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Schwerpunkt „Am Limit. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz“

Ein Gespräch über psychische Gesundheit

Paula Meßler ist Psychologin und für die Eckhard Busch Stiftung tätig. Sie erzählt, wie der Podcast »Redseelig« zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen beiträgt und warum ein trialogischer Ansatz so wichtig ist.

Foto: Bertolt Prächt

bbz: Psychische Gesundheit ist ein Thema, das uns alle angeht, aber oft mit Vorurteilen und Tabus behaftet ist. Wie kam es zu der Idee, einen Podcast über psychische Gesundheit zu machen?

 

Paula Meßler: Der Podcast Redseelig ist 2020 in der Hochphase der Corona-Pandemie entstanden. Wir mussten viele Präsenzveranstaltungen absagen und haben uns gefragt, wie wir die Menschen trotz der Einschränkungen erreichen können. Ein Podcast ist leicht zugänglich und jederzeit abrufbar. Wir haben die Idee schnell umgesetzt und es hat uns von Anfang an viel Spaß gemacht.

 

Was hat Sie dazu inspiriert, sich speziell mit dem trialogischen Ansatz zu psychischen Krisen und Erkrankungen zu befassen?

 

Meßler: Trialog bedeutet der Austausch zwischen drei beteiligten Gruppen: den Betroffenen, den Angehörigen und den Expert*innen. Es geht um ein Gespräch auf Augenhöhe, bei dem alle voneinander lernen und ihr Wissen erweitern können. Wir möchten die Themen aus verschiedenen Blickwinkeln ansehen. Das ist ein Konzept, das wir in unserer Stiftungsarbeit grundsätzlich verfolgen.

 

Ich habe mir die Podcastfolgen zum Thema »Depression« und »Ernährung und seelische Gesundheit« angehört, welche ich bewegend und informativ fand. Wie wählen Sie Themen und Gäst*innen aus?

 

Meßler: Wir haben bisher 43 Folgen produziert und es gibt einige Themen, die besonders viel Anklang gefunden haben, wie zum Beispiel die Folgen über bipolare Störung oder Borderline aus Sicht eines Angehörigen. Wir merken, dass die Themen rund um Angehörige sehr aktuell und wichtig sind. Auch Themen aus Sicht der Betroffenen, wie Zwangsstörung und Schizophrenie wurden häufig gestreamed. Unsere Auswahl der Themen und Gäst*innen erfolgt nach verschiedenen Kriterien. Wir streben an, so viele verschiedene Aspekte wie möglich abzudecken und über eine breite Palette von psychischen Erkrankungen zu sprechen. Dabei berücksichtigen wir die Wünsche und Vorschläge unserer Hörer*innen.

 

Wie können Menschen, die mit psychischen Erkrankungen oder Krisen zu kämpfen haben, von Ihrem Podcast profitieren?

 

Meßler: Unser Podcast richtet sich an ganz viele verschiedene Zielgruppen: an Betroffene, Angehörige, Fachkräfte, aber auch an Menschen, die sich für diese Themen interessieren. Wir möchten aufklären, Wissen und Informationen verständlich vermitteln, sodass wir alle etwas voneinander lernen können. Wir wissen, wie verbreitet psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft sind und möchten mit dem Podcast einen weiteren Beitrag zur Entstigmatisierung leisten. Es kann sehr wertvoll und wichtig sein, zu wissen, dass man mit dem Erlebten nicht alleine ist und erfährt, an wen und wohin man sich wenden kann.

 

Gibt es spezielle Ressourcen oder Organisationen, die Sie empfehlen würden?

 

Meßler: Auf der Webseite der Eckhard Busch Stiftung finden sich zahlreiche Beratungs- und Hilfsangebote. Die Telefonseelsorge ist zum Beispiel rund um die Uhr erreichbar. Es gibt auch Chat-, Mail- und Online-Beratungen, die gerade während der Corona-Pandemie sehr gefragt waren. Darüber hinaus gibt es sehr gute Apps, die teilweise von den Krankenkassen übernommen werden. Jugendlichen steht beispielsweise die anonyme und kostenlose Nummer gegen Kummer zur Verfügung. Selbsthilfegruppen sind auch eine wichtige Anlaufstelle, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Viele Menschen wissen nicht, dass sie sich an ihren Hausarzt oder ihre Hausärztin wenden können. Der oder die kann dann eine Überweisung zu einem Facharzt oder einer Fachärztin ausstellen oder andere Hilfen vermitteln. In den Städten gibt es auch sozial­psychiatrische Dienste, die Beratung und Betreuung anbieten. Und dann möchte ich noch zwei Vereine nennen, die sich für psychisch erkrankte Menschen und ihre Angehörigen einsetzen: der Bundesverband der Angehörigen psychisch Erkrankter (BApK) und die Deutsche Depressionsliga e.V. Diese Organisationen leisten eine tolle Arbeit und bieten viele Informationen, Veranstaltungen und Videos auf ihren Websites an.

 

Was würden Sie Arbeitgeber*innen empfehlen, die daran interessiert sind, eine offene und unterstützende Kultur für Mitarbeiter*innen mit psychischen Erkrankungen zu schaffen?

 

Meßler: Wir haben eine Podcast-Folge zum Thema »Arbeiten oder Ausbildung mit psychischen Erkrankungen« gemacht, in der wir auch über die Wiedereingliederung nach einer Krise gesprochen haben. Wir finden es wichtig, dass Arbeitgeber*innen sich mit dem Thema auseinandersetzen. Denn psychische Erkrankungen sind weit verbreitet und einer der häufigsten Gründe für längere Abwesenheiten oder Fluktuation am Arbeitsplatz. Deshalb ist es sehr wichtig, dass es eine offene, wertfreie und sensible Kommunikation darüber gibt. Arbeitgeber*innen sollten sich selbst über psychische Erkrankungen informieren, lernen, Symptome zu erkennen und anzusprechen, Hilfe anbieten und sich mit Expert*innen austauschen. Natürlich sollte dabei immer die Vertraulichkeit gewahrt werden. Die Mitarbeitenden sollten sich wohlfühlen und das Gefühl haben, dass sie darüber sprechen können. Außerdem sollte man schauen, ob man Maßnahmen anpassen kann, um die Situation zu verbessern, zum Beispiel die Arbeitsbedingungen, die Arbeitszeiten oder die Arbeitsaufgaben. Das betriebliche Gesundheitsmanagement spielt dabei eine große Rolle. Es gibt auch Schulungen und Fachorganisationen, die die Wiedereingliederung fördern. Es gibt also viele Möglichkeiten, eine offene und unterstützende Kultur für Mitarbeiter*innen mit psychischen Erkrankungen zu schaffen.

 

Am Ende Ihrer Podcastfolgen fragen Sie Ihre Gäst*innen, was sie für ihre seelische Gesundheit machen.

 

Meßler: Das ist tatsächlich unsere letzte Frage in jedem Podcast, und wir erhalten immer sehr schöne Antworten darauf. Einige Beispiele sind: Zeit mit wichtigen Menschen verbringen, meine Haustiere knuddeln, Achtsamkeit praktizieren, mich bewegen und in die Natur gehen. Aber auch ganz konkrete Dinge wie Grenzen setzen, »Nein« sagen, oder mir etwas gönnen. Das sind für viele Menschen wichtige Ressourcen oder Kraftquellen, um ihre seelische Gesundheit zu stärken.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46