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Recht & Tarif

Ein Tarifvertrag für kleinere Klassen

Arbeitsentlastung ist für Lehrkräfte eines der drängendsten Themen. Im Januar 2021 haben wir eine Online-Umfrage unter allen angestellten Lehrkräften in der GEW BERLIN an allgemein- und berufsbildenden Schulen gestartet.

Weniger Lärm, weniger Vor- und Nachbereitung, weniger Korrekturaufwand – Entlastung entsteht durch kleinere Lerngruppen, so sagen nicht nur wissenschaftliche Studien, sondern auch die direkte Praxiserfahrung der Kolleg*innen. In kleineren Klassen bleibt mehr Zeit für die Kernaufgaben des Lehrer*innenberufs: Unterricht, Beziehungsarbeit, individualisierte Förderung. Kleinere Klassen sind das Ziel unseres Tarifprojekts Gesundheitsschutz. Indem wir kleinere Lerngruppen fordern, wollen wir den tarifrechtlichen Hebel an die Arbeitsbelastung legen.

Im Januar 2021 haben wir eine Online-Umfrage unter allen angestellten Lehrkräften in der GEW BERLIN an allgemein- und berufsbildenden Schulen gestartet. Wir wollten wissen: Wodurch fühlen sich die Kolleg*innen in ihrem schulischen Arbeitsalltag besonders belastet? Warum könnten kleinere Klassen sie entlasten? Ausführlich diskutieren wir die Ergebnisse derzeit in unterschiedlichen GEW-Gremien wie der Tarifkommission, dem Landesvorstand und den bezirklichen Vertrauensleutekonferenzen, damit sie Wirksamkeit entfalten können und das Votum der Kolleg*innen gehört wird. Auch in der bbz sollen die Ergebnisse in diesem Artikel skizziert werden.

Es geht um die Qualität unserer Arbeit

Gleich nach der Einladung zur Umfrage trudelten im Sekundentakt neue Ergebnisse ein. Der Rücklauf der Umfrage war unerwartet gut. 22 Prozent der eingeladenen Kolleg*innen schickten vollständig ausgefüllte Fragebögen ab. Dafür gilt euch unser ausdrücklicher Dank, liebe Kolleg*innen! Beeindruckend ist nicht nur die deutliche Sprache der Ergebnisse, sondern auch die ausführlichen Rückmeldungen von zahlreichen Kolleg*innen in den freien Antwortfeldern. Das Tarifprojekt erhält in diesen Rückmeldungen viel Dank und Lob, nur wenige Kolleg*innen fordern stattdessen die Verbeamtung oder eine Reduzierung der Pflichtstunden. Kurzer Exkurs: Die Verbeamtung ist in Berlin eine Nebelkerze und kein Mittel zur Entlastung oder gegen den Fachkräftemangel. Die Reduzierung der Pflichtstunden können wir nicht erstreiken. Darum gehen wir den Weg zur Entlastung über die Klassengröße.

Zusammengefasst verdeutlichen die Ergebnisse der Umfrage: Den Kolleg*innen geht es ums Ganze, um die gute Bildungsqualität der Schüler*innen und ihre eigene Gesundheit! Die Klassengröße ist dabei ihrer Meinung nach die wirksamste Stellschraube.

Die Kolleg*innen nahmen »große Lerngruppen« mit 67,9 Prozent Zustimmung (trifft zu) als wichtigsten Belastungsfaktor wahr, weit vor Personalmangel (46,6 Prozent), schlechter technischer Ausstattung (45,5 Prozent) oder Lärm (45,1 Prozent). Das Belastungsempfinden unterscheidet sich erwartungsgemäß nach Schulform. Aspekte wie Korrigierarbeiten werden von Kolleg*innen an Gymnasien stärker als belastend empfunden als an Grundschulen. Ein »störendes Verhalten der Schüler*innen« hingegen schlägt an den Integrierten Sekundarschulen und den Förderzentren sowie den Grundschulen besonders durch – in den Gemeinschaftsschulen erstaunlicherweise weniger stark.

