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bbz 11 / 2019

Gute Arbeit und nachhaltige Steuerung

Die Berliner Hochschulen für die Zukunft rüsten

Foto: stocksnap.io / Creative Commons CC0

Wir haben ein jahrzehntealtes Hochschulgesetz, das trotz gelegentlicher Anpassungen in sehr vielen Punkten nicht auf der Höhe der Zeit ist. Viele Pa-ragrafen sind weggefallen oder ungültig, viele hoch-schulpolitische Entwicklungen sind im Gesetz nicht abgebildet. Das Provisorium der Erprobungsklausel, das 1997 in Zeiten der Großen Koalition eingeführt wurde, weil damals eine Novelle zu komplex erschien und stattdessen lieber drei Viertel des Gesetzes außer Kraft gesetzt worden sind, ist über 20 Jahre alt.

Bei der nun anstehenden Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) geht es bewusst nicht darum, zur alten Detailsteuerung, zur Hochschule als Verwaltung, zurückzukehren. Es geht auch nicht darum, alle unter der Erprobungsklausel entstandenen Governance-Strukturen – einfacher gesagt: die Benimmregeln in Organisationen – wieder zu vereinheitlichen und Spielräume einzuschränken. Stattdessen soll der im bundesweiten Vergleich äußerst hohe Stand an Autonomie und Flexibilität der Hochschulen beibehalten, zugleich aber Standards an Demokratie und Transparenz eingezogen werden. Und natürlich müssen wir den Herausforderungen der Zukunft, insbesondere in den Bereichen Gute Arbeit und Studium und Lehre, begegnen und Erfahrungen der letzten Jahrzehnte aufgreifen und verarbeiten. Dies soll hier an zwei Schwerpunkten der Novelle verdeutlicht werden.

Steuerung im Verhältnis von Land und Hochschulen absichern

Die Hochschulverträge, entstanden als Spar- und Kürzungsinstrument, haben sich zum wichtigsten Steuerungssystem in der Hochschulpolitik entwickelt. Mittlerweile mit einer Laufzeit von fünf Jahren versehen, setzt kaum ein Bundesland auf so langfristige und umfassende vertragliche und umfassende Vereinbarungen wie Berlin. In den Verträgen sind nicht nur die Landeszuweisungen samt Aufwüchsen festgesetzt, sondern auch die Entwicklungsschritte und Leistungen der Hochschulen vereinbart. Im bisherigen Hochschulgesetz sind die Hochschulverträge zwar erwähnt, ihre Bedeutung für die Steuerung des Hochschulsystems wird aber nicht angemessen abgebildet.

Zukünftig sollen die Hochschulverträge als zentrales Entwicklungs-, Planungs- und Steuerungsin-stru-ment gesetzlich fixiert werden. Dazu gehört, dass wir eine mindestens vierjährige Laufzeit festschreiben wollen. So werden Hochschulen, aber vor allem die Landespolitik auch zukünftig angehalten sein, Planungssicherheit jenseits der kurzfristigeren Haus-haltspolitik zu gewährleisten. Nicht zuletzt ist dies eine Konsequenz aus den Erfahrungen der Sparzeiten, in denen kurzfristige Kürzungsvorgaben eine kontinuierliche Entwicklung der Hochschulen unmöglich machten.

Wir nehmen uns als Koalition natürlich die Kritik am Verhandlungsprozess der bisherigen Hochschulverträge zu Herzen, die auch in der Veranstaltungsreihe zum Berliner Hochschulgesetz, aber auch in der AG Demokratische Hochschule vorgetragen wurde. Wenn die Verträge das zentrale Finanzierungs- und Steuerungsinstrument sein sollen, dann brauchen sie zum erfolgreichen Funktionieren eine breite Legitimation, sowohl in den Hochschulen, in denen es im Zweifel immer Unterlaufensmöglichkeiten gibt, aber erst recht in der Stadtgesellschaft, die nicht zuletzt die Finanzierung der weitreichenden und dynamisch wachsenden Hochschullandschaft trägt.

Wir haben in unserem Leitlinienpapier Vorschläge gemacht, wie ein strukturierter Vorbereitungsprozess aussehen könnte. So soll die Landesseite in geeigneten Formaten diskutieren, welche Anforderungen sie an die Entwicklung der Hochschulen stellt. Dazu ist es sicher sinnvoll, dass die Politik stadtgesellschaftliche Expertise hinzuzieht. Denkbar wären etwa öffentliche Anhörungen des Wissenschaftsausschusses des Abgeordnetenhauses.

