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Gesund bleiben

Erzieher*in sein ist kein Zuckerschlecken

Erzieher*innen brauchen mehr Zeit, mehr Platz, eine bessere Bezahlung und mehr Wertschätzung für ihre Arbeit.

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Foto: Alexander Paul Englert

Zehn Jahre ist es her, dass mit dem Ausbau der Ganztagsschulen begonnen wurde. Seit der flächendeckenden Einführung der Ganztagsgrundschule hat es die Senatsbildungsverwaltung nicht ausreichend geschafft, die Arbeitsbelastung von Erzieher*innen zu untersuchen, zu mindern oder Arbeitsbedingungen zu schaffen, um die Gesundheit der Kolleg*innen zu erhalten und zu fördern. So hat die Rudow-Studie aus dem Jahr 2015 aufgezeigt, in welch engem Zusammenhang die strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Berliner Ganztagsgrundschulen zu den körperlichen und psychischen Gesundheitsrisiken der Erzieher*innen stehen. Ähnliches darf man getrost auch für die Berliner Kitas sagen. Die Ergebnisse der Rudow-Studie, die alarmierend waren, haben bislang zu keinem Umdenken geführt. Auch heute empfinden Berliner Erzieher*innen die Wertschätzung ihrer Arbeit als unzureichend. Das Burn-out-Risiko ist bei ihnen signifikant höher und die Arbeitszufriedenheit deutlich geringer, als in anderen pädagogischen Berufen. Da die zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen nicht ausreichen, besteht ein gravierendes Missverhältnis zwischen den zu erledigenden Aufgaben und der Anzahl der zu betreuenden Kinder. Verstärkt wird dieses Missverhältnis dadurch, dass Erzieher*innen für Tätigkeiten eingesetzt werden, für die eigentlich keine personellen Ressourcen zur Verfügung stehen. 

Das führt zu Stress, Druck und damit verbunden zu erhöhten körperlichen und psychischen Risiken und Beschwerden. Zudem haben die Entwicklungsziele für den Ganztag und die daraus resultierenden Aufgaben der Erzieher*innen im Schulalltag eine untergeordnete Bedeutung.

Sie werden häufig überlagert von Aufgaben, die die Erzieher*innen zur Unterstützung des Unterrichts zu erbringen haben. Auch in der Ganztagsschule hat der Unterricht Vorrang vor der informellen Bildung, also dem außerunterrichtlichen Bereich. Die Erzieher*innen erleben so keine Verlässlichkeit mehr für ihre Aufgabenfelder und erleben geringe Wertschätzung ihrer Ideen und Arbeit. Hier liegt eine wesentliche Ursache für die von vielen Erzieher*innen erlebte Anerkennungskrise mit den damit verbundenen gesundheitsgefährdenden Auswirkungen. An Zeit und personellen Ressourcen mangelt es an fast allen Stellen. Das trifft für die Kooperation mit Lehrkräften genauso zu, wie für die mittelbare pädagogische Arbeit (mpA). Die dafür erforderlichen Zeiten stehen nicht verbindlich und verlässlich zur Verfügung. Auch dies führt zu Stress, Druck und dem Gefühl, den gestellten und eigenen Anforderungen nicht genügen zu können. Ferner fehlen an vielen Schulen Rückzugs- und Pausenräume für Erzieher-*innen. Fehlen Unterrichtsräume, werden Räume des Freizeitbereiches umgewandelt. Auch das Schulgesetz ist nicht frei von Diskriminierung. 

Pädagogische Konzepte weiterentwickeln

Hohe Anforderungen, schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind auch die Realität für viele Krippen- und Kitaerzieher*innen. Senatorin Sandra Scheeres hat es auch hier versäumt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, um der Kitakrise zu begegnen. Stattdessen stopft sie die Personallöcher mit Quereinsteiger*innen und erhöht deren Anteil auf ein Drittel. Und auch deren Arbeitsbedingungen machen krank, denn die Doppelbelastung der Ausbildung und der Arbeit vor Ort führen zu erhöhter Burn-out-Gefahr und anderen Gesundheitsproblemen. Oft müssen Quereinsteiger*innen sofort zu Ausbildungsbeginn Verantwortung übernehmen, ohne darauf vorbereitet zu sein. Lern- und Erholungszeiten kommen viel zu kurz. Viele der Arbeitsverträge genügen den arbeitsrechtlichen Mindeststandards nicht. Derzeit betreuen Krippen-Erzieher*innen im Schnitt vier bis fünf Kinder, Kita-Erzieher*innen in etwa neun. Es gibt Tage, da müssen sie wesentlich mehr Kinder betreuen, manchmal mehr als 25. Der Personalmangel ist stetig spürbar und Krankheitsfälle können oft nicht aufgefangen werden. Personalmangel macht krank und ist mittlerweile Berliner Standard.

Aber trotz der schlechten Rahmenbedingungen können die meisten Erzieher*innen ihrem Beruf immer (noch) positive Seiten abgewinnen. Dazu zählt in erster Linie die unmittelbare Arbeit mit den Kindern. Deren Qualität leidet allerdings, wenn die Erzieher*innen weiterhin unter Rahmenbedingungen, die krankmachen, arbeiten müssen. Unumgänglich sind zum einen Investitionen in die strukturellen Rahmenbedingungen und die pädagogische Weiterentwicklung von Kita und Ganztagsschule. 

Die GEW BERLIN fordert, dass die Tätigkeit der koordinierenden Erzieher*innen als Leitungstätigkeit anerkannt, bewertet und entsprechend vergütet wird. Sie initiieren die konzeptionelle Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit, die Zusammenarbeit mit anderen Professionen in der Schule, sind Ansprechpartner*innen für Familien und sichern die Kooperation mit verschiedenen Partner*innen im Sozialraum. Anzustreben ist eine Freistellung für Leitungstätigkeit analog zu der von Kitaleiter*innen. Bisher hat die Anzahl der zu betreuenden Kinder keine Auswirkungen auf die Zumessung von Leitungsstunden. 

Aufgabe der Senatsbildungsverwaltung ist es außerdem, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeit der Erzieher*innen prinzipiell eine höhere gesellschaftliche und finanzielle Wertschätzung erfährt. Der Mangel an Erzieher*innen wird sich nur verschärfen, wenn sich die schlechte Bezahlung und die schlechten Arbeitsbedingungen nicht endlich ändern. 

Unsere Kolleg*innen wünschen sich Sicherheit und Verbindlichkeit. Und nur mit mehr Ressourcen und Personal können sie die verdiente Entlastung spüren und gesund bleiben. Für die psychische Gesundheit der Erzieher*innen hat die mangelnde Wertschätzung und Anerkennung verheerende Folgen. Hier ist dringend ein Umsteuern erforderlich!    

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Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46