Berufliche Bildung
Ein eigenständiger Teil des Bildungswesens
Das neue Erwachsenenbildungsgesetz gibt öffentlichen und privaten Trägern einen sichereren Rahmen für Organisation, Finanzierung und Mitbestimmung.
Lange war es unsicher, ob das Erwachsenenbildungsgesetz (EBiG) in dieser Legislaturperiode endlich bewilligt werden würde. Über viele Jahre erstreckten sich dessen Vorbereitung und die Abstimmungsprozesse zwischen den Senatsverwaltungen, den Bezirken, den politischen Parteien und der Zivilgesellschaft. Am 7. Juni 2021 verabschiedete das Abgeordnetenhaus schließlich einstimmig bei Enthaltung der AfD das Gesetz. Am 1. August 2021 ist es in Kraft getreten.
Das Leitungsteam der Fachgruppe Erwachsenenbildung organisierte am 20. August 2021 im GEW-Haus eine Mitgliederversammlung zu diesem Gesetz. Rainer Krems, der mehr als zwei Jahrzehnte lang für die Volkshochschule (VHS) zuständiger Mitarbeiter bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und an der Entstehung des Gesetzes beteiligt war, sowie Cornelius Bechtler, Geschäftsführer von BiwAK e.V., Bezirksverordneter in der BVV Pankow, und im Bereich der politischen Weiterbildung tätig, konnten als Referenten gewonnen werden.
Bildungsangebote absichern
Im Gesetz ist niedergelegt, dass die Erwachsenenbildung »neben Schule, Hochschule und Berufsausbildung ein eigenständiger und gleichbedeutsamer Teil des Bildungswesens« ist. Sicher wird dieses Gesetz die Benachteiligung der Erwachsenenbildung im Vergleich zu den anderen drei Bildungssektoren nicht ausgleichen, aber es gibt der Erwachsenenbildung einen Rahmen. Im Gesetz werden die Anerkennung von öffentlichen und privaten Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die Bildungsberatung, die VHSn, die Landesdeszentrale für politische Bildung geregelt. Zudem führt das Gesetz einen Erwachsenenbildungsbeirat ein, der das für die Erwachsenenbildung zuständige Mitglied des Senats in allen Fragen der Erwachsenenbildung berät und aus Vertreter*innen der Politik und der Zivilgesellschaft besteht; ein Mitglied wird vom DGB entsandt. Außerdem verpflichtet sich die zuständige Senatsverwaltung, eine Statistik der Erwachsenenbildung zu führen und zu veröffentlichen.
Aus den Vorträgen bei der Mitgliederversammlung ist deutlich geworden, dass die Rahmenbedingungen der Erwachsenenbildung in Berlin speziell sind, weil die VHSn Einrichtungen der Bezirke sind, obwohl das Land die allgemeinen Regeln vorgibt. Seit der Einführung der Budgetierung der Bezirke im Jahr 2000 hat das Land für die VHSn kaum Steuerungsinstrumente mehr. Das führt auch in diesem Bereich zu Spannungen zwischen Land und Bezirken.
Da das Gesetz das Ziel verfolgt, die öffentlichen Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ihr Bildungsangebot abzusichern, entsteht für die Bezirke die Verpflichtung, an den VHSn mindestens den erreichten Status quo zu bewahren.
Durch die Einrichtung eines zentralen VHS-Servicezentrums setzt das Gesetz ein Novum durch: Das ist keine Selbstverständlichkeit, weil es eine Zwischenebene zwischen Land und Bezirken rechtlich sonst nicht gäbe. Auch für die privaten Träger der Weiterbildung ändert sich einiges zum Positiven: Es gibt einen Rechtsanspruch auf Beantragung öffentlicher Mittel, wenn ein Träger anerkannt ist. Erfolgreiche Anträge können es den Trägern der Erwachsenenbildung ermöglichen, mittelfristig zu planen. Die regelmäßige Organisation einer förmlichen Wahl von bezirklichen Vertretungen der VHS-Dozent*innen durch die VHS-Leitungen und deren Anerkennung ist ein weiterer erfreulicher Aspekt des neuen Gesetzes, während die auch von der GEW geforderten Wahlen von Vertretungen der Lernenden an der VHS keine Mehrheit fanden.
Vorgaben teilweise unscharf
Laut unseren Referenten sind die Defizite des Gesetzes hauptsächlich den Rahmenbedingungen zuzuschreiben: Für die Bezirke werden keine Mindestanforderungen bezüglich der Mittel, die sie den VHSn übertragen sollten, festgelegt. Obwohl die VHSn sehr unterschiedlich groß und ausgestattet sind, macht das Gesetz keine Vorgaben für die Personal- und Raumausstattung im Verhältnis zur Einwohnendenzahl.
Trotzdem stellt das Gesetz einen positiven Anfang dar. Vieles wird aber nicht geregelt, unter anderem die Höhe der Finanzierung der VHSn und die Struktur des Personals. Jetzt fängt die Phase der Umsetzung mit den ersten von den VHSn organisierten Wahlen zu den Kursleitenden-Vertretungen in den Bezirken an. Bezüglich des neu eingeführten Erwachsenenbildungsbeirates wird sich zeigen, ob er eine effektive Rolle spielen oder nur eine dekorative Funktion haben wird.