

Swantje Frohriep: Ja, unsere Kita befindet sich aktuell noch in der Anfangsphase. Kürzlich haben wir an kids.digilab.berlin teilgenommen, einem Projekt zur frühkindlichen digitalen Bildung. Wir führen weiter, was wir dort angefangen haben, beispielsweise im Umgang mit iPads und Malrobotern. Neue iPads sind bestellt und die Kinder können sie nutzen, um eigene Geschichten zu gestalten und Fotos zu machen. Es ist erstaunlich, selbst die Zweijährigen wissen schon, wie man mit YouTube umgeht oder Lieder wechselt. Wir stellen uns dieser digitalen Welt. Wir setzen die Technologie bewusst und verantwortungsvoll ein. Wir haben zum Beispiel Robotermäuse, die die Kinder programmieren können. Das macht sehr viel Spaß. Ebenso nutzen wir Talker, das sind Sprachcomputer zur unterstützenden Kommunikation. Wir sind auch an einer Kita-App interessiert.

 

In letzter Zeit wird viel über Digitalisierung und neue medienpädagogische Ansätze gesprochen. Wie erlebt ihr diese Entwicklungen?

Frohriep: Medienpädagogik war bereits vor 20 Jahren ein Thema und ich war bei vielen Fortbildungen. Die Jüngeren haben jedoch noch ein ganz anderes Verständnis aufgrund ihres Aufwachsens mit Instagram und YouTube. Die Kluft zwischen den Generationen ist deutlich spürbar.

Werner: Es gibt jedoch auch junge Menschen ohne Interesse an digitalen Themen und ältere Menschen, die sehr versiert sind. Es hängt stark von den individuellen Interessen ab.

 

Welche digitalen Tools verwendet ihr im Kollegium für die Zusammenarbeit?

Frohriep: Wir nutzen bisher noch relativ wenige digitale Tools. Privat verwenden wir immer noch WhatsApp, allerdings für interne organisatorische Zwecke, nicht für kinderbezogene Inhalte. Dienstlich greifen wir auf ein Intranet zurück, auf dem wir Informationen für alle Bereiche bereitstellen können. Allerdings machen das bisher wenige Kolleg*innen. Die Kommunikation erfolgt größtenteils per E-Mail. Während der Corona-Zeit haben wir Zoom, Webex und Microsoft Teams für Meetings genutzt.

Werner: In unserem Team verwenden wir Microsoft 365 Office für die Kommunikation und Zusammenarbeit. Microsoft Teams nutzen wir für den Austausch, mit verschiedenen Kanälen für unterschiedliche Themen. Dort finden wir alles – von Handlungsabläufen im Kindergarten bis zu Studien- und Spätdienstaufgaben. Wir arbeiten immer noch daran, diesen Ablageort zu pflegen, zu sortieren und sicherzustellen, dass er von überall aus zugänglich ist.

 

Wie kommuniziert ihr mit den Eltern?

Werner: Wir nutzen KigaRoo, eine Eltern-App, mit der die Kinder an- und abgemeldet werden können. Außerdem schreiben wir einen monatlichen Newsletter, um die Eltern über den Kita-Alltag zu informieren. Manche Eltern bevorzugen die digitale Version der Aushänge, die wir vor den Gruppenräumen haben.

Frohriep: Während der Corona-Pandemie haben wir viel über Elternvertreter*innen und WhatsApp kommuniziert. Jetzt hängen wir auch wieder Aushänge aus und vieles ist wieder papierlastiger geworden. Es wäre schön, wenn wir mehr digitale Möglichkeiten nutzen könnten. Aber ich merke auch, dass wir durch den guten persönlichen Kontakt zu den Eltern oft direkte Gespräche führen und digitale Tools nicht mehr so nötig haben.

 

Wie sieht es mit dem Arbeitgeber aus? Welchen Nutzen hat er von der Digitalisierung?

