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Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit

Ein Kitajahr nach der Pandemie

Dieses Kitajahr ist besonders schwer. Oft ist nur die Hälfte des auf dem Papier vorhandenen Personals vor Ort. Pädagogische Angebote umzusetzen, ist zeitweise kaum möglich.

Foto: IMAGO

Die Ausfallzeiten bei Erzieher*innen sind hoch. Manche sagen, das läge daran, dass unsere Immunsysteme sich wegen der Masken und anderen Maßnahmen erst wieder an die Kitaviren gewöhnen müssten. Andere meinen, dass wir gar nicht mehr ans richtige Arbeiten gewöhnt seien, weil während der Pandemie im Durchschnitt viel weniger Kinder zu betreuen waren. Diese Meinung teilt man an der Basis in den Kitas nicht. In der Wahrnehmung der Kolleg*innen war die Pandemie keine Zeit der Erholung. Der tägliche Kampf um die Umsetzung der Maskenpflicht, die Kontrollen der Tests oder die Einhaltung der Hygienemaßnahmen waren anstrengend. Hinzu kamen Eltern, die arbeiten gehen wollten und auf ihre Verträge gepocht haben. Trotz coronabedingter Maßnahmen, die erschwerend regelmäßig anders umgesetzt werden mussten, sollten die Erzieher*innen pädagogisch wertvoll arbeiten. Um das zu ermöglichen, fielen der pädagogische Überbau, die Dokumentation, ebenso wie das Bearbeiten des Sprachlerntagebuchs dem Rotstift zum Opfer.

 

Traumberuf mit hohen Ausfallzeiten

 

Es entspricht nicht der Selbstwahrnehmung der Kolleg*innen, dass die vielen Ausfallzeiten zeigen, wie wenig belastbar sie sind. Pädagogisch läuft dadurch allerdings immer weniger. Aktivitäten, die man vor der Pandemie noch kannte, wurden nicht wiederbelebt. Kündigungen passieren in so einer Situation leider sehr häufig. Immer mehr Kolleg*innen berichten von ihrer Trauer darüber, in diesem Beruf unter diesen Bedingungen arbeiten zu müssen. Es war ihr Traumberuf, ihre Berufung. Nun würden sie jedem*jeder vom Erzieher*innenberuf abraten.

Die Politik weiß, dass sie schnell viele zukünftige Pädagog*innen für die Kitas aus dem Hut zaubern muss. 7.000 fehlen allein in Berlin. Wenn die Babyboomer*innen gehen, wird das Kitasystem kollabieren.

 

Was Erzieher*innen fordern

 

Die berufsbegleitenden Auszubildenden werden dennoch zu 100 Prozent vom ersten Tag an auf den Personalschlüssel angerechnet. Die nächste Senatsverwaltung sollte zumindest das erste Jahr für sie übernehmen und finanzieren. Somit wären die Träger und vor allem die Teams, in denen sie arbeiten, entlastet. Die nur teilweise refinanzierten Vor- und Nachbereitungszeiten und Anleiter*innengespräche führen zu immer mehr Frust, denn die Zeit dafür fehlt in der Gruppe. Wenn die Senatsverwaltung die Aufwertung der berufsbegleitenden Ausbildung als Ziel vor Augen hat, sollte sie wahrnehmen, dass die zur Verfügung gestellten Kompensationsmittel erstens sehr bürokratisch beantragt werden müssen und zweitens mitnichten zu weniger Kindern in der Gruppe führen. Eine Kitawoche in einer Gruppe mit Kolleg*innen in berufsbegleitender Ausbildung sieht weiterhin wie folgt aus: zwei Tage in der Schule, neunzehn bis vierundzwanzig Stunden in der Kita, davon fünf in Gesprächen bezüglich der Ausbildung. Darüber hinaus Teilnahme an pädagogischen Planungen im Kleinteam und Mitarbeiter*innenbesprechungen im Großteam. Die Praxis am Kind kommt derart kurz, dass es für immer mehr erfahrene Kräfte eine Zumutung darstellt, sich als Anleiter*in anzubieten.

 

Ein Personalschlüssel mit Ausfallzeiten von 40 Prozent

 

Immer häufiger ermöglichen Träger ihren Beschäftigten, sich in Arbeitsgemeinschaften mit anderen Kolleg*innen auszutauschen und sich weiterzuentwickeln. In der Praxis fällt die Teilnahme leider oft unter den Tisch, da das Personal spontan ausfällt und der Dienstbetrieb aufrechterhalten werden muss. Dabei hat der Senat den sinnvollen Schritt gewagt und Fachberatungen ins Leben gerufen, die sich um pädagogische Angebote und Austausch kümmern. Es braucht jedoch Lösungen, um diesen Austausch zu ermöglichen. Ein verbesserter Personalschlüssel, der nicht mehr von rund zwanzig Prozent Ausfall, sondern von vierzig Prozent ausgeht, wäre dazu vonnöten und käme der Realität etwas näher.

Die Ausfallzeiten werden oft durch Zeitarbeit kompensiert. Der ständige Wechsel der Zeitarbeitskolleg*innen kann aber nicht im Sinne des Berliner Bildungsprogrammes und dem Konzept von beständigen Bezugspersonen sein. Nicht nur Eltern sind von dem Konstrukt der Zeitarbeit genervt. Die Kinder gewöhnen sich daran, dass Fremde ihnen schnell mal die Nase putzen oder gar die Windel wechseln. Das ist kein Dauerzustand und sollte wieder zur Ausnahme werden. Ein Ausfall sollte übrigens nicht erst nach sechs Wochen mit neuem Personal kompensiert werden. Es braucht ab dem zweiten Tag einen Ausgleich durch weiteres Personal.

Schon jetzt werden Öffnungszeiten gekürzt, Belegungsstopps ausgesprochen, zeitweilig sogar Einrichtungen mit anderen Einrichtungen zusammengelegt oder gleich ganz geschlossen. Aber Berlin hat dennoch angeblich genügend Kitaplätze.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46