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Gewerkschaft

Feminismus geht nur zusammen

Das Landesgleichstellungsgesetz war das Ergebnis der kombinierten Anstrengung unterschiedlicher feministischer Gruppen. Die Geschichte zeigt, dass Frauenrechte nur gemeinsam erkämpft werden können.

Foto: Adobe Stock

Im Jahr 1991 trat das Landesgleichstellungsgesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Berliner Landesdienst (LGG) in Kraft. Als ich in den 1980er Jahren die erste Berliner Senatsfrauenbeauftragte war, war die Forderung nach Einführung eines solchen Gesetzes zwar schon in der politischen Diskussion, aber seine Umsetzung noch in weiter Ferne. In der breiteren Öffentlichkeit waren noch erhebliche Vorbehalte gegen jede Art von Frauenförderung zu hören, insbesondere in männlich dominierten Entscheidungsgremien. Die Widerstände in Wirtschaft und Verwaltung waren enorm, konnten aber dank der funktionierenden Kooperation zwischen den Frauenorganisationen schließlich überwunden werden. Wie durch die gemeinsamen Anstrengungen verschiedener feministischer Gruppen solche Hürden genommen werden können, will ich in diesem Text mit Beispielen aus meiner eigenen Erfahrung veranschaulichen. Zunächst soll aber der historische Vorlauf des Kampfes um die Gleichstellung der Frauen umrissen werden.

Historische Kämpfe

Die politische Frauenszene im Berlin der 80er Jahre, so wie ich sie erlebte, war besonders aktiv, aber auch tief zerstritten zwischen »autonomer Frauenbewegung«, die sich staatskritisch verstand, und den sogenannten bürgerlichen Frauenorganisationen, die sich auf die Förderung von Bildung und rechtliche Gleichstellungsforderungen konzentrierten. Eine Kooperation wurde von beiden Seiten verweigert.

Diese Trennlinie war in der Geschichte der gesamten deutschen Frauenbewegung seit 1848 immer wieder zu beobachten. Im Preußen des 19. Jahrhunderts waren die Lebensbedingungen der Frauen radikal unterschiedlich: Auf der einen Seite große Massen armer Arbeiterinnen und Bäuerinnen, auf der anderen wohlhabende bürgerliche Frauen. Gemeinsam war ihnen die Einschränkung ihrer Freiheiten durch die männlich dominierte Gesellschaft.

Als die Unterordnung der Frau unter den Mann im Jahre 1900 durch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches mit dem sogenannten »Gehorsamsparagraphen « kodifiziert wurde, verstärkte das den Einigungsdruck in der Frauenbewegung. Die Frauenverbände kämpften gemeinsam dagegen an. Viele heute fast vergessene politische Vorkämpferinnen mussten deshalb unter schweren Repressionen durch die Staatsmacht leiden. Aber diese Verfolgung wurde in einer Flut von Protestversammlungen von Frauen aus allen Lagern massiv kritisiert, was auch Wirkung zeigte.

Im Jahr 1918, nach Weltkriegsjahren und schweren Entbehrungen, ging plötzlich alles ganz schnell: Abdankung des Kaisers, Ausrufung der Republik, Einsetzung eines Rats der Volksbeauftragten, die die Einführung des Frauen-Wahlrechts beschlossen, Wahlen festlegten. Am 19. Januar 1919 fand die Wahl zur Nationalversammlung statt, das parlamentarische System hatte sich durchgesetzt. Plötzlich entdeckten auch die bürgerlichen Parteien, dass sie auf die Stimmen der Wählerinnen angewiesen waren.

Sie entschlossen sich zur Aufnahme von Frauen

Es gab aber auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Rückkehr zur Demokratie noch jede Menge Anlässe, sich einzubringen. In der verfassunggebenden Versammlung für das neue Grundgesetz der Bundesrepublik saßen 61 Männer und vier Frauen. Unter ihnen Elisabeth Selbert. Sie fanden einen Verfassungsentwurf vor, der ausschließlich von Männern entworfen worden war und in dessen Gleichheitsartikel das Wort »Frau« nicht vorkam. Elisabeth Selbert setzte sich dafür ein, den Artikel 3 zu ergänzen um den Satz »Männer und Frauen sind gleichberechtigt «. Der Antrag wurde zunächst abgelehnt. Selbert drohte öffentlich, dass viele Frauen sich dafür einsetzen würden, dass die Verfassung diesen Zusatz erhält, und die Gefahr bestehe, dass Frauen – die die Mehrheit der Wähler*innen stellten – die Verfassung bei der ursprünglich geplanten Volksabstimmung ablehnen könnten. Sie reiste von Versammlung zu Versammlung, waschkörbeweise trafen Protestbriefe ein. In der dann folgenden Sitzung des Hauptausschusses des Deutschen Bundestages wurde am 18. Januar 1949 einstimmig auch dieser Zusatz beschlossen. Ohne eine enge Zusammenarbeit der Frauenbewegung wäre das nicht möglich gewesen.

