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blz 02 / 2010

Gefeiert wird erst später

Über den zähen Kampf für die Gleichbehandlung ausländischer Lehrkräfte

Die Geisteshaltung, dass »Deutschsein« für einen Führungsanspruch in der Welt schon ausreicht, war jahrzehntelang bei Anerkennungsfragen zu ausländischen Bildungsgängen erkennbar – besonders bei Lehrerbildungsfragen. Die entsprechenden Referate in den Bildungsministerien, unterstützt von einer Koordinierungsstelle beim »Ständi-gen Sekretariat der Kultusministerien (KMK)« sorgten dafür, dass deutsche Lehrerbildungsabschlüsse unvergleichlich besser erschienen als sonst wo in der Welt. Schließlich gab es nirgends ein zweijähriges Referendariat. Als Konsequenz wurden Lehrkräfte mit hei-matlicher Lehrbefähigung um mehrere Gehaltsstufen schlechter als ihre KollegIn-nen mit deutscher Ausbildung eingestuft, trotz absolut gleicher Arbeit. Dafür sorgten auch lange Zeit die Richtlinien des Tarifvertrages der Länder (TdL).

Deswegen gründeten sich innerhalb der GEW die Landesausschüsse für Multikulturelle Angelegenheiten (LAMA) und auf Bundesebene der BAMA, getragen überwiegend von KollegInnen mit türkischem Migrationshintergrund. Das war vor dreißig, fast vierzig Jahren und ein langer, zäher, nicht besonders erfolgreicher Kampf gegen die Bildungsbehörden begann.

In Berlin entstand nach dem Ende der Vorbereitungsklassen in großer Zahl ab 1981/82 immerhin eine gründliche Analyse der Ausbildung und des Einsatzes der »Lehrkräfte nach Heimatrecht« (es gab 379 solcher Lehrkräfte, davon 284 mit türkischer Herkunft 1984 in Berlin) und als Konsequenz daraus die Einrichtung des »Lehrgangs für ausländische Lehrkräfte« in den Jahren von 1986 bis 1996. In jeweils zwei Jahren Lehrgangszeit gab es in Kleingruppen Kurse in Fachdeutsch mit insgesamt 1060 Unterrichtsstunden, außerdem Allgemeine Didaktik und Schulrecht und im zweiten Kursjahr vor allem Fachdidaktik in zwei Regelfächern. Auf Betreiben des damaligen Landesschulrates Bath besuchten Oberschulräte der Senatsverwaltung den Unterricht der Lehrgangsteilnehme-rIn-nen, um über deren Fachdeutschkenntnisse zu befinden. Im Nachhinein erwies sich dieser prüfungsähnliche Schlussakkord als Segen, denn damit war der schulaufsichtliche »TÜV-Stempel« bei gut 150 KollegInnen erteilt – zunächst ohne Konsequenz: Die Absolventen mussten vor Lehrgangseintritt schriftlich bestätigen, dass sie die Festlegung der Senatsverwaltung zur Kenntnis genommen hatten, ihnen eine Höhergruppierung nach positivem Abschluss zu verweigern.

Selbst nachdem das Land Berlin unter Diepgen wegen der Gleichbehandlung von Ost- und Westangestellten aus der Tarifgemeinschaft der Länder geworfen wurde, scheiterten GEW-Versuche einer Angleichung der Bezüge für Lehrkräfte mit heimatrechtlicher Lehrbefähigung. Inzwischen hatte sich diese Gruppe durch die Staatlichen Europa-Schulen Berlin (SESB) erheblich erweitert. Hier wollten vor allem die britischen und US-amerikanischen KollegInnen die empörende Ungleichbehandlung nicht länger hinnehmen. Die Elterninitiative fairpay war dabei maßgeblich aktiv und eine Klage in Richtung EU wurde angestrengt – doch leider musste das Verfahren wegen der Heimkehr des betroffenen Kollegen abgebrochen werden. Allerdings kam es beim rapide anwachsenden Bedarf für den Englischunterricht namentlich in den östlichen Bezirken gelegentlich zu günstigeren Einstellungstarifen von Muttersprachlern.

Jetzt wurde eine Besserstellung allein der Lehrkräfte an den SESB diskutiert. Gleichzeitig kam es in Berlin bei Neueinstellungen generell zu den bis heute anhaltenden Schlechterstellungen, die zahlreiche Absolventen nach Hamburg, Hessen oder ins Schwabenland vertrieb.

