Recht & Tarif
Entschiedene Interessenvertretung statt Kungelei
Der GEW BERLIN gelingt es seit den 1970er Jahren, große Mehrheiten in den schulischen Personalräten zu gewinnen und über die Arbeitsbedingungen mitzubestimmen.
Nach dem 2. Weltkrieg propagierte die britische Besatzungsmacht die innerbetriebliche Mitbestimmung durch Betriebsräte, um das erneute Abgleiten der großen Industrie und der Kapitalgesellschaften ins faschistische Lager durch aktive Betriebsräte zu verhindern. Die Gewerkschaften wiederum forderten einheitliche Betriebsräte in Wirtschaft und öffentlichem Dienst. Von der CDU/CSU und von den Organisationen des Beamtenbundes (DBB) wurden Sonderregelungen für die Beamt*innen und damit für die gesamte öffentliche Verwaltung gefordert.
Dies führte schließlich 1952 zum ersten Betriebsverfassungsgesetz für die »freie Wirtschaft«, nicht aber für den öffentlichen Dienst. Hier hing es an den Landesparlamenten, ob, wann und wie ein Personalvertretungsgesetz für die Beschäftigten erlassen wurde.
Personalräte müssen in Gewerkschaft eingebunden werden
In Berlin gab es zunächst noch keine Beamt*innen. Nachdem die konservativen Kräfte 1953 aber auch in Berlin die Wiedereinführung des Beamtenrechts erreicht hatten, entstand 1957 das Personalvertretungsgesetz (PersVG). Seitdem basiert die »innerbetriebliche« Mitbestimmung auch in den Verwaltungen auf dem PersVG des Landes Berlin. Hier sind die Personalräte seitdem dreistufig gegliedert: Örtliche Personalräte (öPR) vertreten die Beschäftigten einer Dienststelle, zum Beispiel alle Beschäftigten an allgemeinbildenden Schulen eines Bezirks. In einigen Bereichen bestehen Gesamtpersonalräte (GPR), zum Beispiel bei den allgemeinbildenden Schulen. Der Hauptpersonalrat (HPR) schließlich wird auf Landesebene gebildet. Er verhandelt Regelungen für alle Verwaltungsbereiche.
Personal- wie Betriebsräte laufen immer Gefahr, vom Arbeitgeber vereinnahmt zu werden, zum Beispiel über Beförderungen oder andere Bevorzugungen. Dagegen hilft nur eine starke Einbindung in die Gewerkschaft, eine intensive Diskussion in der Gewerkschaft, in der Dienststelle und auf den Personalversammlungen über die eigenen strategischen Ziele und das konkrete Handeln und ein deutliches Auftreten der Gewerkschaften als Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten.
Nach der Wahl von Lore Kujawa zur Vorsitzenden der GEW BERLIN 1974 standen die Urabstimmung über einen Streik für die Teilnahme der Lehrkräfte an der Arbeitszeitverkürzung von 42 auf 40 Wochenstunden und Personalratswahlen an. Bei diesen erreichte die GEW BERLIN zwar eine Mehrheit von 84 der 155 Sitze in den 12 Bezirks-Personalräten – die Lehrkräfte waren damals Bezirkskräfte – aber in etlichen Bezirken war die »Fraktion« der Schulleiter*innen im Personalrat noch so stark, dass die progressive »neue« GEW keine Mehrheit bekam.
Die Wende kam 1977: Trotz Spaltung in zwei Organisationen gewann die GEW kräftig dazu. 45 Sitze gingen an die GEW BERLIN, 36 Sitze an die GEW im DGB und 68 Sitze an den DBB. In den meisten Personalräten übernahmen erstmals Vertreter*innen der GEW den Vorsitz. Der Beamtenbund wurde seitdem immer bedeutungsloser.