Aber der sogenannte »Gehorsamsparagraph « galt auch danach noch. Der § 1354 des Bürgerlichen Gesetzbuches gestand den Frauen zwar die Geschäftsfähigkeit zu und das neue Grundgesetz verlangte, dass »sämtliche Bestimmungen und Verträge im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz zu überprüfen und zu verändern sind« und setzte dafür eine Übergangsfrist bis März 1953. Aber erst in den 1970er Jahren beschloss die sozialliberale Koalition endlich die Abschaffung des »Gehorsamsparagraphen«. Die DDR hatte das schon in den1950er Jahren beschlossen.

In meinem eigenen Engagement für die Gleichstellung der Frauen durfte ich selbst die Erfahrung machen, wie wirkungsvoll ein geeintes Auftreten von Frauenrechtlerinnen sein kann. In Berlin in der Mitte der 1980er Jahre stieg die Arbeitslosenzahl und viele arbeitslose Berliner*innen brauchten ein Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebot. Der Senat entwickelte die umfangreiche »Qualifizierungsoffensive «, die stark nachgefragt wurde. Aber unter den Fördervorschlägen gab es keine Maßnahmen direkt für Frauen. Nachdem sich zwischen vielen unterschiedlichen Frauenorganisationen ein anerkanntes überparteiliches Berliner Netzwerk entwickelt hatte, wurde dort entschieden, sich gezielt mit Anträgen zur Frauenförderung zu bewerben. Die zuständige Senatsverwaltung für Wirtschaft unter Senator Pieroth signalisierte Interesse.

Zusammen gegen Widerstände

Ein Kreis von kompetenten Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Frauenprojekten wurde eingeladen, Ideen für gezielte Fördermaßnahmen für Frauen zu entwickeln. Innerhalb von kurzer Zeit entstand ein umfangreiches, qualifiziertes Paket von Anträgen. Das Ergebnis: Der Senat entschied sich, gezielt geeignete Maßnahmen für Frauen zu fördern, die konkreten Fördermaßnahmen wurden befürwortet. Damals ein absolutes Novum.

Aber nun musste das gesamte Förderpaket noch vom fachlich zuständigen Berliner Landesausschuss für Bildung bewilligt werden, dem traditionsreiche Vertreter*innen der Arbeitgeber und der Gewerkschaften angehörten. Die Befragung endete in einem Fiasko: Die Unterstützung dieses wichtigen Gremiums blieb aus. Unter anderem wurde argumentiert, dass die Aufgabe der Frauen doch mehr bei Haushalt und Kinderbetreuung zu sehen sei. Zitat eines Teilnehmers: »Meine Frau fühlt sich zu Hause sehr wohl.« Es genügten wenige Anrufe im Berliner Frauennetzwerk, die offenbar einen Proteststurm bei den damaligen Ausschussmitgliedern auslösten. Schließlich wurde zu einer zweiten Anhörung im Landesausschuss eingeladen und das Förderprogramm nun einstimmig bewilligt. Die Frauenbewegung hatte damals ein gemeinsames Ziel und hatte damit Erfolg. Auch folgendes Beispiel zeigt, dass sich die Mühe und Ausdauer lohnen: Als ich 1984 das Amt der Frauenbeauftragten bekleidete, vertrat die vorwiegend männliche konservative Juristenmehrheit die Auffassung, dass der Staat keine Maßnahmen zum Nachteilsausgleich für Frauen vornehmen dürfe. »Das diskriminiert Männer«, habe ich damals wörtlich zu hören bekommen. Es dauerte nochmal bis 1994 – und brauchte den Einsatz vieler prominenter Juristinnen – bis endlich das Grundgesetz im Artikel 3, Absatz 2 um folgenden Satz erweitert wurde: »Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin«. Erst dieser Halb-Satz öffnete die Türen für viele Maßnahmen, die davor undenkbar waren, 44 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes.

Es gibt noch etliche weitere Beispiele dafür, wie stark die Vorbehalte gegen eine gezielte Frauenförderung in Wirtschaft und Arbeitswelt waren und wie sie überwunden wurden. Sie zeigen, wieviel Erfolg auch heute eine überparteiliche und interdisziplinäre Kooperation aller Seiten haben kann, wenn es um die Durchsetzung eines gemeinsamen übergeordneten Zieles geht.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46