Am 27. September 2008 wurde die EU-Richtlinie 2005/36/EG für Lehrkräfte vom Abgeordnetenhaus als »Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie ….« verabschiedet. Als Voraussetzungen für die Gleichbehandlung der Lehrkräfte nach Heimatrecht wurden gute Sprachkenntnisse, langjährige Unterrichtspraxis und erfolgreiches Durchlaufen eines Anpassungslehrgangs genannt.

Der Berliner LAMA erkannte nun sehr schnell, dass die beschriebenen Voraussetzungen mit der erfolgreichen Teilnahme am damaligen »Lehrgang für ausländische Lehrkräfte« erfüllt waren. Vor allem das für Tariffragen zuständige Vorstandsmitglied, Holger Dehring, unterstützte uns in dieser Einschätzung. Die GEW Berlin schickte deshalb einen Brief an die Senatsverwaltung, die Personalräte wurden informiert und die ersten Anträge der Betroffenen auf den Dienstweg gebracht.

Wie leider nicht anders zu erwarten, wurde diese »Ansinnen« mit dem Hinweis auf die angespannte Haushaltssituation abgelehnt. Wahrscheinlich konnten sich auch keine der leitenden MitarbeiterInnen der Senatsbildungsverwaltung an den damaligen Lehrgang erinnern und man war frohgemut, die EU-Vorschrift durch Nichtorganisation des Anpassungslehrgangs unterlaufen zu können. Angesichts der Klagebereitschaft der Betroffenen und informiert vom LAMA und den beiden Autoren dieses Beitrages wandte sich der Bündnis 90/Grüne-Abgeordnete Özcan Mutlu mit Schreiben vom 2. Juli 2009 an Senator Zöllner mit der Aufforderung, die Ablehnungen der Absolventen des »Lehrgangs für ausländische Lehrkräfte« zu überdenken, »damit diese Ungleichbehandlung im Interesse aller endlich ein Ende nimmt«. Die Antwort des Senators signalisierte dann den durch politischen Druck eingeleiteten Sinneswandel: «Hierzu möchte ich feststellen, dass von den bisher hier eingegangenen 62 Anträgen auf gleiche Bezahlung 35 positiv entschieden wurden. Vier Antragsteller verfügen bereits über eine Gleichstellung mit einem Berliner Lehramt. 13 Vorgänge sind noch offen, werden aber derzeit … geprüft.«

Zwar sind immer noch Fälle bekannt, bei denen Anträge auf Gehaltsanpassung trotz erfolgreichem Lehrgangabschluss aus unerklärlichen Gründen abgelehnt wurden, aber dafür gibt es ja Widersprüche und Gerichtsentscheidungen. Musa Özdemir hat die meisten Betroffenen informiert, aber vielleicht verhilft auch dieser Artikel noch zu weiteren Anträgen.

Mit den türkischen GEW-»Veteranen« der ersten Stunde Safter Cinar, Sanem Kleff und Riza Baran sollte nun im GEW-Haus eine kleine Feier stattfinden. Aber der Bildungssenator wäre nicht er selbst, hätte er nicht noch in letzter Sekunde gemäß alter Tradition einen Vorbehalt ausgedacht: Es müsse noch eine Sprachprüfung her.... Die Feier wurde erst einmal verschoben. Aber auch diesen Konflikt werden wir noch durchstehen!

Es hat sich gezeigt und wird sich zeigen, dass ein jahrzehntelanger Kampf für Gleichbehandlung doch noch zu einem guten Ende geführt werden kann. Trotz alledem! 

Alle Berliner Lehrkräfte mit einer nichtdeutschen Lehrbefähigung nach dem Recht des Heimatlandes, die in der Zeit von 1986 bis 1996 erfolgreich am damaligen »Lehrgang für ausländische Lehrkräfte« des Schulsenators teilgenommen haben und sich noch im Dienst befinden, haben jetzt die Chance, wie ihre deutschen angestellten KollegInnen bezahlt zu werden. Sie sollten unverzüglich einen Antrag unter Hinweis auf das im Text beschriebene Berliner Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2005/36/EG auf Gleichbehandlung stellen und eine Kopie der Lehrgangsurkunde beifügen. Eine Durchschrift kann an Musa Özdemir vom GPR gesendet werden.