blz 07 - 08 / 2015
Jede sechste ist ausgebrannt
Die bundesweit erste Studie zur Arbeitsbelastung von ErzieherInnen an Ganztagsgrundschulen zeigt, wie hoch die Belastungen sind.
Die Arbeit von ErzieherInnen hat in den letzten Jahren einen immer höheren gesellschaftlichen Stellenwert bekommen. Dies gilt für den Kita-Bereich, jedoch nicht für Erzieherinnen an Ganztagsschulen – obwohl die Anforderungen, Belastungen und das damit verbundene Gesundheitsrisiko hier ebenfalls hoch sind. Im Auftrag der Max-Träger-Stiftung haben wir deshalb die Arbeitssituation von ErzieherInnen in Berliner Ganztagsgrundschulen untersucht. Die Studie ist bundesweit die erste Untersuchung der Belastung von ErzieherInnen an Ganztagsschulen und hat Modellcharakter.
Personalausstattung ist das Hauptproblem
Nichts belastet die KollegInnen so sehr wie die unzureichende Personalausstattung, ergab die repräsentative Befragung von 1.419 ErzieherInnen. Die gegebene Fachkraft-Kinder-Relation entspricht keinesfalls den gestellten Anforderungen. So ist eine effektive Arbeit mit dem einzelnen Kind kaum möglich, zumal die Anzahl der Kinder mit erhöhtem Förderbedarf zunimmt. Die ErzieherInnen leiden ferner darunter, dass zu viele Arbeitsaufgaben zu erfüllen sind (»Multitasking«), die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Arbeitsaufgaben sehr schwierig ist, die qualitätsgerechte Erfüllung aller pädagogischen Aufgaben schwerfällt und die Arbeitsaufgaben oft nicht klar definiert sind. Als sehr belastend wird auch die unterrichtsbegleitende Tätigkeit empfunden, die die ErzieherInnen oft zehn bis zwölf Stunden in der Woche kostet. Hinzu kommen hohe psychische, aber auch körperliche Belastungen durch den Lärm, anhaltendes Stehen und unergonomisches Sitzen.
Ermüdung, Schmerzen, Schlafstörungen sind die Folgen
Verstärkt werden die Belastungen durch die fehlende Anerkennung der Arbeit von ErzieherInnen. Diese zeigt sich den Befragten zu Folge im Führungsstil der Schulleitung, die der unterrichtlichen Versorgung Priorität einräumt ohne die ErzieherInnen ausreichend zu unterstützen, oder in der Einstellung vieler Lehrkräfte, die der Bildungs- und Erziehungsarbeit der ErzieherInnen eine geringere Bedeutung zumessen als dem Unterricht. Nicht zuletzt wird die geringe Anerkennung auch in der Bezahlung deutlich, die den Arbeitsanforderungen und Belastungen nicht angemessen ist. Das bleibt nicht ohne Folge: Die zahlreichen Belastungen rufen bei den ErzieherInnen Stress- und Ermüdungserleben hervor. Es treten Burnout-Symptome auf. 16 Prozent der KollegInnen fühlen sich durch ihre tägliche Arbeit »ausgebrannt«. Als Beschwerden treten am häufigsten Ermüdung, Rücken-, Nacken-, Kopf- und Kreuzschmerzen auf. Bei älteren ErzieherInnen kommen Gelenkbeschwerden und Schlafstörungen hinzu.
Ganztagsschulen stehen in der betrieblichen Gesundheitsförderung am Anfang. Die Personalausstattung wird nicht den Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gerecht. Die Fachkraft-Kinder-Relation ist daher unbedingt zu verbessern. Die Entwicklungsziele für den Ganztag und die daraus resultierenden Aufgaben der ErzieherInnen müssen aufgewertet werden. Dazu gehören auch verbindliche Regelungen und individuelle Ansprüche der ErzieherInnen auf auskömmliche Zeiten für die mittelbare pädagogische Arbeit (mpA), die sich an den Erfordernissen der pädagogischen Arbeit orientieren.
Die unterrichtsbegleitende Tätigkeit kann nur in dem Umfang durchgeführt werden, in dem Personal dafür zur Verfügung gestellt wird.
ErzieherInnen wollen keine LückenbüßerInnen sein
Auch die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften ist zu verbessern, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen sind zu schaffen. ErzieherInnen wollen nicht »LückenbüßerInnen für Lehrkräfte« oder »ErsatzlehrerInnen« sein. Zudem könnte durch die ganztägige Rhythmisierung ein leistungs- und gesundheitsförderlicher Tagesablauf für ErzieherInnen, Lehrkräfte und Kinder erreicht werden.
Dieser Artikel ist Teil des blz-Themenschwerpunkts „Arbeitsbedingungen von Erzieher*innen“