Schwerpunkt "Zusammen den ganzen Tag"
Erzieher*innen brauchen mehr Zeit und Raum
Sie sind am Lern- und Lebensort Schule wichtige Begleiter*innen der Kinder und leisten anspruchsvolle Bildungs- und Erziehungsaufgaben.
Die Anforderungen an den Erzieher*innenberuf haben sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Dennoch wird an dem alten Modell zur Berechnung der Jahresarbeitsminuten festgehalten, welches unter anderem Krankheiten, Urlaub und Fortbildungen einkalkuliert. Das bedeutet gemäß den aktuellen Zumessungsrichtlinien, dass die Personal-Schüler*innen-Relation bei 1:22 liegt. Kinder benötigen aber keine rechnerischen Bruchteile von Erzieher*innen, sondern ganze Personen, die für sie da sind.
Ein akuter Personalmangel ist vorprogrammiert
In Zeiten von Krankheitswellen läuft die ergänzende Förderung und Betreuung am Nachmittag an vielen Schulen am Limit. Das liegt mitunter daran, dass es noch immer keine Vertretungsreserven für Erzieher*innen gibt. Schulleitungen, Koordinierende Fachkräfte, Personalvertretungen und Gewerkschaften fordern seit Jahren eine verlässliche Ausstattung von 110 bis 120 Prozent, um derartige Situationen besser abfangen zu können, sowie den notwendigen Förderplanungen und neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Zumindest die Möglichkeit einer Einstellung von befristeten Personal oder die Kooperation mit einer Zeitarbeitsfirma könnte für die nötige Entlastung sorgen.
Die Realität sieht jedoch häufig so aus, dass Klassen am Nachmittag auf andere Gruppen aufgeteilt werden müssen oder die gruppenfreie koordinierende Fachkraft am Nachmittag in einer Schüler*innengruppe arbeitet. Bei einem Kollegium von 13 Erzieher*innen fallen durchschnittlich zwei Kolleg*innen wegen Krankheit und eine wegen Urlaub aus. Sobald dann noch Fortbildungen, Elternzeiten und sonstige Ausfälle eintreten, ist das Kollegium halbiert. Das bedeutet, dass im besten Fall 30 Kinder von einer Person betreut werden. Immer wieder rufen Schulen ihre Eltern auf, zu prüfen, ob ihre Kinder nicht wegen eines akuten Personalmangels daheim betreut werden können. Dieser Form der personellen Kapitulation stehen wir nicht erst seit gestern gegenüber. Die kontinuierliche Arbeit und die Planungen der Kolleg*innen fallen komplett nach hinten. Ob nun offene oder geschlossene Gruppenkonzepte: Die zeitweise Unterausstattung macht ein bedarfsgerechtes Arbeiten beinahe unmöglich. Die Nachteilsausgleiche, für die unter anderem die Facherzieher*innen für Integration zuständig sind, können unter diesen Umständen nicht mehr geleistet werden, da sie im normalen Gruppendienst eingesetzt sind und Projekt- oder Kleingruppenarbeiten somit entfallen.
Multiprofessionelle Teams stärken
Erzieher*innen im Ganztag sind nicht nur für die Nachmittagsbetreuung an den Schulen da, sondern ergänzen die wichtigen multiprofessionellen Teams. Sie ermöglichen Förderunterricht und Begleitung von Kindern, die noch Unterstützung brauchen. Sie und die Lehrkräfte allein können jedoch nicht alle Herausforderungen meistern, die sich in den Bildungseinrichtungen ansammeln. Die Hilfen, die Schüler*innen, Eltern und Kolleg*innen brauchen, sollten doch im Idealfall unter einem Dach zu finden sein, um die Wege so kurz wie möglich zu halten und Effektivität zu ermöglichen. Also braucht es eine verbindliche Ausstattung von ausreichend Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, Therapeut*innen und weiteren Professionen an Schulen, welche Hand in Hand arbeiten und die Zeit für Absprachen und beispielsweise gemeinsame Förderplanungen haben.
Für den professionellen Ausbau des Ganztags braucht es darüber hinaus genug Zeit, um die gute Arbeit vorbereiten beziehungsweise reflektieren zu können. Es müssen Elterngespräche geführt und dokumentiert werden, es braucht individuelle Förderpläne, das pädagogische Angebot muss vorbereitet werden, Falldokumentationen gehören angefertigt und Absprachen mit anderen Professionen müssen durchgeführt werden. Die Senatsverwaltung versprach in diesem Zusammenhang die bestehende Dienstvereinbarung zur mittelbaren pädagogischen Arbeit zu evaluieren, lässt den eindeutigen Ergebnissen jedoch keine Taten folgen. Dann werden also auch in Zukunft Alltagsarbeiten priorisiert und im Zweifelsfall liegen gelassen werden müssen.