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Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit

Katerstimmung in der Kita

Der Streik wurde verboten, aber die Verhältnisse in den Kitas müssen weiterhin dringend verändert werden.

Foto: IMAGO

Als GEW-Referentin, die täglich die Erfahrungen und Sorgen von Erzieher*innen aus Berliner Kitas hört, fällt es schwer, die Enttäuschung nach dem untersagten Streik in Worte zu fassen. Was Hoffnung auf Veränderung bringen sollte, hat vor allem Frustration und ein Gefühl, übergangen zu werden, hinterlassen.

Eine Erzieherin mit über 20 Jahren Erfahrung schilderte mir eindrücklich ihren Alltag nach dem Streik. Der Morgen beginnt mit der bangen Frage, ob genügend Personal verfügbar ist. Die Antwort lautet fast immer: nein. Krankmeldungen, Kolleg-*innen, die einspringen müssen, und chronische Unterbesetzung sind Alltag. So steht sie oft allein in ihrer Gruppe – mit 15 Kindern zwischen drei und fünf Jahren, darunter drei mit Integrationsstatus.

 

Schadensbegrenzung statt Pädagogik

 

Pädagogische Angebote, die Kinder fördern und begeistern sollen, bleiben oft Wunschträume. Stattdessen dominiert Schadensbegrenzung. »Heute können wir nicht in den Garten gehen, weil ich allein bin«, erklärt sie den Kindern. Die Enttäuschung in deren Augen ist schwer zu ertragen. Besonders belastend ist die Situation für Kinder mit Förderbedarf. Ein Junge mit frühkindlichem Autismus benötigt intensive Betreuung. Widmet sie sich ihm, bleiben die anderen unbeaufsichtigt – oft mit chaotischen Folgen. Sie steht täglich vor Entscheidungen, die keine optimale Lösung bieten, und fühlt sich am Ende wie eine Versagerin, obwohl sie alles gibt.

Auch die Eltern bemerken die Überforderung. Sie sehen die Erschöpfung der Erzieher*innen und spüren die Auswirkungen auf ihre Kinder. Sie fragen sich, warum es keinen geregelten Alltag gibt, Eingewöhnungen stocken oder geplante Angebote ausfallen. Dabei liegt es nicht am Engagement der Fachkräfte, sondern an den unzureichenden Rahmenbedingungen. Doch das zu erklären, ohne dass es wie eine Entschuldigung klingt, wird von Woche zu Woche schwerer.

Der Streik und seine Untersagung haben Spuren in den Teams hinterlassen. Manche Kolleg*innen sahen ihn als notwendig an, andere hatten Bedenken. Die unterschiedlichen Perspektiven haben an manchen Orten zu Diskussionen geführt, die den Arbeitsalltag zusätzlich belasten. Obwohl die Teams weiter zusammenarbeiten, zeigen sich mancherorts Anzeichen von Spannungen, die durch den allgemeinen Druck verstärkt werden.

Viele Erzieher*innen berichten von Demotivation und Stillstand. »Wir wollten zeigen, dass sich etwas ändern muss – für Kinder, Eltern und uns«, erzählen sie. Doch statt Veränderungen gab es das Verbot, das wie ein Rückschritt wirkt. Manche überlegen, den Beruf zu wechseln, weil der Druck zu groß wird. Andere bleiben, weil sie ihre Arbeit lieben und sich weiterhin für die Kinder einsetzen wollen. Doch sie fragen sich, wie lange sie das noch durchhalten können.

 

Viele fühlen sich alleine gelassen

 

Nach dem Streik bleibt ein bitterer Beigeschmack. Viele Kolleg*innen fühlen sich allein gelassen mit ihren Sorgen, während die Öffentlichkeit längst zur nächsten Schlagzeile übergegangen ist. Der Alltag bleibt körperlich und emotional zermürbend. Der Frust, die Erschöpfung und die stille Hoffnung, dass sich irgendwann etwas ändert, prägen weiterhin das Geschehen in den Kitas.

Doch eines ist klar: Es sind nicht die Erzieher*innen, die versagen. Sie leisten jeden Tag ihr Bestes für die Kinder, die Eltern und die Gesellschaft. Verantwortlich für die zermürbenden Zustände sind die unzureichenden Rahmenbedingungen, die von den Entscheidungsträger*innen auf politischer Ebene gesetzt werden. Solange diese sich nicht ändern, wird die Katerstimmung in den Kitas andauern – und mit ihr die Belastungen für alle Beteiligten.