blz 11 / 2014
Endlich wieder Altersermäßigung - aber nicht für alle!
Der Betrug mit den Arbeitszeitkonten und der Versuch der Verschleierung
Endlich erhalten ältere KollegInnen wieder die längst fälligen Stundenermäßigungen. Die zusätzliche Präsenzpflicht vor den Sommerferien (zwei Tage) aber und das Beenden des Aufwuchses der Arbeitszeitkonten (fünf Tage) werden nicht angemessen kompensiert, die Arbeitszeit für Lehrkräfte wird stillschweigend um sieben Tage erhöht.
Eine geltende gesetzliche Regelung für den finanziellen Ausgleich der AZK-Tage existiert noch nicht und es ist unklar, ob sie noch in diesem Jahr in Kraft treten wird.
Außerdem werden Teilzeitbeschäftigte bei der Erteilung der Altersermäßigung diskriminiert.
Seit September 2014 gibt es bei der Arbeitszeitverordnung (AZVO) und der Erholungsurlaubsverordung (EUrlVO), die für alle verbeamteten und angestellten Lehrkräfte gilt, einige wichtige Änderungen:
- Es werden keine fünf Tage pro Jahr mehr auf ein Arbeitszeitkonto gutgeschrieben, und es gibt neue Optionen, die angesammelten Tage auszugleichen.
- Zum Ende der Sommerferien werden zwei weitere Anwesenheitstage angeordnet.
- Für lebensältere Lehrkräfte wird eine Altersermäßigung eingeführt.
Die Arbeitszeitkonten
Seit dem Jahr 2003 sammeln verbeamtete und seit 2008 angestellte Lehrkräfte als Kompensation für eine Erhöhung ihrer Arbeitszeit fünf Tage im Jahr auf den sogenannten Arbeitszeitkonten (AZK) an. Das ist jetzt vorbei: Die Gutschriften auf die Arbeitszeitkonten werden gestrichen, die Arbeitszeit von Lehrkräften also um fünf Tage erhöht! Nun stellt sich die Frage, wie die vorhandenen Arbeitszeitkonten abgebaut werden. Bisher gab es nur die Möglichkeit, die vorhandenen Arbeitszeitguthaben durch freie Tage vor dem Ruhestand oder vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugleichen, wobei ausschließlich Schultage zählen.
Diese Möglichkeit bleibt so weiterhin bestehen. Dazu kommen aber jetzt zwei weitere Optionen.
Verrechnung der Arbeitszeitkonten
Lehrkräfte können ab dem 58. Geburtstag (Schwerbehinderte ab dem 55.) im darauf folgenden Schuljahr ihre angesammelten AZK-Tage durch eine individuelle Unterrichtsermäßigung ausgleichen. Dabei wird eine Stunde Ermäßigung im Schuljahr mit acht Tagen des Arbeitszeitguthabens verrechnet.
Wer beispielsweise zwei Freistellungsstunden in einem Schuljahr möchte, muss dafür 16 AZK-Tage hergeben. Oder wenn eine 60-jährige Kollegin die letzten fünf Jahre ihrer Tätigkeit pro Schuljahr eine Stunde Ermäßigung erhalten möchte, bestünde für sie diese Möglichkeit, wenn sie 40 AZK-Tage angesammelt hätte. Ihr Konto wäre dann am Ende auf Null (5 Jahre x 1 Stunde (entspricht 8 AZK-Tagen) = 40 AZK-Tage).
Es gilt noch zu beachten, dass zwischen dem 58. und 63. Lebensjahr maximal drei Stunden Unterrichtsermäßigung pro Woche pro Schuljahr in Anspruch genommen werden können, ab 63 Jahren dürfen es auch mehr sein. Wenn die Rechnung nicht glatt aufgeht, wie in dem gegebenen Beispiel, und einzelne Tage übrigbleiben, würde auf die erstgenannte Option zurückgegriffen werden.
Anwesenheitstage, Altersermäßigung
Zweitens kann aber in Ausnahmefällen, wenn die Freistellung aus dringenden dienstlichen Gründen nicht möglich war, eine finanzielle Entschädigung geleistet werden, wenn das Arbeitszeitguthaben nicht durch Freizeit, also eben ein früheres Ausscheiden aus dem Dienst oder die Inanspruchnahme von Ermäßigungsstunden, ausgeglichen wurde. Das heißt nicht, dass der Anspruch auf Umwandlung in Ermäßigung verwehrt wird, sondern betrifft eher Fälle, in denen beispielsweise KollegInnen freiwillig länger arbeiten wollen, weil es vielleicht keinen (fachlich) passenden Ersatz gibt. Eine genaue Regelung hierfür gibt es allerdings noch nicht.
