Schule
»Es wird viel Kraft und Mittel kosten, das wiederaufzubauen«
Einschnitte bei etlichen Bildungsprojekten werden langfristige Folgen haben.
Ende Februar wurde über die Presse eine Kürzungsliste der CDU-Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch bekannt. Nach den massiven Kürzungen Ende 2024 wurden zahlreichen Trägern die Mittel aus dem Bildungsetat gekürzt. Besonders drastisch hat es Organisationen getroffen, die diskriminierungskritische Perspektiven stärken und sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Es geht um Projekte, die zu sexueller Vielfalt aufklären, sich gegen Antisemitismus engagieren, in der Gewaltprävention tätig sind, mit geflüchteten Kindern arbeiten oder Kulturangebote für Kinder und Jugendliche machen. Die landesgeförderten und stadtweit tätigen Programme haben sukzessive erfahren, dass die Zuwendungen zum 31. März 2025 entweder vollständig eingestellt werden oder sie deutlich weniger erhalten als noch im Dezember 2024 angekündigt. Dass es seitens der Bildungsverwaltung nicht einmal Gespräche mit den Trägern und den Beschäftigten gab, zeigt wie gering das Interesse am Erhalt der Strukturen ist.
Mittelumschichtungen können manche Härten abfedern
Gegen die Kürzungen gab es lauten Protest, zum Beispiel bei der großen #unkürzbar-Demo am 22. Februar, zu der auch die GEW BERLIN aufgerufen hatte. Es war ein Zeichen dafür, dass viele Menschen den Kahlschlag nicht hinnehmen, sondern ein solidarisches Berlin wollen. Die GEW BERLIN hat gemeinsam mit QUEERFORMAT, Migrationsrat und Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) in einer Pressekonferenz Ende Februar die Kürzungen scharf kritisiert und ihre Rücknahme gefordert. Der Protest hat zumindest teilweise Wirkung gezeigt. Für einige Projekte konnten alternative Finanzierungsquellen gefunden werden. Anfang März verkündete die SPD-Senatorin Kiziltepe, dass die von ihr geführte Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung einen Teil der Finanzierungen übernehmen würde. Aus dem »Rettungsfonds« würden dann Mittel für die KIgA, meet2respect, i-Päd und andere zur Verfügung gestellt werden. Allen drei Trägern wurden die Mittel aus dem Bildungsetat komplett gestrichen. Die KIgA hat sich bundesweit einen Namen in der Präventionsarbeit zu Antisemitismus und Rassismus gemacht und leistet einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung in der Migrationsgesellschaft. Das Projekt meet2respect organisiert gemeinsame Unterrichtsbesuche von jüdischen und muslimischen Religionsvertreter*innen. Bereits vor den Kürzungen konnten beide Organisationen den hohen Bedarf an den Schulen kaum abdecken. Die Kompetenzstelle i-PÄD bietet Schulungen und Prozessbegleitung für pädagogische Fachkräfte zu intersektionaler, diskriminierungskritischer Bildung an.
Zu den Projekten, denen sämtliche Mittel aus dem Bildungsetat gestrichen wurden, gehört auch die Fachstelle QUEERFORMAT. Sie erstellt Bildungsmaterial und bietet Schulungen sowie Prozessbegleitung für Pädagog*innen in Schulen, Kitas und Jugendhilfe zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an. Nach den Protesten wurde verlautbart, dass QUEERFORMAT wohl weiter Mittel über die Bildungsverwaltung erhalten soll, aber in geringerer Höhe.
Ebenfalls im Bildungsetat gestrichen wurde ein Präventionsprojekt von BIG e.V., welches Berliner Grundschulkinder stärkt, sich bei Gewalt Hilfe zu suchen und den Kreislauf intergenerationeller Gewalt zu durchbrechen. Dies soll nun scheinbar über die Landeskommission gegen Gewalt gefördert werden.