Mit guter Schulung für Beschäftigteninteressen
Im folgenden Jahrzehnt setzten wir in den Personalräten eine entschiedene Interessenvertretung für die Kolleg*innen statt Kungelei mit Parteien durch. Eine umfassende Schulungstätigkeit wurde aufgebaut mit mehrtägigen Grundschulungen für PR-Kandidat*innen und für neu gewählte Personalratsmitglieder und mindestens zweimal jährlich durchgeführten Spezialschulungen über eine Woche. Das führte zu einer Qualifikation, der die Schulaufsicht und die Amtsleitungen in den Bezirken häufig nichts mehr entgegenzusetzen hatten.
Damit waren die örtlichen Personalräte qualifiziert für das Ausschöpfen der Möglichkeiten des im PersVG vorgesehenen Einigungsverfahrens. Entsprechend nutzten sie die enge Beratung einer Gruppe progressiver Anwält*innen für das Ausschöpfen der Möglichkeiten beim Verwaltungsgericht.
Die PR-AG wurde als zweiwöchige Sitzung von Vertreter*innen aller örtlichen Personalräte unter der Leitung des für Beamten- und Angestelltenpolitik zuständigen Referats A der GEW BERLIN ins Leben gerufen. Dort sprachen sich die Personalräte ab, qualifizierten sich über die aktuelle Rechtsprechung und erreichten politischen Druck durch die Einheitlichkeit der Abstimmung der 12 bezirklichen Personalräte. Die Stadträte für Volksbildung in den 12 West-Bezirken staunten!
Inhaltliche Schwerpunkte waren eine gerechte Auswahl bei Beförderungsverfahren und der Kampf gegen Fristverträge. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erklärte in den frühen 80er Jahren Fristverträge nur bei gravierenden Gründen für rechtlich zulässig. Leider hat es diese klare Position später sehr aufgeweicht.
Außerdem stritten Personalräte für die Sicherung der Rechte der Kollegien nach Schulgesetz und Schulverfassungsgesetz, das die Beteiligung und Mitbestimmungsrechte in der Gesamtkonferenz und anderen schulischen Gremien 1974 deutlich erweitert hatte. Zentrale Themen waren darüber hinaus die Verhinderung von Kündigungen und anderer Disziplinierungen im Zuge des Radikalenerlasses und der folgenden Berufsverbote und Zugangsverbote zum Referendariat sowie die allmähliche Anpassung der Beamtengesetze in Sachen Teilzeit- und Beurlaubungsmöglichkeiten. Da es diese vorher im Beamtenrecht nicht gab, mussten viele Kolleg*innen bis in die 70er Jahre hinein den »Dienst quittieren«, wenn sie ihre Kinder in den ersten Jahren zuhause betreuen wollten. Die Ablehnung der Anträge auf Teilzeit durch die Behörde aber unterliegt bis heute der Mitbestimmung und ein aufrechter Personalrat löst dann das Einigungsverfahren bis zur Einigungsstelle aus.
Im vereinigten Berlin
Als die Personalratswahlen in West-Berlin 1989 auf den 29. November festgelegt wurden, ahnte noch niemand, was 20 Tage vor diesem Datum passieren würde. Die Umwälzung in der DDR schien uns damals nicht vorhersehbar, die Auswirkungen auf das Schulsystem, die Verdoppelung der Zahl der Lehrkräfte auf knapp 30.000 und die damit verbundenen Aufgaben für Gewerkschaft und Personalräte ebenso wenig.
Westbezirke übernahmen Patenschaften für Ostbezirke, um die Einheit Berlins vorzubereiten, die – bald absehbar – vor allem westlichen Vorgaben folgte. Auch in den Ostbezirken mussten in den neuen Bezirken PR-Wahlen vorbereitet und durchgeführt, die neuen Personalräte geschult und bei der Vielzahl ihrer neuen Aufgaben unterstützt werden. Als die Einheit Deutschlands durch den Beitritt vollzogen war, fing für die 23 Bezirke als Dienststellen, für die Personalräte für Schulen in denselben und die Gewerkschaften die Arbeit erst richtig an. Dabei erlebte Berlin 1991 wieder einen politischen Umbruch: Der rot-grüne Senat unter Walter Momper (SPD) wurde im Frühjahr abgelöst durch den CDU-geführten Diepgen-Senat.
