Erwachsenenbildung
Ein erschreckendes Bild
Die Zersplitterung von Erwachsenen- und Weiterbildung zieht erhebliche Konsequenzen für die Finanzierung nach sich.
Im Herbst 2024 fand im GEW-Haus eine Veranstaltung der Fachgruppe Erwachsenenbildung zum Thema »Finanzierung der Erwachsenenbildung« statt. Referenten waren Andreas Klepp (Vorstandsmitglied der Bundesfachgruppe Erwachsenenbildung der GEW), der die bundesweite Situation dieser vierten Säule unseres Bildungssystems erläuterte, und Rainer Krems von der Berliner GEW-Fachgruppe, der Berliner Spezifika, insbesondere die Volkshochschulen betreffend, ergänzte. Dabei wurde deutlich, wie zerklüftet und unübersichtlich der »Dschungel der Erwachsenen- und Weiterbildung« ist. Denn er vereint so unterschiedliche Bereiche wie das Bildungsangebot der Volkshochschulen, die Integrations- und Berufssprachkurse, den Zweiten Bildungsweg, Grundbildung und Alphabetisierung, Politische Bildung sowie Berufliche und Betriebliche Weiterbildung, die alle über sehr heterogene Finanzierungsquellen verfügen.
In einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden die im Ländervergleich schwache Institutionalisierung der Weiterbildung in Deutschland und das Fehlen einer klaren Systematisierung sowie eines gemeinsamen Rechtsrahmens bemängelt. Die GEW und andere Gewerkschaften fordern schon seit Langem ein Bundes-Weiterbildungsgesetz.
Betrachtet man die Finanzierung der Weiterbildung insgesamt, bietet sich ein erschreckendes Bild, zumal vor dem Hintergrund der Propagierung von lebenslangem Lernen und der von der Bundesregierung öffentlichkeitswirksam initiierten Nationalen Weiterbildungsstrategie. Verglichen mit den öffentlichen Mitteln für die anderen Bildungssektoren, die ohnehin in diesem Land seit Jahren unterfinanziert sind, tendiert der prozentuale Anteil für Weiterbildung gen Null.
Arbeit auf Honorarbasis oftmals prekär
Weiterbildung ist in extremem Maß privatisiert, sodass sogar in diesem Bereich tätige Honorarlehrkräfte ihre eigenen Fortbildungen selbst finanzieren müssen. Die zehn Jahre alte Forderung der GEW, dass die Bundesländer mindestens ein Prozent ihrer Bildungsausgaben für die Erwachsenenbildung bereitstellen sollten, ist bis heute von keinem Bundesland erfüllt.
Des Weiteren ging Andreas Klepp auf einzelne Bereiche der Erwachsenenbildung ein: Die ursprüngliche Drittelfinanzierung der Volkshochschulen jeweils durch das Land, die Kommune und die Teilnahmegebühren gibt es längst nicht mehr, denn vor allem die Länder haben sich dabei immer mehr zurückgezogen. Bei den vom Bundesinnenministerium finanzierten Integrationskursen ist es völlig unverständlich, dass trotz einer Prognose von 20 Prozent mehr Lernenden das Bundeskabinett nun die Mittel dafür um fast die Hälfte kürzen will.
Wenig bekannt ist die Situation der Lehrkräfte, die zu guten Teilen auf Honorarbasis zu einem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) festgesetzten Mindesthonorar arbeiten. Daneben gibt es aber auch eine nicht zu unterschätzende Zahl von angestellten Lehrkräften, deren Entgelte nirgendwo verbindlich geregelt, sondern gänzlich dem eigenen Ermessen der jeweiligen Kursträger ausgesetzt sind. Eine Unterrichtsbelastung von 40 Unterrichtseinheiten (UE) pro Woche oder sogar mehr ist dabei nicht selten. Daher fordert die GEW vom BAMF und dem für die Berufssprachkurse verantwortlichen Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine verbindliche Festlegung auf eine maximale Zahl von UE für eine volle Stelle, was bereits grundsätzlich akzeptiert wurde, sowie eine Vergütung in Anlehnung an den Tarifvertrag TVöD.
Beim Zweiten Bildungsweg gibt es von Land zu Land recht unterschiedliche Strukturen und Finanzierungsmodelle. Nur in wenigen Bundesländern wie Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen wird der Unterricht durch Angestellte im öffentlichen Dienst oder Beamt*innen durchgeführt. Andernorts wird dieser Bereich durch Gebühren für Lernende mitfinanziert und werden oftmals prekär beschäftigte Honorarlehrkräfte eingesetzt. Ebenfalls nach Bundesländern sehr unterschiedlich sieht es im Bereich der Grundbildung aus. Auch hier werden vielfach Honorarlehrkräfte eingesetzt. Ähnlich ist es bei der Politischen Bildung, wo feste Stellen zumeist projektgebunden befristet sind.