Frohriep: Aktuell nutzen wir die Digitalisierung noch nicht intensiv. Allerdings bietet sie klare Vorteile, insbesondere in Bezug auf effiziente Kommunikationswege. Derzeit verwenden wir hauptsächlich mündliche Absprachen, obwohl der Arbeitgeber auch E-Mails schreibt. Für mich persönlich ist das Öffnen des Laptops morgens anstrengender als ein kurzer Gang ins Büro. Wenn wir jedoch alle Informationen auf dem Handy erhalten könnten, wäre das für alle Beteiligten praktischer. Sowohl Eltern als auch Mitarbeiter*innen könnten so stets auf dem Laufenden sein, selbst wenn sie zu Hause sind.

Werner: Dann gibt es wieder Rückmeldungen von Eltern, dass sie überflutet werden von E-Mails. Der Arbeitgeber hat bei uns was davon, weil wir uns auf den Weg gemacht haben, die Arbeitszeit digital zu erfassen. Mit KigaRoo werden die Eltern erreicht und auch die Mitarbeiter*innen, weil sie alle hinterlegt sind. Das muss alles erstmal eingepflegt werden, aber dann geht es ganz gut. Wenn die Leitung die Fachkräfte mit anklickt, erhalten wir auch die Mails, die die Eltern informieren. Manchmal kommt es vor, dass sie es vergisst. Insgesamt könnte die Digitalisierung dazu beitragen, Personal zu gewinnen und die pädagogische Arbeit zu unterstützen. Vielleicht ist es sogar ein Anreiz für Fachkräfte, sich für die Kita zu engagieren, wenn sie ein Arbeitstablet erhalten.

 

Nutzt ihr digitale Tools für die Dokumentation?

Werner: In naher Zukunft ist geplant, digitale Instrumente zur Beobachtung und Dokumentation in der Kita einzuführen. Wir wollen mit Kitalino arbeiten und befinden uns derzeit in der Vorbereitungsphase. Ich habe es mir bereits angesehen, und es bietet vorgefertigte Formulare für die Beobachtung der Kinder. Sobald wir alle Tablets haben, wird die Beobachtung der Kinder damit viel effizienter.

Frohriep: Ich möchte noch einen Aspekt ansprechen, der uns die Arbeit erleichtern könnte: die Erstellung von Dienstplänen. Wir machen das selbstständig. Dafür wünsche ich mir eine digitale Lösung, die allen zugänglich ist. Das würde nicht nur der Kitaleitung die Übersicht erleichtern, sondern auch das Zeit- und Urlaubsmanagement verbessern. Wie macht ihr das bei euch, Sylvia?

Werner: Wir nutzen eine eigene Plattform und App für die Arbeitszeitverwaltung, die von unserem Träger entwickelt wurden. Dort kann ich meinen Dienst und den der anderen sehen, aber nicht die kurzfristigen Änderungen.

Frohriep: Ich denke, es wäre ideal, wenn wir auch kurzfristige Änderungen im Dienstplan eintragen könnten. Das würde helfen, dass flexibler auf Krankheitsausfälle oder andere unvorhergesehene Situationen reagiert wird.

 

Inwieweit berücksichtigt ihr die Datenschutzgesetze und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Auswahl und Anwendung der digitalen Instrumente?

Frohriep: Erstmal müssen die Tools kommen, dann wird der Betriebsrat eingebunden. Das wird auf jeden Fall passieren. Da ist unser Chef hinterher. Bei Fragen wird auch die Rechtsabteilung zu Rate gezogen.

Werner: Wir sind datenschutzrechtlich sehr gut aufgestellt und schauen in alle Richtungen. In unserer Rechtsabteilung arbeitet eine Rechtsanwältin, die Schulungen zum Thema Datenschutz für alle Fachkräfte anbietet. Die Eltern fragen ebenfalls nach und sind achtsam.

 

In der Arbeit mit den Kindern gibt es sicher viele Situationen, in denen digitale Medien eine Erleichterung sind. Könnt ihr uns ein paar Beispiele nennen?