Die Bildungsverwaltungen auf Senats- und Bezirksebene mussten viele neue Fragen entscheiden und die Personalräte beteiligen. So wurde über die Auflösung von Institutionen wie das Institut für Lehrerbildung, die Bewertung und Einordnung der vielen Ausbildungsgänge zum Lehrkräfteberuf in der DDR, über knapp 200 Kündigungen von Lehrkräften aus den Ostbezirken, die angeblich oder tatsächlich als informelle Mitarbeiter*innen der Stasi tätig waren, und über die Frage, welche der Kolleg*innen aus den Ostbezirken wie und in welcher Laufbahn verbeamtet werden sollten, entschieden. Dabei gelang es im Vergleich zu anderen Bundesländern insgesamt, eine Reihe von günstigen Lösungen durchzusetzen. Die 23 Bezirkspersonalräte erwiesen sich zusammen mit der GEW als wichtiges und durchsetzungskräftiges Moment.
Erfolg gegen Fristverträge errungen
Die Schulverwaltung, die 1991 bis 1995 von CDU-Senator Klemann geleitet wurde, bekam schließlich eine neue Struktur. Alle Lehrkräfte und Erzieher*innen an Schulen, die bisher Bezirksbeschäftigte waren, wurden in das zentrale Landesschulamt überführt. Dazu mussten die Personalstellen für Schulen aus den Bezirken zusammengeführt werden – ein großer Aufwand, die neue Struktur brauchte ihre Zeit.
In jedem Bezirk blieb ein örtlicher Personalrat der Dienstkräfte aller allgemeinbildenden Schulen bestehen und für diese 23 örtlichen wurde auch ein Gesamtpersonalrat der allgemeinbildenden Schulen neu errichtet. Für die beruflichen und einige schon bisher zentral verwaltete Schulen wurde ein neuer Personalrat der beruflichen Schulen gebildet. Im Jahre 2001 schließlich wurden die 23 zu zwölf Bezirken zusammengelegt.
In diese Zeit fällt einer der größten Erfolge der GEW BERLIN und ihrer Personalräte. Die zentrale Verwaltung schaffte es nicht, Übersicht über ihr Personal zu bekommen. Vor Ort in den Schulen hieß das: Fristverträge – auch ohne Rechtsgrundlage – nahmen zu, bis an die 1000er-Grenze. In langen Diskussionen fanden die GEW-Personalräte zu einem einheitlichen Verhalten der Ablehnung von Fristverträgen. Der GEW-Rechtsschutz und befreundete Anwält*innen legten immer mehr Verträge dem Arbeitsgericht vor.
Als im Herbst 1996 dann viele Kammern des Arbeitsgerichts binnen weniger Wochen in knapp 400 Fällen die Fristverträge der Kolleg*innen für rechtswidrig erklärten, weil es sich rechtlich um Dauerarbeitsverhältnisse handele und die Befristung grundlos sei, gelang es in Verhandlungen mit Schulsenatorin Stahmer (SPD), alle Fristverträge in Dauerarbeitsverhältnisse zu überführen. Hier zeigte sich besonders deutlich, wie wichtig der gemeinsame Strang ist, an dem Personalräte und Gewerkschaft ziehen und wie wichtig es ist, Einigungsverfahren nach PersVG und die Klage bei Arbeits- und Verwaltungsgerichten bei intensiver Diskussion mit der Gewerkschaft als Instrument zu nutzen, um die Interessen der jeweils betroffenen Kolleg*innen durchzusetzen. Dies war ein Lehrstück!