Als wichtigste Entlastungsmöglichkeiten bewerten die Kolleg*innen vor allem solche Aspekte, die auch von der GEW BERLIN politisch im Sinne eines inklusiven Unterrichts befürwortet werden. Am höchsten ist die Zustimmung bei »mehr Zeit für Beziehungsarbeit für jede*n Schüler*in« (87,1 Prozent), »mehr Zeit für individuelle Förderung« (85,6 Prozent), »mehr Zeit für Differenzierung« (73,2 Prozent), dann erst folgt »weniger Korrekturaufwand« (61,8 Prozent). Dieses sind auch weithin anerkannte, zentrale Merkmale eines guten, binnendifferenzierten Unterrichts in der inklusiven Schule und einer zeitgemäßen schüler*innenorientierten Didaktik. Auf individueller Ebene könnte das bedeuten: Die befragten Kolleg*innen wollen die Entlastung durch kleinere Klassen, um einfach nur ihren Job gut machen zu können. Das bedeutet, dass sie die Schüler*innen in das Zentrum ihres Unterrichts stellen, differenzieren und individuell fördern. Am besten geht das in kleineren Lerngruppen, die so für mehr Arbeitszufriedenheit sorgen können. Weil kleinere Klassen dann noch mit weniger Lärm und geringerer psychischer Belastung einhergehen, leisten sie einen großen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit am Arbeitsplatz von Lehrer*innen.

Gute Arbeits- und Lernbedingungen sollten doch selbstverständlich sein

Das Tarifprojekt fordert also, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Gute Arbeits- und Lernbedingungen! Wir finden, mit diesen Forderungen sollten wir bei allen Akteur*innen im Bildungsbereich offene Türen einrennen. Wir werden das Thema in die Stadtgesellschaft tragen und freuen uns auf eine breite Unterstützung von Schüler*innen und Eltern für die Tarifauseinandersetzung!

Und wie verleihen wir dem Tarifkampf den nötigen Schwung? Wir haben auch nach den beliebtesten Mobilisierungsformaten gefragt. Da gewinnen überraschenderweise die berlinweiten Protestaktionen (51,9 Prozent) noch vor dem Streik (42,6 Prozent). Wir werden unter den Vorzeichen der Pandemie sicherlich noch eine Weile keine großen Demos anzetteln können, dezentrale Protestaktionen scheinen hingehen eher möglich – vielleicht haben die Kolleg*innen das bereits mitgedacht?

Eine Frage soll nicht offen bleiben: Warum erhebt die GEW BERLIN jetzt nicht auch vergleichbare Forderungen für Erzieher*innen? Die Senkung von Klassengrößen entlastet nicht nur Lehrer*innen, sondern auch alle in Schule beschäftigten Erzieher*innen, die klassenbezogen arbeiten. Für Erzieher*innen in anderen Bereichen und Kitas wären andere rechtliche Grundlagen für die Forderungen in Bezug zu nehmen, die sich in dieser Tarifauseinandersetzung nicht sinnvoll verbinden lassen. Wenn wir in der Auseinandersetzung um den TV Gesundheitsschutz erfolgreich sind, wird das den politischen Druck auf die Arbeitgeber*innen erhöhen und uns in die Lage versetzen, im Anschluss für Erzieher*innen ähnliche Forderungen aufzustellen. In der Umfrage bringt es ein Beitrag auf den Punkt: »In der Öffentlichkeit sollten Lehrer/Erzieher und Eltern nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, sondern zusammen auftreten.« Solidarität ist unsere Stärke! Gemeinsam haben wir viel erreicht, wenn wir jeweils eine Gruppe der Mitglieder in den Fokus gemeinsamer Aktion gestellt haben. So haben wir die A/E13 für Grundschullehrer*innen oder die Tabellen des TVöD für die Kolleg*innen im SuE-Bereich erkämpft. In der kommenden Tarifrunde im TV-L und mit dem TV Gesundheitsschutz zur Klassengröße werden wir wieder gemeinsam auf die Straße gehen und unsere Forderungen stark vertreten!  

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46