Aber auch auf der Hochschulseite halten wir eine Verbreiterung und Strukturierung des Diskussionsprozesses für angemessen. Wenn Land und Hochschulen auf Augenhöhe verhandeln sollen, dann brauchen beide Verhandlungspartner ein selbstbewusstes Ange-bot. Unser Vorschlag ist, zukünftig die Strukturplanung an die Hochschulvertragsverhandlungen zu koppeln. Rechtzeitig vor Beginn der kommenden Verhandlungen könnten sich die Hochschulen intern auf den Weg machen und ihre Weiterentwicklung diskutieren. Natürlich muss diese Debatte in den Gremien der Selbstverwaltung stattfinden. Sie würden mit einem klaren und starken Angebot dem Verhandlungspartner Senat gegenübertreten: da wollen wir hin und diese Finanzen brauchen wir dafür. Ein guter Ausgangspunkt für produktive Verhandlungen.

Gute Arbeit und eine moderne Personalstruktur

Auch im Bereich Arbeit und Personal zeigt sich, wie modernisierungsbedürftig unser Hochschulgesetz ist. Die Debatte der letzten 10 bis 15 Jahre über gute Arbeit, über eine nachhaltige Personalstruktur und über Personalentwicklung in der Wissenschaft spiegelt es nicht wider.

Die rot-rot-grüne Koalition hat sich bereits im Koa-litionsvertrag vorgenommen, das Thema zum Schwer-punkt dieser Legislaturperiode zu machen. Daueraufgaben sollen auf Dauerstellen geleistet werden, so lautet ein Grundsatz. Wir wollen zudem die Karrierewege planbarer und durchlässiger gestalten. Der bisherigen Mentalität, zumeist von beamteten Wissen-schaftler*innen geäußert, dass Prekarität und Befristung ein »lebendiges« und »frisches« System erhalte, muss ein Konzept von nachhaltiger Personalentwicklung entgegengesetzt werden. Ansonsten werden viele innovative, junge Wissenschaftler*innen sich nach Al-ternativen in der Wirtschaft oder im öffentlichen Be-reich umsehen. Die hohe Fluktuation schadet zudem der Substanz der Wissenschaftseinrichtungen und ist somit nicht nur ein individuelles und ein Gerechtigkeitsproblem, sondern auch eines der Qualität.

Wenn wir also planbare Karrierewege in der Wissenschaft wollen, dann brauchen wir entfristete, wissenschaftlich selbständige Tätigkeitsmöglichkeiten auch neben der Professur. Es geht um Stellen, die nicht nur »Ausstattung« sind, sondern eigenständig Schwerpunkte verfolgen, lehren und Forschungsprojekte bearbeiten können. Sie sollen bei Fachbereichen angesiedelt sein und unterliegen nicht dem direkten Zugriff der Professor*innen. Die genaue Ausgestaltung und den Namen der Kategorie sollten wir im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses diskutieren.

Natürlich müssen die Fachbereiche und Institute gestärkt werden, wenn sie die Aufgabe der Personalplanung und -entwicklung fundierter als bisher wahrnehmen sollen. Die Debatte, wie wir nach der Abschaffung des Lehrstuhlprinzips zu neuen Strukturen kommen, ist eröffnet.

Aber wir haben weitere Hausaufgaben im Bereich des Personals zu machen, welche Zukunft hat etwa die Juniorprofessur? Trotz des Bundesprogrammes für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist ihre Funktion in der Gesamtpersonalstruktur weiterhin nicht gefestigt. Der Tenure Track, der die Juniorprofessur als Weg der Qualifikation zu einer Lebenszeitprofessur vorzeichnet, ist zwar im BerlHG verankert. Aber ge-nutzt wird er so gut wie nie. Sollen Juniorprofessuren also weiter befristete Schleudersitze bleiben oder müsste nicht der Tenure Track die Regel werden?

Eine große Baustelle wird auch die Funktion und Einbindung der Lehrbeauftragten. Wer den Grundsatz »Dauerstellen für Daueraufgaben« ernst nimmt, muss die Rolle des Lehrauftrags auf seine Kernfunktion zurückführen, externes Wissen aus der Praxis in die Hochschullehre einzuspeisen. Alle anderen Aufgaben in der regelhaften Lehre und in der Sprachenausbildung sollten über reguläres Personal, seien es Profes-sor*innen, Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen oder Lehrkräfte für besondere Aufgaben, geleistet werden. Angesichts von hohen Anteilen bis zu 50 Prozent der Lehre, die von Lehrbeauftragten wahrgenommen wird, ist dieser Paradigmenwechsel nicht von heute auf morgen zu schaffen. Aber die ersten Schritte müssen mit diesem Gesetz angegangen werden.

Wer sich die Zahlen zu befristeten Arbeitsverträgen von Wissenschaftler*innen ansieht, stellt die Bedeutung des Themas Drittmittel- beziehungsweise Projektfinanzierung fest. Hier müssen neuen Wege gegangen werden, um Projekte ganz oder teilweise auch mit entfristet Beschäftigten umzusetzen. Wir wollen im Gesetz dazu Möglichkeiten schaffen, etwa durch Pooling (Bündelung) und »Rolling Contracts«, also die Arbeit in wechselnden Projekten im Rahmen einer unbefristeten Anstellung.