Schule
Einfach nur Lehrkraft sein
Wie ein Jahr im Auslandschuldienst den Blick weiten kann und was im deutschen Bildungssystem mit mehr Geld möglich wäre.
Oft hören wir von Kolleg*innen im Alltag, dass sie einfach nur Lehrer*in sein wollen. Ich konnte vor einigen Jahren erfahren, wie gut das wirklich tut und wie einfach es sein kann.
Im Schuljahr 2021/22 war ich Lehrkraft an der Grundschule der Deutschen Schule Lissabon. Ich übernahm die Klassenleitung einer dritten Klasse, wofür ich zwei Abminderungsstunden erhielt. Ein Vollzeitdeputat sind dort 25 Stunden.
Digital und personell gut ausgestattet
In der Vorbereitungswoche bekam ich Schulungen für alle digitalen Systeme. Die IT-Abteilung aus drei Personen kümmerte sich umgehend, wenn mal das Smartboard hakte oder meine E-Mail nicht verschickt werden konnte. Die Organisation der Daten übernahm das sehr gut ausgestattete Sekretariat. Ich brauchte weder Notfallzetteln hinterherrennen noch mich um Fotogenehmigungen kümmern. Im Onlinesystem Weduc wurde alles auf dem aktuellen Stand gehalten, die Genehmigungen wurden direkt angezeigt.
Krankmeldungen und ärztliche Atteste gingen direkt an das Sekretariat. Über unser Online-Klassenbuch Webuntis konnten beide Seiten sehen, wer fehlt, wer entschuldigt ist oder bei wessen Eltern nachgefragt werden muss. Dies übernahmen die Verwaltungsfachangestellten im Sekretariat.
Wenn es einem Kind mal nicht gut ging, schickte ich es zur Schulkrankenschwester. Diese konnte aufgrund ihrer Expertise entscheiden, was zu tun ist und falls nötig direkt die Eltern anrufen. Ein Sicherheitsdienst kümmerte sich darum, wer das Schulgelände betreten darf und war bei Schwierigkeiten immer ansprechbar. Für den schuleigenen Swimmingpool stand in den warmen Monaten ein*e Rettungsschwimmer*in bereit.
Auch die Öffentlichkeitsarbeit war in professioneller Hand. Hin und wieder wurde nach schönem Material gefragt, welches auf die Website oder die verschiedenen Social-Media-Kanäle gepackt wurde. Auch dort musste man sich natürlich nicht um Genehmigungen kümmern, das Sekretariat hatte bereits alle Daten.
Von nicht-pädagogischer Arbeit entlasten
Eine tolle Entlastung war auch die sogenannte Procurement-Stelle. Die Kollegin übernahm bei Ausflügen und Klassenfahrten die nicht-pädagogische Organisation. Ich sprach mit ihr ab, wann ich wohin möchte und sie kümmerte sich um den Rest: Buchungen, Zahlungen, Genehmigungen der Eltern. Übrigens: nicht nur musste ich meine eigene Klassenfahrt nicht bezahlen oder vorstrecken, ich bekam die zusätzliche Arbeitszeit auch noch zusätzlich vergütet. Wenn ich für einen Ausflug oder eben die Klassenfahrt Transport brauchte, organisierte dies der Busdienst.
Obwohl ich in dem gesamten Schuljahr keinen einzigen Gewaltvorfall hatte, war es gut, eine Sozialpädagogin an der Seite zu haben, die sich bei Streit um die Kinder gekümmert hat. Auch für den einzigen Schüler, der etwas mehr Unterstützung benötigte, hatte ich ein tolles helfendes Umfeld, zum Beispiel die hauseigene Schulpsychologin. Aber auch einfach die Zeit für Absprachen halfen sehr: eine Hand wusste, was die andere tat.
Ich konnte in diesem Jahr verschiedene Methoden und Projekte ausprobieren, auf die Unterstützung toller pädagogischer und nicht-pädagogischer Kolleg*innen setzen und einfach nur Lehrkraft sein. Die Entlastung von nicht-pädagogischen Aufgaben führte bei mir zu einer Arbeitszufriedenheit, die ich vorher und nachher nicht mehr erreicht habe.
Leider hat das Ganze einen Haken: Die anerkannten deutschen Auslandsschulen sind Schulen in privater Trägerschaft, die zur Sicherung von deutschen Schulabschlüssen einen Zuschuss von etwa 30 Prozent für ihre Arbeit vom deutschen Staat bekommen. Die übrigen Gelder müssen die Schulen selbst erwirtschaften. Dies passiert über Schulgeld und Sponsoring. Die Schulen können sich die Schüler*innen über Sprachkenntnisse, Schulgeld und andere Faktoren weitgehend aussuchen. Es handelt sich somit überhaupt nicht um ein inklusives System.
Dennoch zeigt das Beispiel, was auch an staatlichen Schulen in Deutschland mit mehr finanziellen Mitteln, die an der richtigen Stelle eingesetzt werden, möglich wäre. Mehr Lehrer*innen und Erzieher*innen wären für solche Verbesserungen nicht nötig, wenn ein wirklich multiprofessionelles Team für Entlastung sorgt.