bbz 11 / 2015
Gute und gesunde Ernährung in Kita und Schule sind machbar
Mit der Einführung des Ganztagsbetriebs wird in Schulen und Kitas verstärkt Mittagessen nachgefragt. Dies bietet die Möglichkeit, ungesunde Essgewohnheiten der SchülerInnen zu korrigieren und die Basis für eine gesunde Ernährung zu legen. Doch diese Chance wird bisher vertan.
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, sagt der Volksmund. Tatsächlich stammt dieser Spruch aus einer Oper, komponiert gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als die Menschen auch bei uns noch Hunger litten. Er hat allerdings auch in unserer heutigen Wohlstandgesellschaft nicht an Aktualität verloren.
Nach einer Untersuchung der Lüneburger Leuphana-Universität geht ein Drittel aller SchülerInnen bei uns ohne Frühstück aus dem Haus. Dies wirkt sich nachweislich negativ auf ihre Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit aus. Andere sagen, »ein voller Bauch studiert nicht gern«. Beide Aussagen stehen nicht im Widerspruch zueinander, denn ein Zuviel ist in jedem Falle auch schädlich.
Dies zeigen Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Danach sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis 17 Jahre übergewichtig, sechs Prozent gelten gar als adipös, also fettleibig. Mangel- und Fehlernährung sind für beides die Ursache. Essgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen werden primär in den ersten Lebensjahren in der Familie, aber zunehmend auch in Kitas und Schulen geprägt.
Kita-Essen – mit Vorsicht zu genießen
Seit in unseren Schulen und Kitas durch den Ganztagsbetrieb immer stärker tägliches Essen nachgefragt wird, bietet sich die Möglichkeit, ungesunde Essgewohnheiten zu korrigieren und die Basis für eine gesunde Ernährung zu legen. Immerhin 1,8 Millionen Kinder haben nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung 2013 ein tägliches Mittagessen in der Kita verzehrt. Das sind knapp zwei Drittel aller Kinder, die eine Kita besuchen. Da essen laut Fernsehkoch Tim Mälzer gelernt werden kann, wäre hier der ideale Ansatz ungesunde Essgewohnheiten zu korrigieren. In der täglichen Realität von Kitas und Schulen wird diese Chance oft vertan, denn dort boomt der Markt für Caterer aller Coleur. Kita- und Schulessen sind auch eine Frage des Preises. Und da unterbieten sich die Anlieferer oft gegenseitig. Je nach Caterer, Zubereitungsart und Anzahl der gelieferten Portionen schwankt der Preis zwischen 2,92 Euro und 4,08 Euro. Auch die Qualität ist entsprechend der Preise und der Zubereitungsart unterschiedlich. Bei den billigen Preisen ist es kein Wunder, wenn die Branche immer wieder in Skandale verwickelt wird. Wir erinnern uns noch an die Folgen des Vertriebs von Tiefkühlerdbeeren aus China. 11.000 Kinder erkrankten 2013 an den Folgen dieser mit Noroviren kontaminierten Billigware. Auch wenn die Skandale seltener werden, ist bei Kita- und Schulverpflegung Vorsicht geboten. Lange Transportwege, lange Warmhaltezeiten, Missachtung der Hygieneregeln oder Unterbrechungen in der Kühlkette mindern Nährstoff- und Vitamingehalt und machen das angelieferte Essen nicht schmackhafter.
Die Untersuchung der Bertelsmann Stiftung »Is(s)t Kita gut?« kommt zu dem Ergebnis, dass nur 19 Prozent der untersuchten Kitas, zum Beispiel im Bereich Salat und Rohkost, die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erfüllen, bei Obst liegt der Anteil bei nur zehn Prozent.
Zudem sind viele Caterer nicht auf die Gemeinschaftsverpflegung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert. Sie liefern einfach warmes Essen. Knapp 60 Prozent aller von Bertels-mann untersuchten Kitas werden durch angeliefertes Essen versorgt. Dies hat auch zur Folge, dass die Betroffenen an der Aus-wahl und Zubereitung der Verpflegung nicht beteiligt sind. Die Studie schätzt, dass jährlich 750 Millionen Euro nötig wären, um allen Kita-Kindern ein gutes und gesundes Essen zu garantieren.
