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EXTRA: queere Bildungswelten

FAQ zu TIN*-Schüler*innen

TIN*-Schüler*innen gehören zu einer besonders vulnerablen Gruppe und sind auch auf Beistand durch die pädagogischen Fachkräfte angewiesen. Mit Antworten auf häufige Fragen wollen wir Orientierung bieten.

Foto: IMAGO

Trans*, inter und nichtbinäre (im Folgenden TIN*) Schüler*innen können heute offener ihre geschlechtliche Identität leben als frühere Generationen. Dennoch erfahren sie im Schulalltag häufig Diskriminierung – durch Mitschüler*innen, Pädagog*innen, Schulleitung oder weiteres Personal. Belastend können zudem nichtunterstützende Elternhäuser wirken. Die folgenden Fragen sollen Pädagog*innen ermöglichen, Schüler*innen rechtlich informiert zu unterstützen.

 

Was bedeutet trans*, inter* und nichtbinär?

Medizinisch-biologisch wird zwischen endo- (männlich/weiblich) und intergeschlechtlich unterschieden. Inter* Personen haben von Geburt an körperliche Merkmale (beispielsweise Chromosomen, Hormone, Anatomie), die nicht eindeutig »männlich« oder »weiblich« zugeordnet werden können. Ihre geschlechtliche Identität kann vielfältig sein.

Die geschlechtliche Identität beschreibt die persönliche Wahrnehmung des eigenen Geschlechts und wird unter anderem psychologisch als Teil des Geschlechts anerkannt. Sie kann binär (männlich/weiblich) sein oder darüber hinausgehen.

Trans* und nichtbinäre Menschen identifizieren sich nicht oder nicht vollständig mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht. Nichtbinäre Identitäten liegen außerhalb der Kategorien »Mann« und »Frau«. Nichtbinäre Personen können trans* sein, aber nicht alle trans* Personen sind nichtbinär. Menschen, deren Identität mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, nennt man cis.

 

Wie funktioniert die rechtliche Anerkennung minderjähriger TIN*- Menschen? 

Seit dem 1. November 2024 ermöglicht das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) eine vereinfachte Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag im Geburtenregister. Bis zum 13. Lebensjahr geben die Sorgeberechtigten die Erklärung ab – ab 5 Jahren im Beisein des Kindes. 

Ab 14 Jahren können Jugendliche die Erklärung selbst abgeben, benötigen aber die Zustimmung der Eltern. Möglich sind die Einträge »weiblich«, »männlich«, »divers« oder die Streichung des Eintrags. 

Verweigern Eltern die Zustimmung, kann das Familiengericht diese im Sinne des Kindeswohls ersetzen. Zwischen Anmeldung und Erklärung beim Standesamt muss eine Frist von drei bis sechs Monaten liegen. Für Minderjährige gibt es keine Sperrfrist für eine erneute Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag – außer diese Wartezeit. Pädagog*innen können Eltern und Schüler*innen über diese Möglichkeiten informieren.

 

Dürfen sich Schüler*innen ihre Namen und Pronomen einfach aussuchen?

Ja. Die geschlechtliche Identität ist durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) geschützt. TIN*-Personen dürfen Namen und Pronomen wählen, die ihrer Identität entsprechen. Dieses Grundrecht gilt altersunabhängig – auch Kinder haben das Recht, ihre geschlechtliche Identität zu finden und auszudrücken.

 

 

Muss ich den Eltern mitteilen, wenn sich ihr Kind bei mir als TIN* geoutet hat?

Nein. Zwar verpflichtet § 4 Abs. 1 Berliner Schulgesetz zur Zusammenarbeit mit Eltern, doch endet diese Pflicht, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Ein Coming-Out oder ein unfreiwilliges Outing kann für TIN*-Schüler*innen erhebliche Risiken wie psychische Belastung, Gewalt oder Wohnungslosigkeit bedeuten. Daher ist zunächst mit dem Kind zu klären, warum es sich nicht gegenüber den Eltern geoutet hat.

Pädagog*innen sollten die familiäre Situation sorgfältig einschätzen und ggf. den Schutz des Kindes sicherstellen. Sie haben laut Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (§ 4 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 6 und 7 KKG) Anspruch auf Beratung durch das Jugendamt. Die Einbindung spezialisierter LSBTIAQ*-Beratungsstellen wie die Inter*Trans*Beratung Queer Leben oder »QUEERFORMAT – Fachstelle queere Bildung« wird dringend empfohlen.

 

Dürfen selbstgewählte Namen und Pronomen benutzt werden, auch wenn noch keine amtliche Personenstands- und Vornamensänderung erfolgt ist?

Ja. TIN*-Schüler*innen haben laut Grundgesetz das Recht, im Schulalltag mit Namen und Pronomen angesprochen zu werden, die ihrer geschlechtlichen Identität entsprechen – unabhängig von einer amtlichen Änderung.

Das Berliner Schulgesetz (§ 4 Abs. 2 SchulG) verpflichtet Schulen zum Schutz vor Diskriminierung, auch durch die Verwendung von unerwünschten Namen (»Deadname«) oder falschen Pronomen. Zusätzlich schützt das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) vor Diskriminierung durch staatliches Handeln.

