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Schwerpunkt „Gewalt und Sexismus kontern“

»It’s Not Okay«

Die britische Schwestergewerkschaft der GEW hat einen Werkzeugkasten gegen Sexismus entwickelt. Sie ermutigt ihre Mitglieder, sich für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz einzusetzen.

Foto: BETSI SCHUMACHER/BERLIN BRUISERS E.V

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Einstellung zu Sexismus, Frauen- und Queerfeindlichkeit grundlegend verändert. Sexismus wurde gleichzeitig als zu weit verbreitet und alltäglich angesehen, um ihn infrage zu stellen, aber auch als weniger problematisch als »früher«. Verschiedene Bewegungen von »Everyday Sexism« bis hin zu »Me Too« und »Everyone's Invited« haben darauf beharrt, wie weit verbreitet diese Probleme sind. Sie haben die Aufmerksamkeit der Menschen darauf gelenkt, dass Sexismus eine weite Spannbreite hat, die von beiläufigen Kommentaren bis hin zu körperlicher Gewalt reicht. Unsere Institutionen, einschließlich Schulen und Hochschulen, lassen Sexismus nicht nur zu, sondern können ihn verstärken und Täter schützen.

2017 gab die National Education Union (NEU) zusammen mit der Organisation UK Feminista eine Studie über Sexismus in Schulen in Auftrag, die die Erfahrungen von Frauen und Mädchen beleuchtete und zeigte, dass sexuelle Belästigung, sexistische Sprache und Geschlechterstereotypen im schulischen Umfeld an der Tagesordnung waren. Als Gewerkschaft, die zu 76 Prozent aus Frauen besteht, wussten unsere Mitglieder, dass dies ein Problem ist und dass wir als Gewerkschaft etwas dagegen unternehmen müssen. 2021 schloss sich eine Gruppe weiblicher Mitglieder zusammen und verfasste einen Antrag für unsere Jahreskonferenz, die das oberste Entscheidungsgremium unserer Gewerkschaft ist. Seitdem hat sich unsere Arbeit in diesem Bereich kontinuierlich weiterentwickelt und ausgeweitet.

 

Empowern gegen Sexismus und Gewalt

 

Mitglieder unseres Frauen-Organisationsforums und hauptamtliche Mitarbeiter*innen erarbeiteten gemeinsam unseren Werkzeugkasten »It's Not Okay«. Dieser beschreibt einen schulübergreifenden Ansatz zur Verhinderung von Sexismus und sexualisierter Belästigung und beschränkt sich nicht nur auf Verhaltensrichtlinien und Unterricht im Fach »Beziehungen, Sexualität und Gesundheit«. Es geht um einen kulturellen Wandel und die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses dafür, was Sexismus ist und was in unserem Umfeld inakzeptabel ist. Zudem sollen Menschen befähigt werden, sicher einzugreifen, Betroffene zu unterstützen und solches Verhalten zu melden.

Vor kurzem hielten wir eine »It's Not Okay«-Schulungskonferenz ab, bei der sich über 100 Mitglieder trafen, um zu lernen, wie wir systemische und nachhaltige Veränderungen in unseren Einrichtungen und Arbeitsplätzen einleiten können. Trotz des schwierigen Themas und persönlicher Missbrauchs­erfahrungen von Teilnehmer*innen herrschte an diesem Wochenende eine ermutigende und aufbauende Atmosphäre. Die Mitglieder bekräftigten das Motto »It's Not Okay« und sagten einander zu, sich aktiv für Veränderungen an ihren Arbeitsplätzen einzusetzen. Sexismus ist eng mit anderen Formen der Unterdrückung verflochten und drückt sich auf unterschiedliche Weise aus, wenn er mit Rassismus und Klassismus verbunden wird. Unsere Erwartungen und Stereotypen gegenüber verschiedenen Gruppen beeinflussen, wie wir sexistische Vorfälle interpretieren, welche wir ernst nehmen und wie wir sie lösen. Selbst wenn wir uns für wachsam halten und uns bewusst sind, wie Sexismus in unserem Umfeld wirkt, ist es wichtig zu hinterfragen, wie diese Überschneidungen wirken. 