Es geht auch anders – Ernährungskonzepte für besseres Essen
Es geht tatsächlich aber auch anders, denn immerhin ein knappes Drittel der Kitas bereitet das Essen vor Ort zu. PariSERVE, eine Dienstleistung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, initiierte 2013 eine Ernährungs- und Verpflegungsoffensive. Der mit 3.000 Euro dotierte Zu-kunftspreis Ernährung und Verpflegung ging 2015 an das Projekt KiKi (Kinderessen kinderleicht gesund genießen) von INA.KINDER.GARTEN GmbH. Mit dem KiKi wird ein Ernährungskonzept verfolgt, das konsequent den Weg der Frischzubereitung beziehungsweise der Mischverpflegung geht und dem DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder genügt. Es heißt zwar immer wieder, eine eigene Küche sei zu teuer (Ausstattung, Personal), andererseits gibt es Beispiele, die dieses Vorurteil widerlegen.
Anschaffung und Unterhaltung einer kitaeigenen Küche mag zu-nächst teuer sein, rechnet sich aber langfristig.
Eine Untersuchung der Kosten- und Preisstrukturen an Berliner Schulen aus dem Jahr 2012 zeigt, dass der Unterschied bei den Preisen nicht sonderlich gravierend ist. Bei Mischküchen liegen die Kosten pro Mahlzeit unter Einbeziehung von Waren-, Personal-, Betriebs- und Investitionskosten selbst bei nur 100 Mahlzeiten deutlich unter 3,50 Euro. Billige Caterer fordern nur 2,40 Euro pro Mahlzeit. Dies sind bei 22 Tagen 52,80 Euro je Kind. Abgesehen davon, dass für diesen Preis eine gesunde Ernährung nicht möglich ist, kommt der INA.KINDER.GARTEN in der Rosenheimer Straße mit 23 Euro im Monat Lebensmittelwareneinsatz für ein Kind für das Mittagessen aus.
Natürlich fallen dann noch Personalkosten und der Küchenunterhalt an, aber das Ernährungskonzept dort trennen Welten von einem angelieferten Essen. Wir haben Einrichtungen von INA.KINDER.GARTEN in Berlin besucht und uns vor Ort informiert. Frau Doreen Stelter, Küchenfachkraft, plant und bespricht mit den Kindern den wöchentlichen Speiseplan. Sie geht dabei selbst in die Gruppen. Neue Speisevorschläge werden mit den Kindern besprochen. Für kleinere Gruppen gibt es in einer Probeküche eine Einführung in die Essenszubereitung. Küchenkräuter und einzelne Gemüse können von den Kindern mit Unterstützung von ErzieherInnen auf kleinen Beeten der Jahreszeit entsprechend gezogen, geerntet und verarbeitet werden. Kindgemäße Wochenspeisepläne mit Bildkarten zeigen den Kleinen, was sie bei der nächsten Mahlzeit erwartet. Kulturelle Gewohnheiten der Herkunftsländer der Kinder werden einbezogen.
Sprachlich leicht verständliche Flyer informieren die Eltern über das Kitaessen und geben Rat für die Ernährung zu Hause. Jede Auswahl wird begründet.
Dies sind wesentliche Voraussetzungen für erlebtes und erlerntes gesundes Essen, die nachwirken. Bedauerlicherweise wird dies an Ganztagsschulen nicht konsequent weitergeführt. Nur ein Fünftel aller Ganztagsschulen zum Beispiel in NRW arbeiten nach dem Frisch- und Mischkostsystem, das heißt mit eigenen Küchen. Dabei ist die eigene Schulküche Grundvoraussetzung für eine Ernährung, die dem geschilderten Beispiel und den zehn Regeln der DGE entspricht.
In Berlin sind die meisten Integrierten Sekundarschulen mit Lehrküchen ausgestattet. Dies ist unabhängig von dem Verpflegungskonzept der Schule eine ideale Voraussetzung zum Lernen und Einüben von gesunder Ernährung. Leider fehlen hier oft die für einen sinnvollen Unterricht notwendigen Teilungsstunden.
Das Ernährungskonzept von INA.KINDER.GARTEN sollte trotzdem Schule machen, denn gute und gesunde Ernährung in Kita und Schule sind machbar.