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Schule

Gelingende Elternpartizipation in der Schule

Wie sich die Corona-Pandemie auf die Elternarbeit auswirkt und wie Mitwirkung von Sorgeberechtigten und Eltern gelingen kann.

Foto: Adobe Stock

Die Mitwirkung von Eltern und Sorgeberechtigten in den schulischen Gremien ist fest im Berliner Schulgesetz verankert. Deren Beteiligung durch gewählte Repräsentant*innen entspricht nicht nur dem verfassungsrechtlichen Grundgedanken der Demokratie, sondern ist auch Teil einer erfolgreichen Bildungs- und Erziehungspartnerschaft im System Schule. Erfolgreiche Partizipation aller Schulakteur*innen muss auf Augenhöhe stattfinden und eine Bereitschaft zum Perspektivwechsel bestehen. Beteiligung und Mitgestaltung ist natürlich viel mehr als die Einbindung der Eltern in einzelne Projekte und Aufgaben, die die Schule für sich auswählt. Für Schüler*innen bedeutet Mitwirkung zudem auch das Erlernen schulischer Mitverantwortung als Teil von Demokratiebildung. Ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche gemeinsame Schulentwicklungsarbeit ist die Grundeinstellung der Schulakteur*innen zu einer schulischen Beteiligungskultur. Wird die Einbindung von Schüler*innen und Eltern eher als formale Pflicht oder tatsächlich als inhaltlicher Mehrwert empfunden? Wird die Gruppe der Eltern als »critical friend« wahrgenommen? Die Haltung der Schulleitung macht auch hier, wie in anderen schulischen Bereichen, häufig den Unterschied aus: Bindet sie Eltern bewusst ein? Werden deren Anliegen und Impulse ernst genommen und beantwortet? Fließt die Elternmeinung in die wichtigen Entscheidungen mit ein?

Corona erzeugt Nachholbedarf

Auch die schulische Mitwirkung hat sich im Zuge der Corona-Pandemie erheblich verändert. Aus den Rückmeldungen meiner Elternseminare werden zwei gegensätzliche Tendenzen deutlich. So hat die Verlagerung des Schulbetriebs und der Gremienarbeit in digitale Formate an vielen Schulen die bis dahin vor Ort gelebte Praxis der Mitwirkung verstärkt, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Denn in solchen Schulen, in denen im Vorfeld bereits die Gremien und Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen mit Elternbeteiligung klar und transparent organisiert waren, konnte die gemeinsame Arbeit durch Online-Formate sogar noch intensiviert und effizienter gestaltet werden, wie zum Beispiel bei Entscheidungen der Schulkonferenz, Abstimmung mit der Gesamt-Elternvertretung, in Gesamt- und Fachkonferenzen sowie Sitzungen der Steuergruppe. Schwierig wurde es hingegen an Schulstandorten, an denen bereits vor den Einschränkungen im Präsenzbetrieb schulische Partizipation unzureichend oder gar nicht etabliert waren. An einigen Schulen wurde fatalerweise die Durchführung von Gremiensitzungen mit Elternbeteiligung praktisch eingestellt, Gremienwahlen wurden ausgesetzt und die Kommunikation mit den Elternvertretungen vernachlässigt. An diesen Schulen besteht nun nicht nur ein erhebliches Risiko für ein Mitwirkungsvakuum, sondern auch ein Nachholbedarf, die Elternbeteiligung wieder hochzufahren und die zuletzt »abgehängten« Elternjahrgänge, insbesondere die der Schuljahre 2020/21 und 2021/22 wieder in die schulische Arbeit einzubinden. Aufgrund zahlreicher Rückfragen aus der Elternschaft muss ich festhalten, dass Eltern in Pandemiezeiten häufig über ihre schulverfassungsrechtliche Rolle, ihre Möglichkeiten von Seiten der Schule entweder gar nicht oder zu wenig informiert oder einfach nicht erreicht wurden. Gelitten hat nicht nur die schulverfassungsrechtliche Mitwirkung, sondern in hohem Maße auch die nicht-formale Elternbeteiligung. Dazu zählen zum Beispiel engagierte Eltern, die in verschiedenen Bereichen das Schulleben mitgestalten wollen und wichtige ehrenamtliche Aufgaben von Lesepat*innen, über Schulfestorganisation, bis hin zum Förderverein übernehmen. Diese konnten sich teilweise zuletzt fast überhaupt nicht mehr einbringen. Diese Gruppe von Eltern hat einen hohen Wert für das Schulleben und muss unbedingt wieder eingebunden werden.