Ab dem Schuljahr 2014/2015 wird die Zahl der Anwesenheitstage am Ende der Sommerferien von bisher einem auf drei erhöht. Lehrkräfte nehmen also ihre Tätigkeit bereits wieder am Mittwoch und nicht erst am Freitag vor Beginn des neuen Schuljahres auf. Die Arbeitszeit der Lehrkräfte wird hier stillschweigend um zwei weitere Tage erhöht, womit wir insgesamt bei sieben Tagen wären.
In Zukunft erhalten Lehrkräfte ab 58 Jahren eine Stunde, Lehrkräfte ab 61 Jahren zwei Stunden Altersermäßigung. Hört sich erstmal gut, aber jetzt kommt das Aber! Diese Altersermäßigung gilt nur, wenn ihre Unterrichtsverpflichtung mindestens zwei Drittel beträgt. Bei einer Beschäftigung unter zwei Dritteln gibt es grundsätzlich nur eine Stunde Altersermäßigung und diese auch erst ab 60 Jahren. Wer weniger als fünfzig Prozent unterrichtet, erhält überhaupt keine Altersermäßigung. Das ist Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten!
Angestellte KollegInnen, die bis zum 1. März 2005 eingestellt und bis zum 1. September 2008 mindestens 50 Jahre alt waren, haben sowieso tariflich abgesicherte Ansprüche auf Altersermäßigung. Das betrifft immerhin etwa 1.700 KollegInnen. Da dachte sich die Senatsverwaltung schlau: »Die verrechnen wir!«
Das geht aber so nicht. Es ist ein massiver Eingriff in bestehende tarifvertragliche Ansprüche und mit Artikel 9 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Besonders ärgerlich in diesem Kontext ist, dass die Senatsverwaltung den Wegfall der Arbeitszeitkonten ja auch durch die Altersermäßigung als zumindest teilweise kompensiert verkauft. Den betroffenen KollegInnen soll diese Kompensa-tion also vorenthalten werden. Auch das ist Diskriminierung!
Wir lassen nicht locker
Trotz der zahlreichen Protestaktionen, Demonstrationen, verschiedenen Kampagnen wie »Alte stärken«, Unterschriftensammlungen, Postkartenaktionen, einer Petition und nicht zuletzt zahlreicher Streiks, die die GEW organisiert hat, ist es letztendlich so gekommen, wie es gekommen ist. Auch die verschiedenen Gespräche mit dem Senat und dem Abgeordnetenhaus führten nicht zu den von uns erhofften Ergebnissen. Wir müssen feststellen, dass es nicht gelungen ist, den notwendigen Druck zu entfalten, um diese Maßnahmen politisch zu verhindern.
Wir freuen uns über die Einführung der Altersermäßigung – auch wenn ich gespannt bin, was davon übrig geblieben ist, wenn ich einmal 58 bin. Unterm Strich bezahlen wir jüngeren Lehrkräfte sie aber teuer, nämlich nicht nur einerseits heute schon, sondern andererseits auch gleich doppelt und dreifach. Die Einführung der Altersermäßigung für Lebensältere war längst überfällig, aber die erhöhten Arbeitsbelastungen und Arbeitszeiterhöhungen werden dadurch auch nicht wettgemacht.
Gegenseitige Unterstützung
Wir alle haben eine Enttäuschung erlebt, da unsere Proteste nicht erfolgreich waren, aber das Thema der Arbeitsbelastungen ist und bleibt für uns weiter eines der dringendsten. Wir lassen uns nicht entmutigen! Wir kämpfen weiter! Die GEW BERLIN wird Musterklagen führen, um die diskriminierenden Regelungen der Teilzeitbeschäftigten und den Eingriff ins Tarifrecht vor Gericht zu klären.
Bist du betroffen? Mach deine Ansprüche geltend! Wir sind ziemlich sicher, dass wir hier erfolgreich sein werden und dass die AZVO an diesen Stellen wieder geändert werden muss.
Natürlich werden wir euch weiterhin kompetent informieren, ihr erhaltet hier Rechtsberatung, wir unterstützen eure Klagen und wir organisieren weiterhin den Protest in verschiedensten Formen.
Aber wenn wir unsere Forderungen durchsetzen wollen, ist es notwendig, politisch Druck aufzubauen.
Deswegen: Eine Gewerkschaft ist nur so stark wie ihre aktiven Mitglieder. Bring dich ein in unseren Gremien, nimm aktiv an Protest-aktionen teil und sei dabei, wenn der nächste Streik ansteht.