Standpunkt
Kinderrechte ins Grundgesetz
Eine breite Mehrheit ist dafür, jetzt braucht es eine entschlossene Umsetzung
Noch nie waren die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und jungen Menschen in Deutschland von solch multiplen Krisen und Unsicherheiten geprägt. Vor diesem Hintergrund kommen ihre Belange deutlich zu kurz. Die Politik denkt Kinder weiterhin viel zu oft nicht mit. Das zeigt auch der Koalitionsvertrag, der die Interessen der jungen Generation an vielen Stellen systematisch ausblendet. Dabei ist es sicherlich kein Zufall, dass das Wort Kinderrechte im Koalitionsvertrag nicht einmal vorkommt.
Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert auch, dass der Koalitionsvertrag nicht die verfassungsrechtliche Verankerung der Kinderrechte entlang der Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention vorsieht. Denn es braucht endlich eine rechtliche Normierung im Grundgesetz, dass das Kindeswohl vorrangig zu beachten ist, dass Kinder das Recht auf Entwicklung, auf Schutz, auf Förderung und das Recht auf Beteiligung haben. Dafür braucht es im Grundgesetz einen eigenen Passus für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten und ohne mit ihnen in Konflikt zu geraten gegenüber dem Staat gelten.
Bereits seit 1994 setzt sich das Aktionsbündnis Kinderrechte – Deutsches Kinderhilfswerk, Der Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland – für die vollständige Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland ein. In Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind fordert das Bündnis, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen und sieht dafür auch die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland auf seiner Seite. So hatten sich in einer repräsentativen Umfrage für den Kinderreport 2022 des Deutschen Kinderhilfswerkes 84 Prozent der Erwachsenen für die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ausgesprochen. Bei den befragten Kindern und Jugendlichen waren es sogar 94 Prozent.
Aufgrund der hohen Hürden, die es bei einer Änderung des Grundgesetzes im Bundestag und Bundesrat gibt, braucht es zum Wohle der Kinder und für wirksame Kindergrundrechte jetzt eine ganz große Koalition von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren muss unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft stattfinden, damit neben politischen Erwägungen auch die in den vergangenen Jahren erarbeiteten fachlichen Standards angemessen Berücksichtigung finden.
Kinder sind zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Grundrechtsträger. Doch dieselben Gründe, die die Vereinten Nationen dazu veranlassten, im Jahre 1989 eine eigene Konvention für Kinder zu verabschieden, obwohl es bereits internationale menschenrechtliche Verträge gab, sprechen auch dafür, neben den bereits für alle Menschen geltenden Grundrechten besondere Rechte für Kinder in der Verfassung zu verankern. Langfristig würden so eine tragfähige Grundlage für ein kinder- und familienfreundlicheres Land geschaffen und die Rechte der Kinder quer durch die Rechtsgebiete gestärkt. Vom Jugendhilferecht, über das Straßenverkehrsrecht bis hin zum Baurecht und selbstverständlich auch im Bildungsbereich und der Haushaltsgesetzgebung.