Gewerkschaft
Eine Würdigung für einen Visionär
Detlef Mücke hat sich wie kaum ein anderer für die queere Community in Berlin stark gemacht. Im Dezember wurde er 80 Jahre alt, wir gratulieren ihm.
Christiane F., die Protagonistin aus dem Roman »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo«, ist wohl Detlefs bekannteste Schülerin der Hermann-von-Helmholtz-Oberschule in Gropiusstadt. Über Detlef Mücke sagte sie einst »Da war ein Lehrer, den ich irgendwie mochte, der Herr Mücke.«
An diesem Zitat wird deutlich, was für ein außergewöhnlicher Lehrer Detlef war. Zuvor hatte er eine Lehre als Bankkaufmann, dann ein Studium und schließlich ein Referendariat am OSZ Banken absolviert. An der Hermann-von-Helmholtz-Ober-schule war er bis zu seiner Pensionierung ein leidenschaftlicher Lehrer, selbst für so schwierige Schüler*innen wie Christiane F.
Mit Eintritt in den Schuldienst begann Detlefs Engagement in der GEW. Er war lange im Personalrat Neukölln aktiv, davon etliche Jahre als Vorsitzender. In der GEW-Landesrechtsschutzstelle beriet er seit den 90er Jahren zahlreiche Mitglieder, oft auch nach seiner Pensionierung. Er übernahm zeitweise Verantwortung als Leiter der Landesrechtsschutzstelle.
Viele bringen Detlef besonders mit seinem Einsatz für die queere Community in Verbindung, allen voran mit der AG Schwule Lehrer in der GEW BERLIN, die er 1978 mitbegründete und bis heute prägt. Diese AG war Ausgangspunkt zahlreicher Initiativen, darunter der Arbeitskreis LSBTI im DGB sowie die bundesweite »AG7«, die als Vorläufer des heutigen Bundesausschusses Queer gilt.
Um schwule Lehrer bundesweit zu stärken, initiierte Detlef 1980 gemeinsam mit anderen das jährliche Pfingsttreffen schwuler Lehrer. Die von ihm dort angebotene Rechtsberatung stößt auf große Resonanz.
Sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und seine entschiedene Haltung gegen jede Form von Diskriminierung treiben ihn bis heute an. In den 1970er Jahren waren schwule Lehrer gesellschaftlich geächtet und mussten am Arbeitsplatz mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen. Detlef setzte sich dafür ein, diese Zustände zu ändern – und schaffte es, einen entscheidenden Wandel herbeizuführen.
Das Motto »Vom Stigma des Triebtäters zum Vorbild«, das anlässlich des 40-jährigen Bestehens der AG Schwule Lehrer im Jahr 2019 gewählt wurde, fasst diese Entwicklung treffend zusammen.
Der Weg dorthin war oft steinig. Schon früh erkannte Detlef, dass es nicht nur um arbeitsrechtliche Fragen oder Diskriminierung am Arbeitsplatz geht, sondern dass Homosexualität in die Bildungsinhalte integriert werden muss, im Sinne einer Pädagogik der Vielfalt.
Ein Netzwerker und Visionär
Seit 1979 finden auf Detlefs Initiative hin regelmäßige Gespräche mit den Berliner Bildungssenator*innen statt – eine Tradition, die die AG bis heute fortführt. Man kann sich vorstellen, dass die Gespräche 1983 mit der damaligen Senatorin Hanna-Renate Laurien (CDU), die Homosexualität öffentlich ablehnte, in einer ganz anderen Atmosphäre stattfanden als heute.
Die AG Schwule Lehrer pflegt regelmäßigen Kontakt zu den meisten bildungs- und queerpolitischen Akteur*innen demokratischer Parteien sowie zu zahlreichen queeren Institutionen Berlins. Detlef selbst war viele Jahre im Vorstand der Schwulenberatung und des Schwulen Museums aktiv und genießt in der Community große Anerkennung.
Detlefs Expertise im Umgang mit rechtlichen Fragen prädestinierte ihn für die Personalratsarbeit und den Rechtsschutz.
Seine wohl herausragendste Eigenschaft ist seine Menschlichkeit. Detlef ist nahbar, hilfsbereit, geduldig und einfühlsam. Er hat ein Talent dafür, Menschen miteinander zu vernetzen und Räume für gegenseitige Unterstützung zu schaffen. Diese Haltung prägt die Arbeit der AG Schwule Lehrer bis heute und schafft eine Kultur der Freude am Engagement – oder, wie Detlef es selbst nennt, »lustbetonte Gewerkschaftsarbeit«.