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SenioRita

Endlich geimpft!

Zwei Berichte über das lange Warten und den schnellen Piks.

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Foto: IMAGO

Viele sind frisch gefärbt und frisiert

In meinem ganzen Leben bin ich noch nicht so oft als »Dame« angesprochen worden. Ich habe mich auch nie als solche gefühlt.

Sonntagmorgen, 9 Uhr: Mein Taxi fährt an der »Arena« vor. Der Wagenschlag wird von außen geöffnet. Eine helfende Hand streckt sich mir entgegen. »Guten Morgen, junge Dame!« Ich entsteige dem Taxi alleine.

In der ersten Schlange vor dem Gebäude: Eine wartende Frau mit Maske spricht den jungen Mann vor ihr an: »Was machen Sie denn hier? Sie sind doch viel zu jung!« »Ich arbeite in der Altenpflege:« Zufrieden mit der Antwort rückt sie auf einen halben Meter an ihn ran. Aus einem ankommenden Taxi steigt hoheitsvoll eine beeindruckend elegant gekleidete Dame in edlem Schwarz, die Brillantohrringe glänzen im Sonnenlicht, Schmuck am Revers, die silbergrauen Haare aufwendig frisiert, wie zu einer Opernpremiere!

Drinnen, im ersten Warteraum: Ich sehe mich um: viele frisch gefärbte und frisierte Mitbürgerinnen. Die Friseure haben gerade wieder aufgemacht. Eine Batterie von Rollstühlen, bereit zum Einsatz, viele Helfer*innen von Johannitern, Maltesern, Rotem Kreuz und anderen. Eine beeindruckende Fülle von endlosen Gängen und Kabinen. Arena eben! In der mir zugewiesenen Kabine bin ich mit einem Bundeswehrsoldaten im Tarnanzug konfrontiert, Mitte vierzig, nicht geschniegelt, freundlich. Ich: »Endlich macht die Bundeswehr mal was Nützliches! Besser als Mali, oder?« Er, gelassen: »Wir haben schon mal geholfen, bei der Oderüberschwemmung 2002.« Ich gebe ihm meine Unterlagen. Der Anamnesebogen, zweiseitig bedruckt, muss nochmal neu ausgefüllt werden, weil eine Frage neu dazugekommen ist, nämlich: »Ist das Ihre erste Impfung gegen Covid?« Na, dann!

Weiter, der Piks sitzt, kaum bemerkbar. Der freundlichen Helferin teile ich mit: »Wissen Sie, wann ich das letzte Mal in der Arena war? Beim Bob Dylan Konzert.« Das musste ich loswerden, deshalb hatte ich »Arena« als Impfort gewählt. Sie lächelt nachsichtig: Die Alten.

Im letzten Warteraum vor dem Ausgang treffe ich die Freundin, für die ich den Termin mitgebucht hatte. Sie muss noch 45 Minuten warten zur Sicherheit, wegen Allergien. Ich teile die Zeit mit ihr, wir sprechen über die Autobiographie von Helmut Lethen, auch einer von uns. Beim Verlassen des Gebäudes nehme ich mir das neueste Museumsjournal, das dort kostenlos rumliegt. Das Taxi wartet! Vorwärts ins Leben!    

Eva Besler

 

Alles ein bisschen überorganisiert

Ich gehöre zur privilegierten, weil vulnerablen Gruppe der Ü80er. Seit Neujahr 2021 bin ich jeden Morgen mit der Hoffnung zum Briefkasten gegangen, den ersehnten Brief mit der Impfeinladung zu finden. Mein Freund Peter, nur ein Jahr älter, war am 22. Januar schon geimpft, als ich endlich von der Gesundheitssenatorin ein Konvolut von Papieren bekam. Nur ein Papier war wirklich entscheidend zur Erlangung eines Impftermins, das mit dem 16-stelligen Code aus Buchstaben, Ziffern und Bindestrichen. Der Rest bestand aus Belehrungen und Erfassungsbögen, die sich allerdings hinterher auch noch als fehlerhaft herausstellten.

Ich klappe den Laptop auf und wähle mich in die angegebene Website der Senatsverwaltung ein. Von dort musste ich mich an eine Privatfirma namens »Doctolib« verlinken, die meine sämtlichen persönlichen Daten einsammelte. Recherche: Doctolib ist ein boomendes französisches Startup-Unternehmen, das Arzttermine vermakelt. Datensicherheit zweifelhaft!

Nach Auswahl eines Impfzentrums wurde mir als frühester Termin der 28. Februar zugeteilt. Wartezeit über einen Monat! Automatisch dann der zweite Termin drei Wochen später. Damals gab es nur die Vaccine von Biontec/Pfizer. Aus der Zeitung wusste ich, dass der Taxi-Transport inklusive war. In den Papieren der Senatorin stand davon nichts. Für die Taxi-Unternehmen sichert das die Existenz in der Pandemiekrise. Also ins Taxi!

Ich hatte mich für die Arena in Treptow entschieden. Wer ohne Rollator kam, musste dort 20 Minuten in einer Schlange im Regen stehen. Die Arena hatte ich zuletzt 2003 besucht, als Simon Rattle und die Philharmoniker mit Berliner Schüler-*innen Strawinskys »Sacre du printemps« aufführten, woraus der großartige Film »Rythm Is It!« entstanden ist. Nun war alles umgebaut, lange weiße Korridore mit unzähligen nummerierten Schaltern und Kabinen, ein Gewimmel von Helfer*innen mit Rotkreuz-Abzeichen, Security-Warnwesten, Bundeswehr-Tarnfleck, freundlich, aber ein bisschen überorganisiert. Wenn alle Berliner Behörden, zum Beispiel die Meldeämter, so gut mit Personal ausgestattet wären, gäbe es weniger Klagen.

Dann ging alles Ruckzuck. Der fehlerhafte Anamnesebogen wurde von einer freundlichen Helferin neu ausgefüllt, die schriftlichen Belehrungen wurden durch einen Film vertieft, alle Papiere fotografisch erfasst und der Piks war völlig schmerzlos.

Und draußen warteten schon die Zubringer-Taxis auf die Rückfahrt. Dann nach drei Wochen noch einmal die gleiche Prozedur, jetzt schon mit Routine. Und nun bin ich endlich und hoffentlich immun!

Reinhard Brettel

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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