In schulischen Dokumenten sollten selbstgewählte Namen verwendet werden, um Identifizierbarkeit sicherzustellen und um unabsichtliche Nutzungen von Deadnames zu vermeiden. 

Ein Coming-Out kann Änderungen in schulischen Dokumenten zur Folge haben. Es kann aber auch Auswirkungen auf Sportunterricht, Toiletten- und Umkleidennutzung haben. Hier sind individuelle Lösungen gefragt – Fachberatungen wie zum Beispiel durch QUEERFORMAT – Fachstelle Queere Bildung können dabei unterstützen.

 

Was gilt für das Klassenbuch, Noten­buch, Kursbuch, Schüler*innenkartei und Unterlagen der ergänzenden Förderung und Betreuung (eFöB)?

Namen gelten laut DSGVO (Art. 4 Nr. 1) als personenbezogene Daten und dürfen nur mit Einwilligung oder auf gesetzlicher Grundlage verarbeitet werden. In Berliner Schulen regeln dies das Schulgesetz und die Schuldatenverordnung (SchulDatenV).

•          Schüler*innenbögen (§7 SchulDatenV): Es wird auf Stammdaten der Schüler*innen gemäß Anlage 1 der SchulDatenV verwiesen – dort ist der vollständige »Name« und das rechtliche Geschlecht hinterlegt. Vor einer Personenstandsänderung kann der selbstbestimmte Name als »Rufname« eingetragen werden.

•          Schüler*innenkartei (§ 9 SchulDatenV): Dort ist der »Name« aufgeführt. Da der Zweck der Kartei die schnelle Ermittlung der erforderlichen Information für laufende Verwaltungsgeschäfte ist, sollte dieser zwingend auch den »Rufnamen« enthalten.

•          Klassen-, Kursbücher und Anwesenheitsnachweise (§ 10 SchulDatenV): Es sind Name und Geburtsdatum zu führen, das rechtliche Geschlecht nicht. Hier muss nicht zwingend der amtliche Vorname enthalten sein und es kann auch nur der Rufname genutzt werden. 

•          Leistungsdokumentation (§ 10 Abs. 4 SchulDatenV): Muss in »geeigneter Weise« erfolgen – das schließt die Nutzung des selbstgewählten Namens ein.

•          Unterrichtsbuch für Fördermaßnahmen, eFöB-Unterlagen, Sonderpädagogische Förderbögen und interne Aktenführung: Es bestehen keine rechtlichen Bedenken bei Verwendung des selbstbestimmten Namens. 

 

Dürfen auch Zeugnisse auf selbstbestimmte Namen ausgestellt werden, wenn noch keine amtliche Personenstands- und Vornamensänderung erfolgt ist?

In Berlin derzeit nein. Zeugnisse gelten als amtliche Urkunden und müssen laut Senatsverwaltung vollständig und korrekt sein. Daher dürfen sie nur den amtlich eingetragenen Namen enthalten.

Allerdings beurkunden Zeugnisse Leistungen, nicht Identität. Um Fremdouting und Diskriminierung zu vermeiden, sollen auf Antrag auch vor einer amtlichen Änderung selbstgewählte Namen verwendet werden. Da der rechtliche Änderungsprozess vier bis sechs Monate dauern kann, sollten Schüler*innen und Eltern entsprechend beraten werden.

 

Kann der gewählte Name im Berliner Schulportal und anderen digitalen Lösungen ohne amtliche Personen­stands- und Vornamens­änderung verwendet werden?

Ja. In digitalen Plattformen wie dem Schulportal oder Schulmessenger ist die Nutzung des selbstgewählten Namens möglich und wichtig, um TIN*-Schüler*innen respektvoll anzusprechen. Laut § 4 Abs. 2 und 5 SchulG ist vor Diskriminierung zu schützen – das schließt die Nutzung des selbstbestimmten Namens ein.

In der Berliner LUSD kann der selbstgewählte Name als »Rufname« hinterlegt werden. Diese Daten fließen in die Erstellung von Nutzer*innen-Accounts für das Schulportal ein, das Zugang zu Lernplattformen und Kommunikationstools bietet. Gleichzeitig werden diese Daten auch für Zeugnisse verwendet. Die digitalen Systeme werden kontinuierlich von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Abt. VII) weiterentwickelt.

 

Die Antworten in diesem Artikel basieren auf fachspezifischen und vertrauenswürdigen Quellen und sind sorgfältig recherchiert. Die Antworten ersetzen nicht die einzelfallbezogene, rechtsverbindliche Information bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.

 

Dieser Text wurde inspiriert von einem Artikel in der Zeitschrift Erziehung & Wissenschaft 10/2024 der GEW SACHSEN.

 

 

Progress-Flag

Die sogenannte Progress Flagge wurde 2017 von dem*r nichtbinären Grafikdesigner*in Daniel Quasar entworfen. Sie enthält ergänzend zur Pride-Flag auf der linken Seite einen Keil mit Streifen in hellblau, 

rosa und weiss für die Trans* Community, sowie Streifen in braun und schwarz für die BIPOC Community. Dieser Keil/Pfeil soll symbolisieren, dass noch einiges an Fortschritt vor uns liegt und soll ein besonderes Augenmerk auf trans* Menschen, Schwarze und andere Personen of Color legen.