 

Gewerkschaft steht für sozialen Wandel 

 

Die NEU hat beispielsweise das Phänomen der »Adultifizierung« Schwarzer Mädchen festgestellt. So können Stereotypen und Annahmen dazu führen, dass Schwarze Mädchen oft als reifer angesehen werden als ihre weißen Altersgenossinnen. Dies spricht ihnen ihre Verletzlichkeit ab, nimmt ihnen ihre Schutzbedürftigkeit und alles Weitere, was wir mit Kindheit verbinden.

Wir haben auch den Werkzeugkasten »Häusliche Gewalt« entwickelt, um Mitglieder dabei zu unterstützen, Gewalt in Beziehungen zu erkennen und Hilfe zu erhalten, wenn sie betroffen sind. Außerdem haben wir einen neuen Werkzeugkasten für einen traumansensiblen Ansatz erstellt. Er bietet Ressourcen und Informationen, um die Auswirkungen von Traumata zu verstehen, betroffene Schüler*innen zu unterstützen und integrative, sichere Umgebungen in Bildungseinrichtungen zu schaffen. 

Unsere Mitglieder sind die Akteur*innen des Wandels und setzen sich leidenschaftlich dafür ein, die Situation von Frauen und Mädchen zu verbessern. Unsere Gewerkschaft sieht den Kampf gegen Sexismus als ihre Aufgabe an und arbeitet entschlossen daran, unseren Mitgliedern die Instrumente, Schulungen und Unterstützung zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen. 

Ziel des Werkzeugkastens ist es, Gewerkschaftsmitgliedern erste Schritte an die Hand zu geben, die nötig sind, um Sexismus und damit verbundener sexueller Belästigung vorzubeugen.

 

Was der Werkzeugkasten beinhaltet 

 

Unser Werkzeugkasten konzentriert sich auf je fünf verschiedene Bereiche und Richtlinien, die als Hilfestellung dienen, um Sexismus und sexuelle Belästigung in der Schule zu vermeiden und dem vorzubeugen. 

Zu den Bereichen gehören die Schulleitungen, die Lehrer*innen sowie die Schüler*innen einer jeden Schule. Die Gemeinschaft soll dafür sensibilisiert werden, was Sexismus und sexuelle Gewalt für die betroffenen Schüler*innen bedeuten und welchen Einfluss dies auf den Lernerfolg unter Umständen haben kann.

Sexualerziehung sollte im Lehrplan festgeschrieben werden und Bestandteil eines jeden Unterrichtsfachs sein. Leistungen und Beiträge von Frauen sollen darin repräsentiert werden und dazu befähigen, schädliche Geschlechterstereotype zu erkennen.

Nur wer über seine Rechte Bescheid weiß, kann aktiv gegen Sexismus vorgehen. Wer seine Rechte kennt, weiß, dass er ein sicheres Lern- oder Arbeitsumfeld erwarten kann – frei von sexistischen Bemerkungen, Belästigung oder Missbrauch.

Wie die einzelne Schule mit dem Werkzeugkasten beginnt, hängt von ihrem momentanen Bedarf ab. Jede Schule wird und kann mit einem anderen Werkzeug beginnen. Es gibt die Möglichkeit, einen für die Schule wichtigen Themenkomplex für einen längeren Zeitraum zu planen, dem jeweiligen Schulkonzept anzupassen und darin festzuschreiben.

In zehn Punkten geben wir Hinweise und Anleitungen dafür, wie solche Anpassungen und Veränderungen in den schulischen Richtlinien möglich gemacht werden und was sie beinhalten könnten: 

Das Recht auf einen sicheren Arbeits- und Lernraum, das Wissen um die Pflichten des Arbeitgebers beziehungsweise Lehrpersonals, das Führen eines Tagebuchs bei Vorfällen jeglicher Art, der Schutz der Gesundheit, das sofortige Reagieren auf Belästigungen und wie man Hilfe bei einer Vertrauensperson oder Gewerkschaftsvertreterin finden kann, die Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber oder mit der Schulleitung, die Einhaltung der Richtlinien am Arbeitsplatz oder Lernort, das gemeinschaftliche Miteinander gegen sexuelle Belästigung und das Aufzeigen von Möglichkeiten einer Beratung.

 

Der Text wurde aus dem Englischen übersetzt von Christoph Wälz und Antje Dombrowski.

 

Zu den Werkzeugkästen auf neu.org.uk