Frohriep: Ich finde es toll, wie die Kinder ihre eigenen Musikwünsche mitbringen. Sie erzählen mir von zu Hause, welche Lieder sie gerne hören, aber oft wissen sie nicht mehr, wie die heißen. Dann suchen wir gemeinsam im Internet nach Schlagwörtern, die sie sich gemerkt haben. Wenn wir die Lieder gefunden haben, hören wir sie uns zusammen an und singen mit. Das macht den Kindern viel Spaß und fördert ihre Sprachentwicklung. Ein weiteres Beispiel ist, wenn die Kinder neugierig nachfragen, wie die Stimme eines Wals klingt. Das im Internet nachzuschlagen und abzuspielen ist einfach genial. Es ermöglicht uns, den Kindern zu zeigen, wofür solche Medien da sind. Im Anschluss malen wir dann gemeinsam das Tier. Diese Verknüpfung ist für uns der größte Nutzen.

Werner: Das stimmt, digitale Medien sind eine Bereicherung zu den bestehenden Angeboten und ersetzen sie nicht. Bei mir in der Krippengruppe nutze ich oft YouTube Kids, um Kinderlieder zu finden. Dort gibt es eine große Auswahl an Liedern. Zum Beispiel haben wir neulich ein Lied über die Farben gehört und dazu gebastelt. Die Kinder lernen so spielerisch neue Wörter und Melodien.

 

Fortbildungen und digitale Medien. Geht das bei euch Hand in Hand?

Frohriep: Ich finde Inhouse-Fortbildungen gut, damit alle Kolleg*innen auf dem neuesten Stand sind, zum Beispiel bei Kita-Apps. Bei anderen digitalen Themen würde ich sagen, dass nicht alle teilnehmen müssen, sondern die, die Freude und Lust an verschiedenen kinderbezogenen Tools haben.

Werner: Wir haben auch viele Inhouse-Fortbildungen. Das digitale Thema rutscht allerdings oft nach hinten. Ich habe als Multiplikatorin die Aufgabe, die pädagogischen Fachkräfte zu schulen. Doch oft fehlt die Zeit und die Wissensspanne ist sehr groß.

 

Wie steht ihr persönlich zur Digitalisierung in der Kita? Was erhofft ihr euch davon und was bereitet euch Sorgen?

Frohriep: Ich sehe die Digitalisierung als eine Chance, um kurze Wege und schnelle Kommunikation zu ermöglichen, die Kinder in der heutigen Welt zu begleiten und immer wieder einen Bezug zu praktischen Tätigkeiten herzustellen. Ich habe keine großen Bedenken, solange wir die digitalen Medien sinnvoll und verantwortungsvoll einsetzen.

Werner: Ich mache mir Sorgen, dass einige Fachkräfte digital überfordert sind. Wir haben viele Bereiche, die digital funktionieren sollen. Eine Arbeitserleichterung kommt allerdings erst, wenn jemand zusätzlich da ist, der oder die die Kolleg*innen im Alltag begleitet, unterstützt und ihnen die digitalen Zugänge erleichtert. Hier fehlt eine neue Berufsgruppe. Für die Kinder finde ich die Digitalisierung eine Bereicherung, wenn sie vielfältig und kreativ genutzt wird. Ich beobachte immer noch, dass vieles nicht genutzt wird, weil die Fachkräfte sich nicht mal nebenbei die Tools beibringen können. Es fehlt die Zeit und jemand, der es ihnen zeigt und erklärt.

Frohriep: Wir profitieren noch von den Sprachfachkräften, die den Kindern viele digitale Angebote ermöglichen, wie zum Beispiel das Bilderbuchkino oder das Digi-Lab. Aber wenn sie wegfallen und der Personalschlüssel weiter knapp ist, dann wird es schwierig.          

Kontakt
Markus Hanisch
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