Hochschule
Feiern vertagt
Das neue Berliner Hochschulgesetz stellt wichtige Weichen für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Nun gilt es, seine Umsetzung zu sichern.
Paukenschlag in Berlin: »Wissenschaftliches und nichtwissenschaftliches Personal an den Berliner Hochschulen ist grundsätzlich unbefristet einzustellen«. Vor dem Hintergrund der jüngsten Proteste gegen das Befristungsunwesen in der Wissenschaft hat diese Maxime bundesweit Strahlkraft. Für das wissenschaftliche Personal jenseits der Professur stellt das neue Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) eine echte Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Aussicht. Hangelten sich viele bisher von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten, bieten sich ihnen nun erstmals langfristige Perspektiven.
Fortschritte bei der Mitbestimmung
Das Gesetz schreibt vor, dass promovierte Mitarbeiter*innen, die sich ausdrücklich für eine Tätigkeit in Lehre und Forschung in den Hochschulen qualifizieren, unbefristet zu beschäftigen sind, sofern sie vorher festgelegte wissenschaftliche Leistungen erbringen. Im Kern geht es darum, auch außerhalb einer Professur dauerhaft Wissenschaft als Beruf ausüben zu können. Befristete Verträge sind nur noch zur Promotion, in Drittmittelprojekten und zur Vertretung zulässig – die allerdings den Großteil des wissenschaftlichen Personals ausmachen. Zudem steht Mitarbeiter*innen auf befristeten Qualifizierungsstellen nun mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit für die eigene Forschung zu.
Der Gesetzestext wartet auch jenseits der Personalregelungen mit positiven Neuerungen auf, etwa mit der Einführung der Beauftragten für Diversität und Antidiskriminierung, der Promovierenden-Vertretung und dem Recht auf Teilzeitstudium. Das Gesetz schafft außerdem die rechtlichen Voraussetzungen für Department-Strukturen, einer Alternative zu den hierarchisch-patriarchalen Lehrstühlen. Auf Druck der Fachhochschulen, die laut Gesetz fortan auch in Berlin »Hochschulen für Angewandte Wissenschaften« (HAW) heißen, erhalten sie nun ein Promotionsrecht.
Die Korken sollten dennoch nicht vorzeitig knallen. Entscheidende Kritikpunkte bleiben aus gewerkschaftlicher Sicht bestehen. Die berufliche Sackgasse der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen mit Schwerpunkt Lehre wurde nicht angetastet. Auch wurden keine Regelungen zum Mindestarbeitsumfang für wissenschaftliches Personal getroffen, um dem leidigen Trend der Teilzeitstellen entgegenzuwirken. Die Hochschulen haben nach wie vor Möglichkeiten, von Regelungen des BerlHG abzuweichen. Vor allem aber fehlte den Koalitionär*innen der Mut, die Viertelparität in allen universitären Gremien durchzusetzen. Damit fehlt den Statusgruppen jenseits der Professur die Macht, die Anwendung der vorgesehenen Personalkategorien überhaupt durchzusetzen, wie die Humboldt-Universität direkt demonstrierte. Denn kaum war das Gesetz beschlossen, rasselten Unter den Linden schon die Säbel. Die Humboldt--Universität stellte in Aussicht, fortan keine promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen mehr auf Haushaltsstellen einzustellen oder zu verlängern, da das mit Blick auf die Entfristungsvorgaben nicht länger finanzierbar sei.
Klare Ziele und Sanktionen festlegen
Das Beispiel belegt, was eigentlich bekannt sein dürfte: Es wäre fatal, die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben den Hochschulen nun im Vertrauen auf ihr Verantwortungsbewusstsein zu überlassen. Vielmehr müssen in den kommenden Vertragsverhandlungen zwischen Hochschulen und Senat klare Zielvorgaben und vor allem Sanktionsmaßnahmen festgelegt werden. Eine Mindestmarke an einzustellenden promovierten Mitarbeiter*innen mit festgelegtem Arbeitszeitumfang und begrenzter Lehrbelastung etwa könnte der Blockadehaltung den Riegel vorschieben. Anstatt das Gesetz zu feiern, gilt es jetzt, vereinte Kraft darin zu stecken, seine Umsetzung und damit die Strukturen für langfristige Perspektiven für die Mitarbeiter*innen über die Hochschulverträge zu sichern.