Für viele Projekte gibt es keine Perspektive
Für viele weitere Projekte, die einen wichtigen Beitrag zur ganzheitlichen Bildung in Berlin leisten, ist unklar, wie es weitergeht. So wird zum Beispiel bei Empowerment-Projekten für Kinder in Unterkünften für Geflüchtete sowie bei Angeboten für Vorschulkinder mit Fluchterfahrung gekürzt. Vor allem die kulturelle Bildung ist erneut stark von den Kürzungen betroffen. Die ErzählZeit ist in ihrer Existenz bedroht. Das Programm stärkt die Sprachkompetenz von Kindern in Kitas und Schulen. Die Förderung kommt gerade Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache zu Gute. Weitere Mittel wurden beim Kulturmonat, bei der Tempelhofer Zirkusschule, dem Hip-Hop-Mobil und dem Singprojekt des Rundfunkchors gestrichen. Das Fortbildungsprogramm für Lehrkräfte »KontextSchule« steht ebenso vor dem Aus. Viele Kinder werden direkt davon betroffen sein, wenn es plötzlich deutlich weniger kulturelle Bildungsangebote gibt. Etliche weitere Projekte sind betroffen.
Auch wenn für manche Projekte Mittel von anderer Stelle bereitgestellt wurden, so steht ihnen insgesamt weniger Geld zur Verfügung. Durch die Umschichtung erhalten nun auch andere Projekte nur noch eine Teilfinanzierung. Diese Verschiebung führt zu einer unnötigen Konkurrenz zwischen den Projekten, die letztlich alle um ihr Überleben kämpfen. Die Erleichterung an einer Stelle bedeutet Verlust an anderer Stelle. Eine langfristige und nachhaltige Lösung ist dies nicht.
Bei vielen Akteur*innen herrscht durch die wiederholt im Raum stehenden Kürzungen eine große Verunsicherung. Anstatt ihre wichtige fachliche Arbeit kontinuierlich und nachhaltig leisten zu können, müssen sich die Träger immer wieder mit der volatilen Finanzierung beschäftigen. Dass es eine strukturelle Absicherung von gesellschaftlich relevanten Unterstützungsangeboten braucht, sollte ohne Frage sein. Auch sollten Mittel für Bildungsprojekte grundsätzlich immer aus dem Bildungsetat finanziert werden und nicht auf Kosten von ebenso wichtigen Strukturen im Sozialbereich gehen.
Schulen brauchen starke Strukturen
Die Auswirkungen der Kürzungen auf die betroffenen Kinder und Jugendlichen werden sehr spürbar werden. Insgesamt wird es auf eine deutliche Reduzierung von Schulworkshops sowie Fortbildungen, Beratungen für Pädagog*innen hinauslaufen. Viele Angebote der kulturellen Bildung und Angebote, die vulnerable, marginalisierte und von Diskriminierung betroffene Kinder und Jugendlichen besonders im Blick haben, wird es nicht wie bisher geben. Bereits die im Nachtragshaushalt für 2025 vorgenommenen Einschnitte betreffen besonders jene schulischen Strukturen, die sozioökonomische Benachteiligungen abfedern sollen oder Kinder in schwierigen Situationen gezielt unterstützen. Bei der Schulsozialarbeit wurde stark gekürzt, und auch beim Bonusprogramm stehen Kürzungen im Raum. Der Wegfall von Unterstützungsstrukturen führt zu einer zusätzlichen Belastung für Lehrkräfte und schulisches Personal, die die pädagogischen Herausforderungen nun ohne fachliche Begleitung auffangen müssen – obwohl sie ohnehin bereits stark ausgelastet sind. Die Schulen sind mehr denn je auf verlässliches multiprofessionelles Personal und starke außerschulische Expert*innen angewiesen, die sie bei der Umsetzung ihres Bildungs- und Schutzauftrags und vielfältigen Anforderungen unterstützen.
Es ist noch nicht zu spät
Die Kürzungen sind Teil einer besorgniserregenden gesellschaftlichen Entwicklung. In einer Zeit zunehmender Diskriminierung sind gerade diskriminierungskritische Ansätze besonders nötig. Auch Angebote der kulturellen Bildung, in denen Gemeinschaft erlebbar ist, Brücken gebaut, Spaltungen überwunden werden, sind nicht wegzudenken. Wird in diesen Bereichen so massiv gekürzt, werden gewachsene Strukturen, die für die Schulen und die gesamte Bildungslandschaft in Berlin unverzichtbar sind, zerstört. Es wird sehr viel Kraft und Mittel kosten, das wiederaufzubauen. Damit es gar nicht so weit kommt, müssen die Kürzungen zurückgenommen werden! Es ist noch nicht zu spät.