Schwerpunkt "Rechte Strategien"
Entschlossen gegen Rechtsextremismus
Was wir tun können, um den Rechtsruck aufzuhalten.
Ob in der Schlange beim Bäcker, auf der Arbeit oder bei Familienfesten. Bei menschenverachtenden Äußerungen ist es wichtig, sich dagegen zu positionieren. Damit solidarisiert man sich einerseits mit (potenziell) Betroffenen und gibt anderseits dem Gegenüber unmissverständlich zu verstehen, dass solche Ansichten nicht alle Anwesenden teilen. Rechtsextreme versuchen insbesondere Schüler*innen und Lehrkräfte mit Hinweis auf das Neutralitätsgebot einzuschüchtern. Lehrer*innen müssen denjenigen gegenüber, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen oder abschaffen wollen, nicht neutral sein. Ganz im Gegenteil, sie sind verpflichtet, Widerspruch zu leisten.
Betroffene von Rechtsextremismus schützen und stärken
Eine frühzeitige Intervention ist ein wichtiger Schlüssel, um menschenfeindlichen Haltungen zu begegnen, bevor sich diese verfestigen. Schulen, Bildungseinrichtungen und Jugendtreffs spielen eine entscheidende Rolle, um Anzeichen von Ideologien der Ungleichwertigkeit und Radikalisierung zu erkennen und geeignete Unterstützung bereitzustellen. Die Bandbreite der Präventionsstrategien kann von der Wissensvermittlung und Ansätzen der historisch-politischen Bildung zur Aufklärung über die Verbrechen der NS-Zeit und die Schrecken der Shoa bis hin zur Aufklärung über Menschenrechte reichen. Das Ziel von Demokratiebildung ist es, das Bewusstsein für demokratische Werte zu erhöhen und demokratiefeindliche Einstellungen zu reduzieren. Präventionsarbeit sollte dabei nicht nur auf Vermittlung von Informationen setzen, sondern auch »Herzensbildung«, kritisches Denken umfassen und auf eine nachhaltige Stärkung von (jungen) Erwachsenen setzen. Demokratiebildung, Akzeptanzförderung und die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit zu akzeptieren (Ambiguitätstoleranz), können dabei wichtige Pfeiler sein. Grundlage ist Partizipation und eine wertschätzende und zugewandte Interaktion an Orten der Demokratiebildung. Sensibel vorbereitete Begegnungsprojekte und Austauschformate gehören ebenfalls zur Demokratiebildung und ebenso das Ziehen »roter Linien« und damit beispielsweise die Konfrontation und aktive Auseinandersetzung mit diskriminierenden Äußerungen.
Die Einbindung des Gemeinwesens in die Präventionsarbeit kann ebenfalls entscheidend sein. Lokale Organisationen wie Sportvereine, Schulen, Jugendarbeit, religiöse Institutionen, Bildungseinrichtungen oder sozialraumorientierte Stadtteilbüros können dazu beitragen, ein Umfeld der Akzeptanz und des Dialogs zu schaffen. Diese Gemeinschaftsbemühungen fördern die Zusammenarbeit und stärken das soziale Gewebe. Ansätze reichen von Aufklärung über Analyse bis zu Information über (lokale) Besonderheiten des Rechtsextremismus in Kommunen, die oftmals von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus oder anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen angeboten werden. Ein Ansatz ist die Förderung und Unterstützung lokaler Initiativen und Projekte zur Förderung von zivilgesellschaftlichen und demokratischen Strukturen im Gemeinwesen. Bei besonderen gemeinwesenorientierten Präventionsformen, wie zum Beispiel der »Lokalen Intervention«, werden Akteur*innen mit der Situation von Betroffenen rechter Gewalt vertraut gemacht, um deren Sensibilität für Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus im lokalen Raum zu erhöhen und Solidarisierung mit Betroffenen menschenfeindlicher Ideologien zu erreichen.