Anerkennung ist keine Einbahnstraße

Sowohl Eltern als auch Pädagog*innen treffen auf spezifische Kooperationsbarrieren der jeweils anderen Seite. Eltern meinen allzu oft, das System Schule gut genug zu kennen, schließlich sind sie selber einmal in die Schule gegangen. Dass sich die Aufgaben der Lehrkräfte gegenüber der eigenen Schulzeit verändert haben, wird dabei aber gelegentlich übersehen. Andererseits ist das System Schule in Hinblick auf ein erfolgreiches Change-Management sehr zäh. Trotz oder gerade wegen der Eigenverantwortlichkeit fallen Veränderungen schwer und treffen tendenziell erst recht auf Widerstände, wenn diese von Eltern initiiert werden. Eltern und Sorgeberechtigte können in diesen Prozessen ungeduldig werden. Veränderung benötigt nicht nur Geduld und Zeit, sondern auch Überzeugungskraft, ein Konzept und strategisches Vorgehen. Eltern versäumen es häufig, sich vor einer Eingabe in ein Gremium zunächst abzustimmen und sich eine Unterstützung »Verbündeter« gerade auch im Kollegium zu suchen. Impulse für Veränderungen, die von mehreren Akteursgruppen gemeinsam eingebracht und mit Hilfe von Multiplikator*innen verstärkt werden, haben deutlich bessere Chancen auf Akzeptanz und erfolgreiche Umsetzung in der Schulgemeinschaft. Gegenseitiges Vertrauen muss allmählich wachsen. Eine etablierte Würdigungskultur ist eine wichtige Voraussetzung für wertschätzende Zusammenarbeit. Anerkennung ist keine Einbahnstraße, sondern Türöffner für alle drei Gruppen der Bildungspartnerschaft. Die Anerkennung von Elternarbeit ist dabei ein wichtiger Schlüssel für Vertrauensbildung und Motivation.

Eltern können die Schulentwicklungsarbeit sogar stören, wenn sie rein individuelle Ziele verfolgen, die Anliegen nur persönlich motiviert und nicht im Sinne der Elternvertretung sind. Andererseits ist es aber keine Motivation für ehrenamtliches Engagement, wenn Eingaben und Impulse der Eltern schlichtweg ignoriert werden oder auf diese durch die Schulverantwortlichen nicht angemessen eingegangen wird. Auch der sprachliche Aspekt spielt bei der Aktivierung von Eltern eine wichtige Rolle. Um die gesamte Elternschaft zu erreichen, sollte unbedingt, auch auf Klassenebene, gewährleistet sein, dass Eltern mit geringen Deutschkenntnissen, zum Beispiel durch Dolmetschen, eingebunden werden. Kulturelle Hintergründe sind ebenso zu beachten. Nicht in jedem Kulturraum ist eine vergleichbare Elternmitwirkung wie in Deutschland überhaupt vorgesehen. Die Überwindung, sich als Eltern freiwillig in eine Schule einzubringen, mag im Einzelfall sehr hoch sein. Schule und Eltern sollten gemeinsam versuchen, für diese Familien niedrigschwellige Teilhabe-Angebote zu unterbreiten.

Die Kenntnis schulischer Mitwirkungsrechte, der Rolle der Elternvertretung und der Gremien von Klassenkonferenz bis Schulkonferenz und der gesetzlichen Bestimmungen sind nicht nur bei den Eltern, sondern auch in den schulischen Kollegien häufig ausbaufähig. Leider gibt es auch unter Lehrkräften viele Fehlinformationen zu den Vorgaben der Schulverfassung. Ein Update im Kollegium zu den rechtlichen Rahmenbedingungen kann hier von Nutzen sein. Hier können die Angebote von Elternfortbildner*innen unterstützen, die über die Qualitätsbeauftragte in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie koordiniert werden. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der im Schuljahr 2022/23 in Kraft tretenden Änderungen des Berliner Schulgesetzes (unter anderem Stimmrecht für Grundschüler*innen in der Schulkonferenz, erweitertes Aufgabenspektrum der Schulkonferenz, verpflichtende Einrichtung von Klassenräten) erscheint es notwendig, sowohl Schulleitungen als auch Kollegien in Sachen Partizipation umfassend und vorzubereiten. Gerade auch die Herausforderungen und Aufgaben des »Klassenrates« müssen unbedingt thematisiert und entsprechende Erfahrungen untereinander ausgetauscht werden.

Trotz und gerade wegen der zahlreichen Herausforderungen, denen sich die Schulen und die Pädagog*innen in dieser Zeit zu stellen haben, muss das Thema Partizipation im Sinne einer gelungenen Bildungspartnerschaft gerade jetzt große Priorität haben.   

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Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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