Die Berufliche Weiterbildung wiederum wird überwiegend durch die Bundesagentur für Arbeit finanziert, allerdings erfolgte hier seit 2004 ein erheblicher Kahlschlag durch die Hartz-Gesetze. Zahlreiche Weiterbildungsträger mussten deshalb Insolvenz anmelden. Bei den Vergabekriterien für die Träger zeigen sich heftige Widersprüche zwischen Preisgünstigkeit, Qualität und Standards. Für die hier Beschäftigten war der durch die DGB-Gewerkschaften erkämpfte Mindestlohntarifvertrag ein Meilenstein. Das Mindesthonorar bei den Integrations- und Berufssprachkursen resultiert aus einer Umrechnung des Mindestlohns.
Folgen der Sparpolitik und unsere Forderungen
Insgesamt lässt sich feststellen, dass der neoliberale Paradigmenwechsel seit den 1990er Jahren und die rigide Sparpolitik in allen Bildungsbereichen mit der Zunahme von Honorarkräften, befristet angestellten Projektmitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen anstelle fest angestellter Erwachsenenbildner*innen zu einer Deprofessionalisierung in diesen Bereichen führt. Um diesen Prozess aufzuhalten, fordert die GEW für Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung feste Anstellungen, klare Qualifizierungskriterien und angemessene Vergütungen. Das heißt: Masterstudium, Eingruppierung nach TVöD und maximal 25 UE bei einer 39-Stunden-Woche. Wenn Deutschland wirklich (Erwachsenen-)Bildung fördern will, muss deutlich mehr Geld dafür ausgegeben werden. Machbar wäre das, beispielsweise durch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Erhöhung der Zuweisung an die Kommunen durch Bund und Länder, ein Sondervermögen Bildung et cetera.
Die Zersplitterung des Bereichs der Erwachsenen- und Weiterbildung und die extreme Diversität ihrer Finanzierung hat Konsequenzen für die gewerkschaftliche Praxis, die es erschweren, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Deutlich geworden ist, dass wir für unsere Forderungen unterschiedlichste Ansprech- beziehungsweise Verhandlungspartner*innen haben: Bund, Länder, Kommunen, diverse Vereinigungen und einzelne Betriebe. Diese Unübersichtlichkeit erleichtert es diesen leider auch, ihre Verantwortung auf andere Stellen abzuschieben. Eine wesentliche Forderung ist daher die nach einer Institutionalisierung und Systematisierung der Weiterbildung in einem nationalen Weiterbildungsgesetz, das für diese einen verbindlichen Rechtsrahmen schafft. Gleichwohl ist die Wirksamkeit von einzelnen »Häuserkämpfen« nicht zu unterschätzen, wie Andreas Klepp abschließend betonte.
In Berlin gibt es bereits seit 2021 ein Erwachsenbildungsgesetz (EBiG). Das regelt zwar die Anerkennung und grundsätzliche Absicherung sowie die Aufgaben einzelner Einrichtungen wie der Volkshochschulen und der Landeszentrale für politische Bildung sowie einzelner Projekte und Programme, aber nicht die Höhe ihrer Finanzierung, so dass eine Reduzierung der Landesmittel durchaus rechtskonform wäre. Für die Grundbildung ist aktuell eine aus Landesmitteln finanzierte »Stiftung Grundbildung Berlin« geplant.
Die Berliner Volkshochschulen, deren rechtlicher Träger zwar das Land ist, deren faktische Träger jedoch die Bezirke sind, werden einerseits durch das Land Berlin finanziert, indem dieses den Bezirken in einem sehr komplexen Verfahren berechnete »Globalsummen« bereitstellt, über deren jeweilige Verwendung die Bezirke dann selbst entscheiden. Hinzu kommen andererseits Eigeneinnahmen, wie beispielsweise Bundesmittel für die Integrations- und Berufssprachkurse oder Teilnahmeentgelte. So stellen Honorar-anhebungen, wie sie in Anlehnung an den Tarifvertrag der Länder durchgeführt werden, für die Bezirke ein Problem dar, da diese Mehrausgaben von den Bezirken erwirtschaftet oder durch Senkung der Ausgaben in anderen Bereichen ausgeglichen werden sollen.
Weitere Infos zur Finanzierung der Erwachsenenbildung: hier