Eine gelingende Rechtsextremismusprävention darf die Perspektiven der Betroffenen rechter Gewalt nicht aus dem Blick verlieren. Rechtsextremismusprävention fokussiert oft die Perspektive der Täter*in. Potenzielle Opfer menschenfeindlicher Ideologien müssen empowert und gestärkt werden – vor allem in Regionen und Stadtgesellschaften, die mit etablierten rechtsextremen Strukturen zu tun haben. In der Stadtgesellschaft gilt es, solidarische Schutzräume zu schaffen, die vor allem die Perspektiven und Erfahrungen von Betroffenen zum Ausgangspunkt für Intervention machen. In allen Bundesländern gibt es Opferberatungsstellen, Migrant*innenselbstorganisationen und Antidiskriminierungsstellen, die diese Arbeit professionell beraten und unterstützen können, wie zum Beispiel der Bundesverband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG).
Medienkompetenz und »Digital Streetwork«
Rechtsextremist*innen nutzen erfolgreich Social-Media-Kanäle, Gaming-Plattformen und Messenger-Gruppen, um menschenfeindliche Ideen und Demokratiefeindschaft zu verbreiten. Ansätze zur Stärkung von Medienkompetenz sind wichtig, um rechtsextreme Propaganda zu entlarven und das Bewusstsein für die Risiken von Rechtsextremismus im digitalen Raum zu schärfen. Nur so lässt sich Menschenfeindlichkeit und Online-Hass im Internet erkennen und kritisch hinterfragen. Dazu gehört Wissen darüber, wie rechtsextreme Agitation online funktioniert, welche Quellen im Netz verlässlich sind, wo ich rechtsextreme Inhalte melden kann oder Beratungsstellen finde. Auch mediale Aufklärungskampagnen in sozialen Netzwerken können ein wirksames Mittel sein. Ein wichtiges Tool kann zudem »Digital Streetwork« sein – eine Art aufsuchende Sozialarbeit. Im Rahmen des Digital Streetworks agieren pädagogisch geschulte Mitarbeiter*innen. Plattformen, wie Youtube, TikTok, Twitch, Instagram und Co. sind wichtige Teile der (jugendlichen) Lebenswelt. Inhalten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss hier widersprochen werden und Menschen können befähigt werden, sich eine fundierte Meinung zu Themen selbst zu bilden.
Kader und Mitläufer*innen erkennen
Es ist unerlässlich, sich darüber Gedanken zu machen, mit wem man es genau zu tun hat. Eine Differenzierung zwischen (Partei-)Kadern und Mitläufer*innen ist wichtig – ebenso die Verständigung darüber, dass die Arbeit mit Kadern oder rechtsextremen Aktivist*innen nicht vereinbar mit demokratisch verfassten Institutionen ist. Es braucht eine klare Verständigung über Grenzen der Zusammenarbeit. In kleinen Gemeinden und Orten kann dies eine echte Herausforderung sein, entweder weil es kaum Alternativen gibt, da der örtliche Fußballverein von Neonazis unterwandert ist, oder weil es auch eine Abgrenzung zu engagierten Anwohner*innen bedeuten kann, die sich ehrenamtlich in die Arbeit einbringen wollen und sogar Geld spenden. Dann ist eine transparente Kommunikation und Begründung erforderlich, die für Mitarbeitende, Unterstützer*innen und Anwohner*innen nachvollziehbar erklärt, warum auf Kooperationen oder Unterstützung verzichtet wird. Zivilgesellschaftliche Initiativen können eine Vorbildrolle in ihrem Sozialraum einnehmen und eine Bewusstseinsbildung fördern, dass mit Sympathisant*innen und rechtsextrem orientierten Menschen gesprochen und gearbeitet wird, aber eben nicht mit Kadern, Funktionär*innen oder einschlägig bekannten Aktivist*innen der extremen Rechten. Ausstiegsorientierte Arbeit sollte unbedingt mit gut und fachlich sorgsam ausgewählten Ausstiegsberatungsstellen erfolgen, die es in jedem Bundesland gibt.
Aussteiger*innen-Programm in Berlin: www.crossroads-berlin.net
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt